L'Homme Idéal 2016 Eau de Parfum

Apicius
28.09.2019 - 05:53 Uhr
52
Top Rezension
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Sie können, wenn sie wollen

Wann immer Guerlain ein neues Parfum für den Massenmarkt herausbringt, ist der Aufschrei bei den Afficionados groß. Erstens zeichnet kein Träger dieses Namens verantwortlich, denn es gibt keinen Guerlain mehr in der Firma. Und zweitens hat es wenig bis gar nichts mit den großen Klassikern der Vergangenheit gemein. Vor allem der Hausparfümeur Thierry Wasser wird regelmäßig gescholten, weil er manches anders macht.

Ach, wo sind die Zeiten hin!

Wir kennen die Geschichten um die Guerlinade, jene magische Note, die dieses Haus einmal auszeichnete, und die auf einem souveränen Umgang mit der Note Vanille fußte. Erinnern wir uns – noch immer soll es in Frankreich einen Lieferanten geben, der ausschließlich für Guerlain ein Vanillin nach alter Produktionsmethode herstellt. Dessen rauchige Verunreinigungen sollen die Düfte nur umso lebendiger machen.

Mit seiner wuchtigen, orientalischen Note knüpfte das Eau de Toilette dagegen an den Duftgewohnheiten eines modernen, eher jungen Publikums an. Man schaue einmal das peinliche Werbevideo – der coole Typ, von Frauen umschwärmt. Da hat das Marketing den pickligen Jüngling im Visier, nicht den feinen Pinkel.

Aber wer kauft wirklich die Düfte diese Marke? Es gibt zu denken, dass Guerlain als ersten Flanker mit L‘Homme Idéal Eau de Parfum einen Duft folgen lässt, der so sehr die große Vergangenheit des Hauses zitiert.

Da haben wir sie, die Vanille - deutlich präsent und gekonnt in Szene gesetzt! Die orientalisch-holzige Note des Originals wurde herunter gedimmt, mit all ihren lauten Statements von Kirsche, Mandel und Marzipan. Die Schönheit einer Guerlain-Vanille zeigt sich immer im Dialog mit ihrem Umfeld, so auch hier.

Erstmals nehme ich die Ledernote wahr, die ja auch im Original vorhanden sein soll. Die ist ganz zart und ausschließlich in der Projektion zu erspüren. Und sie ist wichtig, denn die Projektion ist das, was unser Umfeld wahrnimmt, wenn wir einen Duft tragen. Man sollte immer versuchen, sich selbst gewissermaßen neben den eigenen Körper zu stellen, wenn man ein Parfum ausprobiert. Wer sich immer nur die Nase am besprühten Handrücken platt drückt, verpasst vieles. Für mich wird hier ein Stück Raffinesse und Feinheit sichtbar, wie wir sie den Klassikern der französischen Parfumkunst zuschreiben.

Im Vergleich zum Original ist L‘Homme Idéal Eau de Parfum der feinere Duft. Die Vanille vor dem dezenteren orientalisch-holzigen Hintergrund vermittelt mir einen Eindruck von Weichheit. Für mich passt das weniger zu Büro und Ausgehen, mehr für private, intime Gelegenheiten. Wenn das Original für die Woche ist, dann ist L‘Homme Idéal Eau de Parfum für den Sonntag.
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