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Top Rezension
Vol de vie
Ich habe einen gestörten Tag-und-Nacht-Rhythmus - und wahrscheinlich liegt das an Dir.
Du musstest ja damals unbedingt "Vol de Nuit" auswählen in dieser kleinen Parfümerie in Adelaide. Ich war schon in Deinem Bauch zu dieser Zeit, ungefähr fünf Tage alt, und ich erinnere mich an diesen Wuuuusch... splash....
diesen fulminanten Start, den der Duft hinlegte. Gleißende Aldehyde wie der Himmel über Broken Hill, wenn Goldklumpen irgendwo am Horizont verglimmen.
Deine Kreditkarte glühte, als Du "Vol de Nuit" kauftest, denn es war ein teurer Spaß damals, Du wolltest gleich das Extrait und das Eau de Toilette zusammen.
Opa wurde 1933 geboren und er kam mit einem Flugzeug der Air France nach Deutschland. Ein Grund mehr für Dich, "Vol de Nuit" zu mögen. St. Exupéry hat Dich nie sonderlich interessiert, Du hattest zu viel anderes zu lesen während Deines Studiums und "Le petit prince" war berührend, aber dann doch nicht so weltbewegend wie Sartre.
Galbanum dagegen bleibt eine Konstante für Dich. Es kommt aus dem Iran und erst vor einem Jahr ist Dir klar geworden, dass Du im Gebirge um Karaj herum bei einer Wanderung diese Pflanze gesehen haben musst, ohne dass Du Dir dessen bewusst geworden bist.
Wir nehmen ohnehin nur immer einen Bruchteil dessen wahr, was uns umgibt. Ich konnte Dich ja auch neun Monate nur riechen, fühlen, schmecken und hören, aber nicht sehen.
Du und mein Vater fuhrt weiter nach Melbourne und ich erinnere mich daran, dass es dort unglaublich heiß war. 45 Grad in einem Motel... und Du versprühtest "Vol de Nuit".
Es kühlt zu Beginn, das Galbanum, die Aldehyde. Dann kommen Blumen hinzu, sehr leichte, kleine, gezähmte Blumen, apprivoisées, wie im "Petit Prince".
Iris tut sich hervor, aber nur, wenn Du sie kennst, hast Du sie zuvor noch nie getroffen, so wirkt sie wie Sternenstaub und senkt sich auf Deine Haut, ruhig, behutsam, besänftigend.
Jetzt ist "Vol de Nuit" so wie die Farbe Lila, tief und geheimnisvoll, meditativ. Kleine gelbe Sprenkel von Narzisse tauchen auf, aber sie stören das Bild nicht, sie fügen eine kleine Störnote hinzu. Wieso auch nicht, niemand ist nur ruhig, sonst wäre sie oder er ein Buddha.
Dann der Tag meiner Geburt vor 20 Jahren, Du hattest Dir lange darüber Gedanken gemacht, welchen Duft Du um den Geburtstermin herum tragen könntest, um mich zu begrüßen... natürlich fiel Deine Wahl auf "Vol de Nuit", denn mit diesem Parfum fing alles für mich an, schon bevor ich das Licht der Welt erblickte, und als ich dann in Deinen Armen lag, an Deiner Brust und das erste Mal Muttermilch trank, spürte ich einen ganz kleinen Hauch von Vanille, vielleicht auf Deiner Haut, vielleicht auf Deinem Haar, das mich sanft streifte. Du hattest Dich nicht extra parfümiert für die Geburt selbst, denn Du wolltest, dass alles möglichst natürlich abläuft, aber Dein Körper hatte wahrscheinlich den Geruch von "Vol de Nuit" bereits mit seinen eigenen Säften vermischt.
In den letzten Jahren hat "Vol de Nuit" sich verändert, aber Du Dich auch. Dein Leben ist um einiges leichter geworden, so wie der Duft, der als Eau de Toilette schon immer sehr schnell ver-flogen war und jetzt noch vol-atiler erscheint als früher.
Manchmal, wenn ich Dich umarme, dann spüre ich einen eleganten Hauch aus Eichenmoos, Vanille und Sandelholz, sehr zart und trotzdem so einprägsam.
Leider trägst Du "Vol de Nuit" gar nicht so oft wie ich es mir wünschen würde, Du experimentierst ohne Unterlass mit irgendwelchen Düften herum... und dann erzählst Du etwas von "Parfumo", Horizonterweiterung und Deinem Hobby.
Wir alle in der Familie haben Verständnis dafür, aber wir wünschen uns mehr Konstanz, einen Signaturduft wie "Vol de Nuit" , an dem wir uns immer wieder festhalten können, uns vergewissern, uns erinnern...
besonders ich, die ich tausende von Meilen entfernt auf einem anderen Kontinent gezeugt und in einem Nachtflug mit Dir zusammen nach Frankfurt zurückgekehrt bin und die ins sich diese Sehnsucht spürt...
nach dem Ankommen, nach Wiederkehr, nach einer Mutter, die mit sanfter Hand über meine Wange streicht, wenn ich mich verliere und die dabei flüstert: "Alles wird gut."
Du musstest ja damals unbedingt "Vol de Nuit" auswählen in dieser kleinen Parfümerie in Adelaide. Ich war schon in Deinem Bauch zu dieser Zeit, ungefähr fünf Tage alt, und ich erinnere mich an diesen Wuuuusch... splash....
diesen fulminanten Start, den der Duft hinlegte. Gleißende Aldehyde wie der Himmel über Broken Hill, wenn Goldklumpen irgendwo am Horizont verglimmen.
Deine Kreditkarte glühte, als Du "Vol de Nuit" kauftest, denn es war ein teurer Spaß damals, Du wolltest gleich das Extrait und das Eau de Toilette zusammen.
Opa wurde 1933 geboren und er kam mit einem Flugzeug der Air France nach Deutschland. Ein Grund mehr für Dich, "Vol de Nuit" zu mögen. St. Exupéry hat Dich nie sonderlich interessiert, Du hattest zu viel anderes zu lesen während Deines Studiums und "Le petit prince" war berührend, aber dann doch nicht so weltbewegend wie Sartre.
Galbanum dagegen bleibt eine Konstante für Dich. Es kommt aus dem Iran und erst vor einem Jahr ist Dir klar geworden, dass Du im Gebirge um Karaj herum bei einer Wanderung diese Pflanze gesehen haben musst, ohne dass Du Dir dessen bewusst geworden bist.
Wir nehmen ohnehin nur immer einen Bruchteil dessen wahr, was uns umgibt. Ich konnte Dich ja auch neun Monate nur riechen, fühlen, schmecken und hören, aber nicht sehen.
Du und mein Vater fuhrt weiter nach Melbourne und ich erinnere mich daran, dass es dort unglaublich heiß war. 45 Grad in einem Motel... und Du versprühtest "Vol de Nuit".
Es kühlt zu Beginn, das Galbanum, die Aldehyde. Dann kommen Blumen hinzu, sehr leichte, kleine, gezähmte Blumen, apprivoisées, wie im "Petit Prince".
Iris tut sich hervor, aber nur, wenn Du sie kennst, hast Du sie zuvor noch nie getroffen, so wirkt sie wie Sternenstaub und senkt sich auf Deine Haut, ruhig, behutsam, besänftigend.
Jetzt ist "Vol de Nuit" so wie die Farbe Lila, tief und geheimnisvoll, meditativ. Kleine gelbe Sprenkel von Narzisse tauchen auf, aber sie stören das Bild nicht, sie fügen eine kleine Störnote hinzu. Wieso auch nicht, niemand ist nur ruhig, sonst wäre sie oder er ein Buddha.
Dann der Tag meiner Geburt vor 20 Jahren, Du hattest Dir lange darüber Gedanken gemacht, welchen Duft Du um den Geburtstermin herum tragen könntest, um mich zu begrüßen... natürlich fiel Deine Wahl auf "Vol de Nuit", denn mit diesem Parfum fing alles für mich an, schon bevor ich das Licht der Welt erblickte, und als ich dann in Deinen Armen lag, an Deiner Brust und das erste Mal Muttermilch trank, spürte ich einen ganz kleinen Hauch von Vanille, vielleicht auf Deiner Haut, vielleicht auf Deinem Haar, das mich sanft streifte. Du hattest Dich nicht extra parfümiert für die Geburt selbst, denn Du wolltest, dass alles möglichst natürlich abläuft, aber Dein Körper hatte wahrscheinlich den Geruch von "Vol de Nuit" bereits mit seinen eigenen Säften vermischt.
In den letzten Jahren hat "Vol de Nuit" sich verändert, aber Du Dich auch. Dein Leben ist um einiges leichter geworden, so wie der Duft, der als Eau de Toilette schon immer sehr schnell ver-flogen war und jetzt noch vol-atiler erscheint als früher.
Manchmal, wenn ich Dich umarme, dann spüre ich einen eleganten Hauch aus Eichenmoos, Vanille und Sandelholz, sehr zart und trotzdem so einprägsam.
Leider trägst Du "Vol de Nuit" gar nicht so oft wie ich es mir wünschen würde, Du experimentierst ohne Unterlass mit irgendwelchen Düften herum... und dann erzählst Du etwas von "Parfumo", Horizonterweiterung und Deinem Hobby.
Wir alle in der Familie haben Verständnis dafür, aber wir wünschen uns mehr Konstanz, einen Signaturduft wie "Vol de Nuit" , an dem wir uns immer wieder festhalten können, uns vergewissern, uns erinnern...
besonders ich, die ich tausende von Meilen entfernt auf einem anderen Kontinent gezeugt und in einem Nachtflug mit Dir zusammen nach Frankfurt zurückgekehrt bin und die ins sich diese Sehnsucht spürt...
nach dem Ankommen, nach Wiederkehr, nach einer Mutter, die mit sanfter Hand über meine Wange streicht, wenn ich mich verliere und die dabei flüstert: "Alles wird gut."
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