L'Ombre des Merveilles 2020

Martine
02.05.2020 - 02:28 Uhr
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Top Rezension

Gelungen, tragbar, hypermodern

Seit Tagen arbeite ich mich an diesem Duft ab. Nicht sofort überzeugt greife ich doch immer wieder zu meinem Pröbchen. Und komme langsam zu einem Urteil. Dieser Duft ist hochinteressant und sehr gut tragbar! Warum?

Er beginnt weich, rauchig, fast ein wenig holzig, mit einem völlig eigenständigen nicht-blumigen Duft, den ich schwer in Worte fassen kann, der aber irgendwie etwas „hautiges“ hat. Schön, das einem das Eau des Merveilles hier noch gar nicht wirklich begegnet. Man hat das Gefühl, ein neues Parfum von Hermes in den Händen zu halten. Irgendwann nach etwa einer halben Stunde wird der Duft pudriger, etwas wärmer vielleicht auch, ich entdecke leicht Metallisches, Mineralisches. Die Erinnerung an den Geruch von warmen Steinen wurde in dem einen oder anderen Review schon mal angesprochen. Das teile ich vollkommen, finde den Duft sogar genial in dieser Hinsicht. Steine in dieser klaren, präzisen Form habe ich in Parfums so noch nicht gerochen. Herrlich! Das Steinmotiv wird dann auch einige Stunde durchgespielt, Steine in der Sonne, Steinlandschaften in der Nacht unter dem Sternenhimel, Steine am Meer, in der Gischt. Es kommen immer wieder neue Facetten dazu. Hier ist nichts linear...Fast schade, dass am Ende dann doch noch deutlich erkennbar der Eau des Merveilles herauskommt. Dies ist für mich der langweiligste weil bekannte Teil dieses Dufterlebnisses. Und aus meiner Sicht hätte man darauf gut verzichten können. Der Duft hätte es auch stand-alone geschafft.

Insgesamt wunderschön, eigenständig, sehr leicht und subtil, viel, viel leichter als das Eau. Sehr körpernah und wirklich völlig unsüß und doch sehr feminin. Einen kleinen Wermutstropfen hab ich zwar schon, irgendwo schlummert ein kleines bisschen Synthetik, künstlicher Seetang oder so ähnlich, wie auch bei all den anderen Kreationen von Christine Nagel. Sie ist eben ausgebildete Chemikerin und liebt es offensichtlich neue, unbekannte und etwas seltsame Noten zu kreieren, die uns stark fordern. Hier kann ich aber irgendwie gut darüber hinwegriechen. Ich bin sogar geneigt zu sagen, hier passt es perfekt. So riecht wohl das hypermoderne 21. Jahrhundert, mit seinen technischen Möglichkeiten aber auch seiner langsam wachsenden Erkenntnis, dass wir Menschen nichts anders sind als Teil der Natur...Danke, Hermes!

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