Fougère Royale 2010 Eau de Parfum

Version von 2010
Apicius
01.01.2011 - 19:38 Uhr
38
Top Rezension
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft

“Wenn Gott Farnen einen Geruch mitgegeben hätte, so würden sie nach »Fougère Royal« duften”

Dieses Zitat wird Paul Parquet zugeschrieben, dem Schöpfer des historischen Fougère Royale. 1882 brachte Houbigant es heraus; es wurde der Referenzduft für viele Nachahmer, genau wie später Coty‘s Chypre. Mittlerweile steht Fougère für eine ganze Duftfamilie. Alles, was irgendwie ein wenig krautig riecht, wird heute so bezeichnet. Doch mit dem ursprünglichen Fougère-Akkord hat das meistens nicht viel zu tun.

Wie das original Fougère Royale duftete, können wir nicht genau wissen. Längst ist es nicht mehr erhältlich. Doch einige Flaschen lagern in der Osmotheque in Versaille. Luca Turin durfte - wie er in seinem Buch mitteilt - die heiligen Hallen betreten und daran schnüffeln. Wir aber müssen uns den Duft erschließen.

Das geht, wegen der vielen Nachahmer, die es gegeben hat. Und die Basisrezeptur ist überliefert: eine Mischung aus Lavendel, Eichenmoos und Coumarin. Ich kenne mittlerweile: Crown Fougère und Buckingham (beide eingestellt), die neuen Interpretationen Jacques Zolny und Washington Tremletts Miles per Hour, Sartorial von Penhaligon's, sowie Harry Lehmanns Fougère. Letzteres ist sicher das urtümlichste Fougère, das man noch bekommen kann, und preiswert.

Seltsam ist dieser Akkord, irgendwie krautig, aber auch muffig und hat eine anisartige Schärfe, die heute nicht gut in die Zeit passt. So bemüht man sich in den wenigen neuen Interpretationen, diese Schärfe zu mildern: Bei Jacques Zolny ist alles etwas cremiger, bei Miles per Hour ist der Lavendel sehr betont…

…und endlich legt Houbigant wieder ein Fougère Royale auf, sodass es eine Freude ist, darüber zu schreiben. Doch nicht das alte Fougère Royale von Paul Parquet wird uns präsentiert, auch der Begriff Reformulierung greift zu kurz. Es ist ein neuer, eigenständiger Duft, der lediglich das Thema aufgreift. Houbigant beauftragte hierfür Rodrigo Flores-Roux - eine gute Wahl, denn der steht für die überdurchschnittlich gelungenen Herrendüfte von John Varvatos.

Dieses moderne Fougère Royale überzeugt auf der ganzen Linie. Die anisartige Schärfe ist fast komplett weg, es gibt eine angenehme Frische, und die sonst leicht muffige Seite des Fougère-Akkords riecht hier eher nach körperlicher Nähe und dabei blitzsauber. Das ist elegant, sexy und hat darüber hinaus auch noch Understatement.

Obwohl so viele Duftnoten genannt werden, ergibt sich für meine Nase ein sehr geschlossener Eindruck. Nichts fällt auseinander oder ist - abgesehen vom Fougère-Akkord selbst - isoliert wahrnehmbar. Eventuell Muskatellersalbei und Kamille lassen sich nachvollziehen, ohne Kenntnis der Pyramide wäre ich aber nicht darauf gekommen. Der Lavendel ist integriert und bringt den Duft zum Schweben. Das florale Bouquet der Herznote rieche ich nicht, allenfalls ganz schwach auf Kleidung, ebensowenig Zimt und Nelke. Stattdessen glaube ich Spuren - aber wirklich ganz minimal - einer aquatisch-frischen Note zu erkennen.

Was aber innerhalb dieses Fougère-Akkords sehr stark hervortritt, ist das Coumarin. Coumarin ist ein Pflanzenbestandteil, der heute aus der Tonkabohne gewonnen wird, aber auch in weiteren Gewächsen vorkommt, zum Beispiel im Waldmeister. Details siehe Wikipedia. Erfreulicherweise hatte ich vor kurzem Gelegenheit, an einer Coumarin-Emulsion zu riechen. Tatsächlich riecht Coumarin ein wenig nach Waldmeister und überhaupt nicht nach der erdigen Tonkabohne. Ich kenne nur ein einziges weiteres Parfum, das diesen deutlichen Waldmeister-Einschlag hat, und das wäre Knize Two!

Leider ist Coumarin etwas giftig. Es darf in Lebensmitteln nur in ganz geringer Menge vorkommen, und in Parfums ist es deklarationspflichtig. Manche Menschen sollen Kopfschmerzen davon bekommen. Mir persönlich wird von Fougère-Parfums etwas blümerant. Ich trage sie gerne vier oder fünf Stunden, aber dann hab ich genug. Somit werde ich Fougère Royale eher nicht morgens zur Arbeit tragen, obwohl es als Büroduft gegenüber anderem, was uns dort begegnet, sicher eine sehr gute Figur abgeben würde.

Das sei als Warnung mitgegeben, zusammen mit der Empfehlung, die Verträglichkeit vielleicht mit einer kleinen Menge des preiswerten Fougère von Harry Lehmann zu testen. Denn billig ist Fougère Royale nicht: 120 € für 100 ml, immerhin präsentiert in einem eleganten Flakon. Doch es ist jeden Cent wert.

Fougère Royale muss gerade erst erschienen sein, die bekannten Online-Shops führen es alle noch nicht. Nur die kleine Theatiner Parfümerie in München gehört zu den schnellsten; sie haben es sich gleich in die Auslage gelegt. Wer kann - hingehen!
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