Rose Divine 2006

DuftJunkie
17.12.2015 - 22:17 Uhr
11
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Rosa Paradox

Ich habe mich lange gefragt, wie ich denn diesen Duft verstehen oder auffassen soll.

Paradoxon 1:
Zu allererst: 'Rose Divine' bedeutet tatsächlich 'Göttliche Rose'. Eigentlich ein toller Name für ein Parfum, das die Rose in den Vordergrund rückt. Aber in diesem Fall leider unglücklich. Man sollte nämlich wissen, daß es viele Rosen gibt, aber ausgerechnet die Zentifolie (Hundertblättrige) gehört nicht zu den 'gotterschaffenen' Rosen, somit nicht gerade göttlich. Die Zentifolie, die bei Rose Divine in erheblichem Maß aufflackert, gehört zu den vom Menschen 'erschaffenen' Rosen. Sie entstand zum Teil durch Zufall und einer Laune der Natur. Am meisten hat jedoch der Mensch durch gezielte Züchtung dazu beigetragen. Teils wird die Zentifolie (bot. Rosa x Centifolia) fälschlicherweise als Mai-Rose oder gar Pfingstrose vermarktet. Außer dem frisch-floralen und frühlingshaften Dunfteindruck haben sie aber nichts gemeinsam. Die Pfingstrose ist dabei noch nicht mal eine Rose, sondern gehört zu den Päonien.

Paradoxon 2:
Mit dem Stichwort frisch-floral bin ich auch schon beim Duft angekommen. Rose Divine ist laut der bisherigen Kommentare als alles andere als frisch oder frühlingsfaft anzusehen. Ich mache da keine Ausnahme. Sie ist eher als warm, balsamisch und süß zu bezeichnen. Durch den hohen Anteil an Zentifolie Absolue (die Prozentangabe von 1% bezieht sich sicher auf den Gesamtinhalt samt Alkohol etc.) wirkt die Komposition bei einigen sicherlich narkotisch. Dagegen hilft dann eigentlich nur eisern sparen: zwei Sprühstöße an den Hals oder gar nur ein Spritzerchen auf's Dekolleté bei sensiblen Gemütern. Ein Rosen-Kracher wie Black Aoud ist Rose Divine aber keineswegs. Der Duft ist für mich schon interessant, aber auch widersprüchlich. Widersprüche mag ich zwar, aber ein Sinn sollte erkennbar sein, den ich hier wiederum vermisse. Dazu gleich mehr.

Paradoxon 3:
Jetzt wird's technisch :-). Die Vermutung, daß Céline Ellena hier mittels Zentifolie den Duft der göttlichen Rose, der Rosa x Damascena nachbilden wollte, drängt sich mir unweigerlich auf. Dufttechnisch aber unterscheiden sich Zentifolie und Rosa Damascena in gewisser Weise. Die Damascena vereint in ihrer Essenz z.T. mehr als 400! verschiedene Moleküle, von denen einige noch nicht einmal isoliert sind. Bei der Zentifolie sind es weit weniger Stoffe. Wenn man die Moleküle nun als physikalische Strukturen betrachtet, fehlen der Zentifolie bestimmte Moleküle, um warm-balsamische Töne wie Benzoe oder Sandelholz harmonisch in sich aufzunehmen. Erschwerend kommt bei Sandelholz die urinöse Beinote hinzu (hatte da jemand etwa über Kopfschmerzen geklagt ;-))? An Benzoe und Sandelholz hat man hier sichtlich nicht gespart, wie man unschwer herausriechen kann. Bei der weit fülligeren bulgarischen oder türkischen Rose dagegen gut möglich und beliebt.

Paradoxon 4:
Wenn ich Benzoe und Sandelholz unschwer herausriechen konnte, so habe ich doch Probleme bei Blaubeere und Johannisbeere. Vielleicht zu schwach dosiert? Wie auch immer: ein bißchen mehr von dem Fruchtcocktail, von mir aus auch exotischer Art, hätten mir besser gefallen. So aber verstärken die Früchte, vielleicht weil sie eben durch Abwesenheit glänzen, den insgesamt widersprüchlichen Charakter dieses Duftes.

Fazit:
Insgesamt ein sehr gutes Parfum, dem ich gern 100% geben würde. Der Name aber ruft bei mir eine gewisse Erwartungshaltung vor. Diese wird nicht befriedigt. Ich habe vielmehr ein Bild einer göttlichen, zierlichen Sängerin und den Frack eines ebenso göttlichen, mehr als nur stattlichen Sängers vor Augen. So als würde man versuchen, die große Maria Callas in einem Frack von Luciano Pavarotti auf die Bühne zu zerren.

Die 90 Prozent bekommt der Duft von mir eben auch deshalb, weil diese Vorstellung so abstrakt und doch irgendwo schön ist :-D.
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