Déclaration Love - Tyrannique 2020

Parfümlein
16.05.2021 - 04:30 Uhr
19
Top Rezension
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

The Woman in Red

... is dancing with me... cheek to cheek...

Nur echte Kinder der 80er kennen noch diese Schmonzette von Chris deBurgh.
Ich gehöre dazu - und erinnere mich, dass dieses Lied der Grund war, warum ich für meinen Bronze-Tanzkurs-Abschluss unbedingt ein rotes Abendkleid wollte. Es erschien mir wie das Himmelreich, die Inkarnation des Schönen, Wunderbaren, Romantischen. Allein dieses Lied hatte mich zu der Vorstellung inspiriert, nur in einem roten, weichfließenden Kleid könne ich elfengleich über die Tanzfläche gleiten. Mein Tanzpartner - ein wundervoll freundlicher Mensch, dessen rechtes Bein tatsächlich kürzer war als das linke und der überdies einen unfassbar schrägen Silberblick hatte - war sicher nicht die Inkarnation des Schönen. Aber er war liebevoll und elegant im Tanz und führte mich durch alle Kurse mit dem größten Vergnügen. Dies wiederum zum Vergnügen meines schönen, stets Freestyle tanzenden, echten "Freundes", mit dem ich "ging".

Tanzschule - ein Begriff, der heute nur noch Eingeweihten bekannt zu sein scheint und nur noch wenige Jugendliche in seinen Bann zieht. Ab und an begegnen mir solche Exemplare, die es für relevant halten, sich auf zukünftigen Bällen adäquat schwingend bewegen zu können, und deshalb die mittlerweile einzige Tanzschule der Stadt frequentieren - sie scheinen die Ausnahme geworden zu sein. Ein echter Jammer. Denn was gab es Schöneres, als am Samstag, nach der überstandenen öden Schulwoche, gegen zwei Uhr aufzubrechen, unter Gleichgesinnten lachend und kichernd seine Runden zu drehen und im Anschluss auf eine wilde Party aufzubrechen? Ich bin glücklich, dass ich diese Zeit in all ihrer Intensität erleben durfte - nur das rote Kleid bekam ich nie. Meine Mutter spielte einfach nicht mit. DAS war es ganz sicher nicht, was sie sich für eine 16jährige vorstellte. Und sie hatte das Sagen.

Ich denke an das rote Kleid, das ich nie bekam, wenn ich Déclaration Love - Tyrannique benutze. Ich drehe den wunderschönen, tiefroten Flakon in meiner Hand, wie ich mich vor Jahren zur Rumbamusik gewogen habe, und tauche ein in dieses Paradies von Blüten. Déclaration Love - Tyrannique ist einer der schönsten Tuberosendüfte, die ich kenne - denn er ist so viel mehr als nur Tuberose. Beim ersten Sprühen jedoch ist sie da, vollkommen präsent, weich und cremig, und weckt Erinnerungen an unendlich viele Tuberosendüfte, die die Nase bisher erschnuppern durfte. Anders jedoch als all diese anderen Düfte scheint die Tuberose hier nur die Erinnerung zu wecken. Nicht aber erkämpft sie sich blindwütig jene Dominanz, die anderen Tuberosendüften eignet.

Déclaration Love - Tyrannique funktioniert so: Ein Sprüher auf das Dekolleté - und Du tauchst ein in die paradiesisch schöne Welt der Tuberose. Ein weiterer Sprüher auf das Handgelenk, ein paar Sekunden warten, und die Tuberose macht anderen Eindrücken Platz: weichem, warmem Honig, der süß und zart wohl der Orangenblüte zu verdanken ist. Dieser honigsüße, aber dabei dezente, nicht aufdringliche, wirklich feine Cremeduft lässt sofort den Flieder herein, der hörbar an die Tür klopft - und die paradiesischen Gefühle werden plötzlich greifbarer: keine weichblühende Südseeinsel ist der Ort dieses Paradieses, sondern ein heller, sonniger Frühlingstag mit einer beglückenden Fliederbrise.
Vielleicht ist das die größte Leistung dieses traumhaften Duftes: der Mut, Tuberose und Flieder zu kombinieren, diesen zwei Solitären einen gemeinsamen Schliff zu verleihen und sie dadurch in schönster Harmonie zu vereinen. Der gemeinsame Tanz von Flieder und Tuberose macht den Duft weich, schwingend, cremig. Es ist die Kunst der Balance, die hier perfektioniert wurde. Keine Kaugumminote, keine penetrante Südseeschwülstigkeit, keine tropfende Süße - sondern blütenvolle Cremigkeit, in der jede der beiden Schönheiten die andere in Schach hält. Wenn man dann noch die leicht spritzig anmutende Eröffnung dazunimmt - wobei weder Neroli noch Orange wirklich wahrnehmbar sind und mehr als ätherische Leichtigkeit ein Gegengewicht zur Opening-Tuberose darstellen - und wenn man dann noch das schöne, nach Stunden einsetzende, vanillige Ende hinzunimmt, dann evoziert dieser Duft tatsächlich ein vollkommenes Bild jugendlicher Verheißung: Träume, Sehnsüchte, Romantik - die aber noch ungelebt sind, im Reich der Möglichkeiten auf ihre Erfüllung warten und solange von frühlingsfeiner Mädchenhaftigkeit umfangen sind. Ich würde nicht sagen, dass der Duft für eine 16jährige in der Tanzstunde geeignet ist. Dazu ist er wohl doch ein wenig zu intensiv, zu erwachsen. Aber er beschwört das Bild einer 16jährigen, die von der großen Liebe träumt, nur mit Frühlingsgefühlen experimentiert, selbst im Frühling ihres Lebens ist. Déclaration Love - Tyrannique ist insofern ein Duft für Erwachsene, die sich an ihre Jugend erinnern und in deren Erinnerung sich Vergangenheit - die Leichtigkeit des Frühling - und Gegenwart - die Schwere der Liebe - zu einem wunderschönen Tanz vereinen. Es ist summa summarum ein sentimentaler Duft. Wer die Tuberose mag, sollte diesen Duft probieren - seine sanfte Cremigkeit ist einfach wunderschön.

Ein rotes Kleid habe ich Jahre später doch noch bekommen. Mit meiner besten Freundin bummelte ich im tiefen Winter durch Luxembourgs Innenstadt. Es schneite, ich war schwanger, es war kalt. Bei Laura Ashley entdeckten wir das Kleid: Ein tiefes Rot wie der Flakon von Déclaration Love - Tyrannique, schwerfließender Samt, Wasserfall-Ausschnitt. Das war es und wir kauften es beide. Ich trug es bei einer Hochzeit in Apulien. Vor ein paar Wochen habe ich es bei ebay verkauft. Aber viele Jahre hat es meine Jungmädchenträume verkörpert, auch wenn es nur ungenutzt im Schrank hing. Ich konnte es nun, vor ein paar Wochen, endlich loslassen. Für die Erinnerung an diese Träume habe ich nun Déclaration Love - Tyrannique.
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