25.06.2019 - 10:27 Uhr
Profumo
284 Rezensionen
Profumo
Top Rezension
22
Für Tuberosen-Liebhaber unbedingt eine Empfehlung!
Mit dem Duft der Tuberose ist das ja so eine Sache: entweder man liebt sie, oder eben nicht. Kaum ein zweiter Blütenduft polarisiert derart und es gibt kein lauwarmes 'so lala'. Hitzige Verehrung oder kalte Verachtung, das ja.
Ich gehöre zu jenen, die den Duft der Tuberose lieben, ihn aber zugleich unglaublich anstrengend finden und ihn eigentlich nicht tragen können. Dabei hab ich es versucht. Das fantastische ‚Carnal Flower’ hab ich getragen, in kleinen homöopathischen Dosen zwar, aber immerhin. Allein, es klappte mit uns nicht. Der Duft kaperte mich, begrub mich und ich fühlte mich ausgesprochen unwohl. Auch ‚Cédre’ gab ich eine Chance, mit ähnlichem Ergebnis, auch mit ‚Tubereuse Criminelle’ erging es mir nicht besser, geschweige denn ‚Fracas’. Immer dachte ich: um Himmels willen, ich bin doch nicht die Bombshell à la Jean Harlow oder Mae West, zu der mich diese Tuberosen-zentrierten Düfte machen wollen. Nein, bin ich nicht, auch nicht ‚in drag’!
Dennoch: wie herrlich sie doch duften!!
Als die kleine und von mir sehr geschätzte Duftmanufaktur ‚Jardins d’Écrivains’ vor einigen Jahren ihren neuen Duft ‚Marlowe’ vorankündigte, war ich sehr erfreut, dass hier offenbar ein Duftkonzept verwirklicht wurde, nachdem ich lange suchte: einen Tuberosen-Duft, den ein halbwegs maskuliner Mann ohne Drag-Queen-Tendenzen gefahrlos tragen kann.
Seltsamerweise hatte ich dann irgendwie das Interesse verloren, meine Duft-Affinität erlahmt eben zuweilen...
Egal, jetzt ist er da, mit einiger Verspätung zwar, dafür duftet er ganz wunderbar auf meinem Handrücken.
Trotzdem muss ich gestehen, dass ich zunächst ein wenig enttäuscht war, denn als ich ‚Marlowe’ zum erstem Mal aufsprühte, war es nicht ganz der Duft, den ich erwartete.
Er war mir seltsamerweise auf Anhieb zu leise.
Das liegt nun sicher daran, dass ‚Carnal Flower’, ‚Tubereuse Criminelle’ oder auch ‚Fracas’ regelrechte Volltöner sind, die sich um Zurückhaltung nicht scheren. Gleich nach dem Aufsprühen füllen sie den Raum und noch Stunden später ziehen versprengte Blütenwolken durch die Luft.
Nicht so bei ‚Marlowe’. Die Tuberose, so omnipräsent sie auch hier ist, haut nicht gar so auf die Pauke und lässt ihren Mitstreitern tatsächlich Raum zur Entwicklung.
Zunächst sind das vor allem das fruchtige, an Aprikosen erinnernde Aroma der Osmanthus-Blüte, daneben einige strohig-säuerlich duftende getrocknete Blumen, aber auch schon die Harze von Elemi, Myrrhe und Labdanum. Eine zunächst etwas seifige Anmutung wandelt sich dabei in Richtung Basis zusehends in einen schönen Chypre-Ausklang mit leichten Leder-Nuancen, sodass man fast von einem Lederchypre sprechen könnte, einem Tuberosen-Leder-Chypre um genauer zu sein, denn die Tuberose ist tatsächlich in jeder Phase der Duftentwicklung präsent, ohne dass der Duft dadurch zu einer Art Tuberosen-Soliflor im Sinne der drei zuvor genannten Düfte würde.
Gerade das Zusammenspiel der Osmanthus-Blüte mit der Tuberose entlockt dem Duft dabei eine gewisse Haarspray-Note, die Dank der Harze bald ins Seifige tendiert, schließlich im Chypre-Fond zur Ruhe kommt und dabei auch ein wenig Süße entwickelt. Allerdings nicht viel Süße, nur etwas, ‚Marlowe’ ist ein eher trockener Duft.
Doch was hat das alles mit Christopher Marlowe zu tun?
Tja, einiges, aber das ist natürlich nur so ein Gefühl. Welcher Duft würde wohl zu einer so komplexen Persönlichkeit wie Marlowe sie war passen: des Stückeschreibers und Zeitgenossen von Shakespeare, des Spions und Homosexuellen, des Übersetzers von Ovid und Vergil, der gerade mal 29jährig ermordet wurde.
Ich finde, die Tuberose passt tatsächlich ganz gut – das Fanfarenhafte und Überrumpelnde des mächtigen Blütenakkordes steht gewissermaßen bildhaft für dieses turbulente Leben, das so jäh auf der Höhe seines Erfolges endete. Osmanthus, die getrockneten Blüten und die Harze geben dem Duft dazu einen altertümlichen Touch, tauchen ihn in das gelb-rötliche bis braune Farbenspektrum eines alten Gemäldes.
Ich finde, Anaïs Beguine hat mit ‚Marlowe’ einmal mehr einen wunderbaren Duft geschaffen, dessen Inspiration ziemlich stimmig ist.
Abseits von allem aufgeblasenen und gestelzten Luxus-Getues à la Roja Dove & Co. ist hier eine fantastische Reihe sehr, sehr guter Düfte entstanden, die überaus wertig sind - und noch dazu erschwinglich!
Chapeau und danke, Mme Beguine!
Noch ein paar Fakten: ‚Marlowe’ besitzt eine recht gute Ausdauer, bei moderater Projektion. Wie gesagt, der Duft ‚schreit’ nicht, wie Tuberosen-Düfte das gerne mal tun (was ich mittlerweile sehr zu schätzen weiß!).
Zudem ist er gleichermaßen für beide Geschlechter geeignet – ein ‚Eau Mixte’ wie Anaïs Beguine ihren Duft untertitelt.
Ich gehöre zu jenen, die den Duft der Tuberose lieben, ihn aber zugleich unglaublich anstrengend finden und ihn eigentlich nicht tragen können. Dabei hab ich es versucht. Das fantastische ‚Carnal Flower’ hab ich getragen, in kleinen homöopathischen Dosen zwar, aber immerhin. Allein, es klappte mit uns nicht. Der Duft kaperte mich, begrub mich und ich fühlte mich ausgesprochen unwohl. Auch ‚Cédre’ gab ich eine Chance, mit ähnlichem Ergebnis, auch mit ‚Tubereuse Criminelle’ erging es mir nicht besser, geschweige denn ‚Fracas’. Immer dachte ich: um Himmels willen, ich bin doch nicht die Bombshell à la Jean Harlow oder Mae West, zu der mich diese Tuberosen-zentrierten Düfte machen wollen. Nein, bin ich nicht, auch nicht ‚in drag’!
Dennoch: wie herrlich sie doch duften!!
Als die kleine und von mir sehr geschätzte Duftmanufaktur ‚Jardins d’Écrivains’ vor einigen Jahren ihren neuen Duft ‚Marlowe’ vorankündigte, war ich sehr erfreut, dass hier offenbar ein Duftkonzept verwirklicht wurde, nachdem ich lange suchte: einen Tuberosen-Duft, den ein halbwegs maskuliner Mann ohne Drag-Queen-Tendenzen gefahrlos tragen kann.
Seltsamerweise hatte ich dann irgendwie das Interesse verloren, meine Duft-Affinität erlahmt eben zuweilen...
Egal, jetzt ist er da, mit einiger Verspätung zwar, dafür duftet er ganz wunderbar auf meinem Handrücken.
Trotzdem muss ich gestehen, dass ich zunächst ein wenig enttäuscht war, denn als ich ‚Marlowe’ zum erstem Mal aufsprühte, war es nicht ganz der Duft, den ich erwartete.
Er war mir seltsamerweise auf Anhieb zu leise.
Das liegt nun sicher daran, dass ‚Carnal Flower’, ‚Tubereuse Criminelle’ oder auch ‚Fracas’ regelrechte Volltöner sind, die sich um Zurückhaltung nicht scheren. Gleich nach dem Aufsprühen füllen sie den Raum und noch Stunden später ziehen versprengte Blütenwolken durch die Luft.
Nicht so bei ‚Marlowe’. Die Tuberose, so omnipräsent sie auch hier ist, haut nicht gar so auf die Pauke und lässt ihren Mitstreitern tatsächlich Raum zur Entwicklung.
Zunächst sind das vor allem das fruchtige, an Aprikosen erinnernde Aroma der Osmanthus-Blüte, daneben einige strohig-säuerlich duftende getrocknete Blumen, aber auch schon die Harze von Elemi, Myrrhe und Labdanum. Eine zunächst etwas seifige Anmutung wandelt sich dabei in Richtung Basis zusehends in einen schönen Chypre-Ausklang mit leichten Leder-Nuancen, sodass man fast von einem Lederchypre sprechen könnte, einem Tuberosen-Leder-Chypre um genauer zu sein, denn die Tuberose ist tatsächlich in jeder Phase der Duftentwicklung präsent, ohne dass der Duft dadurch zu einer Art Tuberosen-Soliflor im Sinne der drei zuvor genannten Düfte würde.
Gerade das Zusammenspiel der Osmanthus-Blüte mit der Tuberose entlockt dem Duft dabei eine gewisse Haarspray-Note, die Dank der Harze bald ins Seifige tendiert, schließlich im Chypre-Fond zur Ruhe kommt und dabei auch ein wenig Süße entwickelt. Allerdings nicht viel Süße, nur etwas, ‚Marlowe’ ist ein eher trockener Duft.
Doch was hat das alles mit Christopher Marlowe zu tun?
Tja, einiges, aber das ist natürlich nur so ein Gefühl. Welcher Duft würde wohl zu einer so komplexen Persönlichkeit wie Marlowe sie war passen: des Stückeschreibers und Zeitgenossen von Shakespeare, des Spions und Homosexuellen, des Übersetzers von Ovid und Vergil, der gerade mal 29jährig ermordet wurde.
Ich finde, die Tuberose passt tatsächlich ganz gut – das Fanfarenhafte und Überrumpelnde des mächtigen Blütenakkordes steht gewissermaßen bildhaft für dieses turbulente Leben, das so jäh auf der Höhe seines Erfolges endete. Osmanthus, die getrockneten Blüten und die Harze geben dem Duft dazu einen altertümlichen Touch, tauchen ihn in das gelb-rötliche bis braune Farbenspektrum eines alten Gemäldes.
Ich finde, Anaïs Beguine hat mit ‚Marlowe’ einmal mehr einen wunderbaren Duft geschaffen, dessen Inspiration ziemlich stimmig ist.
Abseits von allem aufgeblasenen und gestelzten Luxus-Getues à la Roja Dove & Co. ist hier eine fantastische Reihe sehr, sehr guter Düfte entstanden, die überaus wertig sind - und noch dazu erschwinglich!
Chapeau und danke, Mme Beguine!
Noch ein paar Fakten: ‚Marlowe’ besitzt eine recht gute Ausdauer, bei moderater Projektion. Wie gesagt, der Duft ‚schreit’ nicht, wie Tuberosen-Düfte das gerne mal tun (was ich mittlerweile sehr zu schätzen weiß!).
Zudem ist er gleichermaßen für beide Geschlechter geeignet – ein ‚Eau Mixte’ wie Anaïs Beguine ihren Duft untertitelt.
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