Bal à Versailles 1962 Eau de Toilette

Lila
18.07.2010 - 12:31 Uhr
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Top Rezension

Pissoir de Versaille anno dunnemals

Mir stellt sich bei diesem Duft wieder einmal die Frage, ob man Parfums eigentlich gerecht bewerten kann. Auf Parfumo bin ich mal über einen Kommentar zu irgendeinem Klassiker gestolpert, der lautete in etwa: "Mann, Mann, Mann! Man kann auch jedes Parfum von vorm zweiten Weltkrieg mit 100% bewerten!" Den fand ich lustig und den Unmut konnte ich irgendwie nachvollziehen. :-) Ich habe mit manchem Klassiker auch so meine Schwierigkeiten. Einerseits haben Klassiker einen besonderen Stellenwert, da sie zu ihrer Zeit innovativ waren; von berühmten Persönlichkeiten getragen wurden und dem Geschmack der damaligen Zeit entsprachen; sie spiegeln wieder, was man früher mal für elegant und erotisch hielt usw. Aber andererseits lassen sich diese Eigenschaften bei einem Parfum nicht so leicht würdigen, wie bei einem Gemälde bspw., denn Düfte wirken direkt und auf sehr körperliche Art und Weise auf den Rezipienten ein; sind sehr eng mit seinem individuellen Erfahrungsschatz verbunden. Riechen und sich dabei gut oder schlecht zu fühlen ist nun mal etwas völlig anderes als Bilder anzuschauen und sie kunsthistorisch einzuordnen.
Die Klassiker haben auch oftmals diese Eigenart, dass sie sich im Laufe der Zeit sehr unvorteilhaft ins Duftgedächtnis der kommenden Generation einbrennen, da die Personen immer älter und älter werden, die die Düfte ihrer Jugend spazieren tragen (Stichwort "Omaduft")... Duftakkorde nutzen sich auf diese Weise ab und werden in den Köpfen der Jüngeren neu kodiert. Was mal elegant und erotisch war, wird mit der Zeit altbacken und muffig...
Bal à Versaille stellt mich vor genau diese Problematik der gerechten Bewertung und ich habe mich dafür entschieden, diesen hier (sowie alle anderen Klassiker) ganz nach meinem persönlichen Geschmack zu beurteilen und den ganzen Input an Informationen (wer-wann-was-warum komponiert und getragen und was-wer sich dabei gedacht hat) völlig zu ignorieren. Für einen richtigen Parfumsammler sind diese Sachen sicherlich ausschlaggebend. Ich bin aber (wie wahrscheinlich die meisten hier) in erster Linie Parfumkonsumentin.

Um nun endlich mal auf den Duft zu kommen: Was mich an diesem Parfum überfordert, ist weder die "Komplexität", die meine "ungeübte Nase" vor unlösbare Aufgaben stellte, noch die "erwachsene Eleganz", für die ich womöglich zu jung und zu schnoddrig wäre, sondern schlicht und ergreifend der durchdringende Geruch von Urin und Kot. ;-) Klassiker hin oder her, dieses Parfum wirkt heute im Jahre 2010 auf mich persönlich abstoßend. Fäkalien in Kombination mit schwülstigschwerer Blumigkeit und einer Überdosis Puder erzeugt bei mir leider Übelkeit und ich empfinde diesen Duft alles andere als elegant, geschweige denn fröhlich. Auch wenn das jetzt makaber klingt, aber als Kind meiner Zeit habe ich hier eher ganz düster-traurige Assoziationen einer sehr alten inkontinenten Dame, die verzweifelt versucht, die üblen Gerüche mit einem altmodischen Parfum zu übertünchen... Ich weiß, dass sich das nicht nett anhört, aber das ist nun mal das Kopfkino, welches sich bei mir einstellt und ich möchte unter gar keinen Umständen so riechen.
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