Classique 1993 Eau de Toilette

Mandelmaus
12.12.2015 - 10:08 Uhr
39
Top Rezension
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
10
Duft

Gefährliches kokettieren mit geheuchelter Schutzbedürftigkeit und verschleierter Offensive

Classique ist mir oft begegnet, meist nur flüchtig gesehen, nie wirklich zur Kenntnis genommen, hat mich nicht gereizt, bis ich hier einige Kommentare gelesen hatte und die Neugier leise wuchs.
Im Sommer vor ein paar Jahren testete ich ihn dann endlich spontan, es war ein eher kühler Tag, leicht verregnet, in der einen Hand den Regenschirm, stieg mir immer wieder eine lockende, dunkelpudrige und verheißungsvolle, schwere Duftwolke in die Nase... Was für eine Wucht!
Verdreht den Kopf in Windeseile, vernebelt die Sinne, trübt das Urteilsvermögen. Ein guter Duft ist manchmal das beste Make-up welches man auflegen kann.
Doch irgendwie fühlte ich mich noch nicht reif für diese weibliche, subtile Gewalt. Kam ich mir doch vor wie ein kleines Mädchen das Mamas viel zu große Pumps ungefragt geborgt hatte, die zu lange Perlenkette um den dürren Hals, verschmierter Lippenstift hastig und unwissend aufgetragen.
Nein, da solltest du warten, bis es an der Zeit ist dieses kapriziöse Geschütz aufzufahren.
Vor zwei Jahren hatte ich mir dann den kurvigen Flakon gegönnt, ich selbst von innen mit vielen neuen Erfahrungen tätowiert, startklar für neue Hürden, da brauche ich jetzt dich als wirkungsvolle Gefährtin.

Der Beginn gleicht einer leidenschaftlichen Kampfansage, außer mir besteht heute keine Gefahr.
Würzigfasriger Ingwer, leicht matschige, vollmundige Birne, die Mandarine spendet eine minimale, wässrigfruchtige Frische, allerdings nur für einen Wimpernschlag.
Opulente, feminine Orangenblüten umschließen mit ihren feingliedrigen, alabastergleichen Armen den furiosen Einstieg, elegant abgefedert durch seifige Rosennuancen.
Unwillkürlich steigt mir das Zitat "halb zog sie ihn, halb sank er hin" in meinen schon ziemlich durch den Duft verhexten Kopf, da muss man aufpassen mit der Dosierung, die sollte hier unbedingt bedacht gewählt sein.
Denn wenn ich zu viel davon erwische fühle ich mich richtig unwohl, schon fast nackt, ungehörig und um es kurz zu machen, sehr sehr "nuttig" (sorry für das Wort, aber so ist es nun mal).
Die Kopfnote schlägt die tragende Dame prompt zur Königin, für eine unglaublich lange Zeit, die Haltbarkeit ist extrem. Verwirrend sinnlich, ein olfaktorischer Paukenschlag, da ist man selbst um die gebührende Körperhaltung bemüht.
Die leicht scharfe, bizzelnde Würze gibt einen anregenden Kick, einer gleißend hellen Initialzündung gleich, die Früchte als sämig, sanfter, weichzeichnender Gegenpol, mildern und betonen zugleich die hinterlistige Schärfe. Die blumigen Nuancen drücken dem Duft eiskalt und ohne Widerrede ihren urweiblichen Stempel auf, mit großer, ausschweifender Geste, viel Drama, taupe und beigefarbenen Puderwolken, ich bin gerne eine Frau und ich mache es zur Unmöglichkeit dass diese Tatsache von irgendjemanden übersehen wird oder sonstwie unbemerkt bleibt.

Im Herzen zieht sich der Sirenenduft beinahe elegant zurück doch nur um den Angriff nun auf einer anderen Ebene zu starten. Das hungrige Biest wurde von der Kette gelassen, jetzt will es all seine zweifelhaften Talente zeigen.
Der Duft umgarnt auf eine morbide, verspielte Weise, neckt, lockt, zeigt die kalte Schulter, zieht sich zurück mit lachenden, zusammengekniffenen Augen, einem wissenden,brutalen Lächeln, einem lüsternen Zug um den Mund, ein vorwitzig vorgestrecktes Kinn, eine anmutige Hand die gewollt beiläufig ein filigranes Schlüsselbein nachzeichnet, eine seidene Haarsträhne betont langsam hinters Ohr streicht, zu lange auf dem eigenen Oberschenkel verweilt und bewusst der ungeteilten, fiebernden Aufmerksamkeit des Gegenüber schmerzlich träge gen Hüfte aufwärts wandert.
Dabei immer ein spöttischer Glanz in den Augen, wohl wissend um die leicht dumpfen, hypnotisch floralen, dezent würzigen, tiefpudrigen Dufttentakel welche das Opfer mit zärtlicher Grausamkeit Stück für Stück zerpflücken.
Eine spannungsgeladene Schwüle breitet sich stetig aus, aufwühlend und lähmend, die Dufnoten äußerst aufreizend miteinander verflochten, dunkelsüß, tropfender Pflaumennektar, königliche Puderiris, diskret dreckige Vanille flüstert heiser, warmer, goldener Amber, bisschen schlüpfrig, aber nicht obszön.
Wattiger Moschus der sich mich sanftem Druck in die erhitzte Haut krallt, dabei mutet der Duft wie Ebbe und Flut an, schreitet mit wiegendem Gang, zielstrebig aber bedacht wie auf der Pirsch auf den auserkorenen Fang zu um sich nach einem kurzem Moment des Bewunderns und des offensichtlichen Begehrens mit genussvoller Härte schnurrend zurückzuziehen.
So ein verwunderliches Frauenzimmer, aus der Ferne adrett, apart und gepflegt, erst wenn man sich dessen Duftquelle neugierig nähert erlangt man eine ungefähre Vorstellung der halb schlummerten, halb zur Schau getragenen Verderbtheit und Tücke, geschönt unter femininem Shishi und Etepetete-Gebaren.
Eine süchtig machende Sinnestäuschung, ein olfaktorisches Kippbild, eine verwirrende Duftverführung, eine raffinierte, weibliche Manipulation wie sie ausgekochter und niederträchtiger nicht sein könnte. Das alles aber kunstvoll arrangiert und inszeniert, mit Liebe zum Detail, wie die gute Dita in Crazy Horse.

Die Basis ist unverhofft weich und schnurrend, der Widerspenstigen Zähmung sozusagen, hoheitsvolle, holzige Pudervanille, ambrierte, orientalische Amberpralinen an sauberbauschigem Schmusemoschus, getränkt mit samtigem leicht würzigem Fruchtwein, darin lose zerstreut leicht welke Blütenblätter, hat was endgültiges, dieser Moment wird sich nicht wiederholen, man kann nie wieder zurück und warum sollte man auch (ja ich liebe das Drama).

Sillage und Haltbarkeit sind mehr als wünschenswert, die starke Projektion passt perfekt zum Wesen des Duftes, diese herbe, unerbittliche Strenge welche konstant in ihm zu schweben scheint, flankiert von sehr weiblichen Noten, ein grandioses, oszillierendes Spektakel von entreißen und schenken, ich mag das.
Einerseits wehmütig, einladend, aufbrausend und dann wieder ganz zart und verletzlich, hält dieser Duft der Trägerin doch unerbittlich den Spiegel vor.

Ich trage ihn ganz gerne zu jeder Gelegenheit, mal mehr und mal weniger dosiert, sogar beim Sport, da wirkt er irgendwie auch unterstützend, fast wie ein Aufputschmittel.
Im Winter trage ich ihn am liebsten, da kommt das gesamte Spektrum am besten zur Geltung, passt auch wunderbar zu klirrend kalten und leicht rauchigen Luft, dem eher abweisenden Sonnenlicht, den tieforangenen Sonnenuntergängen hinter zerfetzten, bleigrauen Wolken und schwarzen, knorrigen Ästen.
Bei einem Date... Liebhaber des Duftes wissen was ich meine ;)

Ich freue mich sehr den Duft als verlässlichen Komplizen gewonnen zu haben, ein Musthave in jedem Weibchenhaushalt, sofern man es blumig mag, gewürzt mit einer Prise obskurem.

Der Mann führt und denkt, die Frau verführt und lenkt, mit Classique ein Kinderspiel.
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