Als ich Bois d’Olivier et Cade (im Folgenden BO&Co genannt) in die Hände bekam, hatte ich eine Befürchtung und eine Hoffnung. Da offensichtlich Verbindungen zu L’Occitane bestehen und auch die Gestaltung des Flakons mit dem Charme eines alten Apothekenfläschchens eine ähnliche Richtung einschlägt, befürchtete ich, es würde sich bei diesem Duft um einen minderen Aufguss von „Eau de Cade“ handeln.
Die Hoffnung andererseits war, es käme dabei etwas ähnlich Qualitätvolles heraus.
Beides hat sich nicht bewahrheitet. Wahrscheinlich hatten die Macher bei Jeanne en Provence dieselbe Befürchtung und, da man nun ja schon gestaltungsmäßig und vom Gesamtauftritt her in die gleiche Bresche schlägt, musste man sich wenigstens dufttechnisch deutlich davon absetzen.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich endlich zu diesem Kommentar bequemt habe, denn ich hatte die ganze Zeit keine rechte Lust auf diesen Duft und die Testerei dauernd vor mir hergeschoben. Ich kann nicht so mit süßen Düften, und der hier ist für meinen Geschmack nicht nur süß, sondern recht süß. Nun, versprochen ist versprochen und, offen gestanden, es lässt sich leicht etwas dazu sagen.
Ich erwarte ja in meiner Naivität von einem Duft, der Olivenholz, Wacholder und Zeder auflistet, einen ¬freilich ¬holzigen Duft, ich erwarte etwas Harz, vielleicht sogar einen Hauch von Weihrauch durch die Zeder, insgesamt einen trocken-warmen, äh, schon wieder, Holzduft, leicht zitrisch durchlüftet.
Weit gefehlt. Erstmal ein sehr abgedroschener Satz zu Beginn: „Der Duft startet mit einem deutlich zitrischen Auftakt…“ Ja, das tun tatsächlich viele Düfte, nur bei diesem hier ist dieser Auftakt besonders kurz, ein ganzer Takt ist es nicht einmal. Dann geht das Süßholzgeraspel los. Etwas Fruchtiges zeichnet sich noch ab und gibt die Ahnung einer wohltuenden Säuerlichkeit. Dann setzt sich das Holz aber mehr oder minder gezuckert durch. Schon beim ersten Mal hatte ich da ein Geruchs-Déjà-Vu. „Ich kenne das. Ich mag es nicht, aber ich kenne das.“
Der Zufall brachte mich auf die Lösung:
Eine wohlbekannte Drogeriemarktkette haut grad zum Dumpingpreis „Sun Men“ (hier kurz SM) von Jil Sander raus, sei es, weil die „Organisation Parfüm expandierender Länder“ (OPEC) eine verwässerte Version lancieren will oder weil eine gegnerische Parfümmafia der Meinung ist, dass diese Sonne lang genug auf die Männer geschienen hat, jedenfalls muss mir wohl irgendwas gedämmert haben und ich sprühte mir (bei Sonnenuntergang, versteht sich) in meinem jugendlichen Leichtsinn was aufs Gelenk. Sogleich war mir klar, dass der „zitrische Auftakt“ bei SM wesentlich eleganter und auch länger anhaltend ist. Das ist aber auch dabei schon das Interessanteste. Und selbst das kommt bei BO&Co noch zu kurz, im eigentlichen Wortsinn.
Wie es dann weitergeht, verrät mir, dass Jil Sander vor einigen Jahren der lieben Freundin Jeanne in Grasse einen Besuch abgestattet hat, um ihr zu erklären, wie man aus dem Schatten von L’Occitane treten könne: Jil hat, entgegen ihrer sonstigen Art, viel geredet und Jeanne hat bei dem vielen Kaffee und Likör vergessen, sich alles genau aufzuschreiben. Man könne aber, so Jil, durchaus viel Sun Men in den Flakon tun, denn bei der Verpackung erwartet ohnehin niemand etwas derartiges. Kokos bringts natürlich in der südfranzösischen Provinz auch nicht so. „Lass’mer weg und schreiben stattdessen einfach Olivenholz hin, da weiß eh keiner, wie das eigentlich riecht.“ Das Schwierigste ist der Anfang, denn das ist der Speck, mit dem man die Parfümmäuse fängt. Wenn das nicht hinhaut, gleich mit Süße nachlegen, das ballert alles nieder. Außerdem macht’s L’Occitane nicht so sehr süß, da haben wir dann auch den nötigen Distinktionsgewinn.
Was also am zitrischen Auftakt fehlt, wird durch Süße wettgemacht.
Geneigte Leserinnen und Leser, was macht eigentlich Düfte süß? Nichts in dieser hier dargebotenen Liste riecht eigentlich und an und für sich süß und andererseits habe ich wie beim Zucker oder dem Süßstoff bei Speisen das Gefühl, dass das Süßungsprinzip immer das gleiche wäre. Welcher olfaktorische Zucker macht Düfte süß? Sagt es mir, damit ich einen großen Bogen darum machen kann, ich will keine dicke Nase bekommen.
Wie es dann weitergeht, könnte man ebenso gut bei Sun Men reinschreiben, jedenfalls bin ich nach mehreren Stunden sehr froh, den Überblick über meine zwei Handgelenke nicht verloren zu haben, denn dann unterscheiden sich die beiden Düfte kaum noch.
Jil und Jeanne jedenfalls hatten noch einen lustigen und langen Abend und ich habe noch einen ganzen Flakon BO&Co.