Nightflight 1992 Eau de Toilette

Apicius
25.03.2010 - 12:20 Uhr
18
Sehr hilfreiche Rezension
7.5
Haltbarkeit
7
Duft

Ein Duft wie von Saint-Ex!

Nightflight war der direkte Nachfolgeduft nach dem grandiosen roten Erfolgsparfum Joop Homme. Als Nightflight 1992 erschien, hatte man - angespornt von dem Erfolg des Vorgängers - offenbar noch Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und einen weiteren innovativen Duft mit hohem Wiedererkennungswert zu präsentieren.

Nachdem ich es eine Weile nicht mehr in den Parfümerien gesehen hatte, ist es nun plötzlich wieder überall zu haben. Also habe ich mich heute bei Douglas damit angesprüht. Und tatsächlich, es erinnert noch an den Duft von 1992!

Nightflight war ein mutiges Parfum, stechend scharf und nur auf den ersten Blick ein blauer Frische-Duft. Für mich beschreibt Nightflight ungefähr folgendes Gefühl. Man liegt auf einer Sommerwiese und schaut in den klaren Himmel. Der ist zunächst hellblau, doch je mehr man schaut, umso weiter wird dieser Himmel, umso intensiver, dunkler und strahlender wird dieses Blau. Plötzlich wird einem bewusst, dass unsere Sonne nur ein winziger Stern unter Abermilliarden anderen ist, der eines Tages verlöschen wird. Wie wäre es wohl, wenn das Licht der Sonne verschwindet, die Nacht zur Unzeit hereinbricht? Würde das helle Blau dann immer dunkler, ganz allmählich, Stufe für Stufe? Würden tagsüber die Sterne erscheinen, immer stärker sich abzeichnend in dem sich intensivierenden Blau? Bis schließlich ewige Nacht ist?

Die Erfahrung der Weite des Himmels ist kein liebliches Gefühl, aber ein intensives und Nightflight ist kein lieblicher Duft, sondern ein kalt strahlender. Wunderschön beschreibt Antoine de Saint-Exupery(„Der kleine Prinz“) diese Erfahrung der Weite in seiner autobiographischen Erzählung „Nachtflug“, die von dem Dasein der Piloten aus der Anfangszeit des Postlinienflugs handelt:

„Er erhob sich in Spiralen nach und nach in dem Schacht, der sich über ihm geöffnet hatte und sich unter ihm wieder schloss. Und die Wolken verloren, je höher er stieg, ihre schmutzige Düsternis, glitten wie immer reinere und weißere Wogen auf ihn zu. Fabien tauchte hervor. Staunen überwältigte ihn: die Helligeit war so groß, dass sie ihn blendete. Er musste für Sekunden die Augen schließen. Nie hätte er zuvor geglaubt, dass Wolken bei Nacht blenden könnten. Aber der Vollmond und alle Sternbilder verwandelten sie in ein gleißendes Meer.

Das Flugzeug war mit einem Schlage, mit der Sekunde, in der es hervortauchte, in eine Stille geraten, die wie ein Wunder schien. Nicht eine Luftschwankung hob oder senkte es. Wie eine Barke, die die Mole passiert, glitt es in stille Gewässer. Es schwamm in einem nie gesehenen, verborgenen Teil des Himmels, wie in einer Bucht der Insel der Seligen. Das Wettergewölk unter ihm war wie eine andere Welt, dreitausend Meter dick, von Böen, Wasserwirbeln und Blitzen durchrast; aber das Gesicht, das es den Gestirnen zukehrte, war von Kristall und Schnee.

Es war Fabien zumute, als sei er in Zaubersphären geraten, denn alles wurde leuchtend, seine Hände, seine Kleider, seine Tragflügel. Denn das Licht kam nicht von den Gestirnen herab, sondern löste sich, unter ihm und rings um ihn her, aus dieser weißen Fülle.“

Das alles steckt in Nightflight. Ob die Erzähung von Saint-Ex wohl Vorbild für den diesen Duft war?

Ein wenig vom ursprünglichen Nightflight ist immer noch da, aber die Reformulierung ist schon zu merken. Plötzlich gibt es helle Gewürze und vanillige Tonkabohne, an die ich mich nicht erinnern kann. Nighflight war früher strahlend, synthetisch, alkoholisch, mit scharfen Anklängen an Terpentin. Heute wäre das sicherlich nicht mehr gut verkäuflich. Heute ist alles etwas heruntergedimmt, aber nicht ganz. Den Nachthimmel muss man sich nun durch das Bullauge einer Boing 737 anschauen, während man gefragt wird, ob man Tomatensaft möchte. Schwierig zu sagen, ob sich die Anschaffung noch lohnt.
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