L'Oeuvre Noire

A Taste of Heaven Absinthe Verte 2007 Perfume

TVC15
07.04.2010 - 19:17 Uhr
22
Sehr hilfreiche Rezension
10
Haltbarkeit
7
Duft

Vertrauen und Geborgenheit

Mist, einen Duft, der 175 Euro kostet, kann ich sicher nicht mit zwei Sätzen abfertigen :) Erstmal vielen Dank an Kankuro, der meiner zitrus-getunten Putzmittel-Nase diese edle Essenz anvertraute.

Schon bevor ich das Röhrchen öffnete, schlich ich wie die Katze um den heißen Brei und roch am Verschluss. Waldmeister! Ganz eindeutig Waldmeister irgendwo zwischen Ahoj-Brause und Wackelpudding. Nun ja, besser als Vanillepudding oder Gewürzspekulatius. Also wagte ich das Experiment.

Sehr empathisch eröffnete mir "A Taste of Heaven" zunächst seine beste Seite, so als hätte man geahnt, dass man mich mit einer kalabrischen Bergamotte auf jeden Fall rumkriegen kann. Nicht so gut gefiel mir der Absinth, der auch schon zur Begrüßung heraneilt, als wolle er darauf hinweisen, dass Kilian mit Nachnamen Hennessy heißt. Soviel Alkoholseligkeit muss zu der frühen Stunde nicht sein. Er gab zwar dem Duft den Untertitel "Absinthe Verte", taucht aber im weiteren Verlauf nur noch als beschwipster Hausmeister auf, der die Plätze der nüchterneren Gäste vorwärmt.

Mittlerweile entwickelt sich im Randbereich der Bergamotte erneut dieser ominöse, leicht bizzelnde Waldmeisterduft, von dem ich bisher außer im Kommentar von Hermessenz noch nirgends etwas hörte. Was soll das wohl sein? Mein nächster Blick ging zu der Rezeptur, die man auf der Kilian-Website findet (etwas umfangreicher als die oben angegebenen Duftnoten). Dort bemerkte ich die Unmengen verschiedener Lavendel- und Lavandin-Öle, welche Kankuro sicherlich zu seiner Überschrift veranlassten, mich aber wie Klein-Doofi aussehen ließen, denn sorry, ich rieche hier keinen Lavendel. Mit dem neuerlichen Wissen gelang es mir zwar, ganz vage zu erahnen, was mit Lavendel gemeint sein könnte, aber den samtig-frischen violetten Grundton, den man von Oma kennt, entdeckte ich nicht.

Zwischendurch also der erste kleine Hauch einer Kritik: Warum werden die kostbarsten Absolues verbraten, wenn diese ihren Originalduft nicht einbringen dürfen? Ja, ich weiß, die Kunst der Komposition ist das Schaffen von etwas Neuem. Trotzdem schade um den Lavendel. Ich kann nur raten, dass die mysteriöse Waldmeisternote evtl. das Zusammenspiel des Lavendels mit den frischen Bergamotte-Tönen und dem im Hintergrund schwelenden Absinth sein könnte. Aber keine Panik, noch befindet sich alles im wahrsten Sinne des Wortes in einem, zwar etwas lieblichen, aber doch grünen Bereich.

Zwischendurch sei angemerkt, dass ich zwar den Duft aufmerksam verfolgte, er aber nicht mich. Mit anderen Worten: Er trägt sich trotz einer nicht zu unterschätzenden Projektion sehr angenehm und komfortabel, wird nicht laut, randaliert nicht, springt nicht auf den Tisch und bettelt auch nicht um Beachtung. Man kann ihn einfach "A Taste Of Heaven" sein lassen, weiß, dass er da ist, muss ihm aber nicht ständig auf die Finger schauen. So eine Art Vertrauensbasis. Bei dem stolzen Preis ist das gute Benehmen anscheinend inbegriffen.

Ja, das ist jetzt ganz schön viel Lob von mir, der ich doch einige Ingredienzen auf dem Papier eigentlich eher als Kampfansage betrachte, so z.B. das Trio Infernal aus Orangenblüten, Rose und Vanille. Huah, mich gruselt's schon beim Tippen, aber nein, Calice Becker hat die schlimmsten Standardphrasen gekonnt vermieden. In jeder Phase des Duftverlaufs brilliert die Parfümeurskunst erneut - sehr harmonisch, elegant und immer akribisch auf Ausgewogenheit achtend. Hier und da blitzt zwar mal eine überzuckerte Vanille-Platitüde hervor, aber schon bevor ich das beste Schimpfwort dafür fand, war sie zugunsten einer angenehmeren Nuance bereits wieder verschwunden.

Je weiter die Entwicklung voranschreitet, desto süßer wird es, aber was soll ich sagen, ich konnte es ertragen. Nun war es heute auch noch recht warm und ich hätte mich eigentlich nach einem erfrischenden herben Cologne gesehnt, aber selbst dieser Umstand konnte mir den positiven Eindruck von ATOH nicht vermiesen. Im Winter kann dieser Duft sicherlich noch mehr punkten, denn der einfach nicht enden wollende Drydown erinnerte mich sehr an eine kuschelige Fleece-Decke, unter der man sich geborgen fühlt.

Nicht ganz meine Tasse Cologne, aber Calice Beckers Leistung hat mich durchaus beeindruckt.
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