Knize Ten 1925 Toilet Water

Ponticus
01.01.2023 - 10:31 Uhr
94
Top Rezension
9
Preis
8
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft

Für uns alte Männer und die, die es einmal werden wollen!

Erneut ist ein Jahr vergangen und der alte Mann sitzt, wie so oft in letzter Zeit, in seinem großen Sessel am Fenster und der wiederholte Rückblick auf längst vergangene Tage stimmte sein Herz wie immer etwas froher. Viel passierte nicht mehr in seinem Leben und so nahmen seine Erinnerungen an anno dazumal einen immer größeren Platz ein. Das Leben aber stürmt vorbei, reißt Wünsche und Träume mit sich. Oft bleibt wenig von den Sehnsüchten der Jugend erfüllt, obgleich das Verlangen immer noch groß ist, die Leidenschaft alte Knochen durchdringt und die Sinne neue Begehrlichkeiten auftun.

Bevor er mit seinen Gedanken ganz in der „guten alten Zeit" ankam, fiel der Blick auf seine Füße und er mußte gequält lächeln. Die steckten in dicken, warmen Pantoffeln, richtigen grauen Filzlatschen. Er, der Charmeur, Herzensbrecher und Frauenversteher, der einstmals nur edles Lederschuhwerk und exquisite Anzüge aus feinsten Stoffen trug, hatte mit den Jahren Federn lassen müssen. Begriffe wie Filzlatschencasanova und Pantoffelheld schwirrten durch seinen Kopf. Noch nimmt er es mit Humor, was zunehmend schwerer fällt, wenn er sich des Morgens in seine, mit Einlagen verstärkten, orthopädischen Treter zwängt! Dennoch hält er auch heute noch auf sich, trägt täglich Hose, Hemd, Jackett und legt auch sein Lieblingsparfüm auf, besonders gern wenn die Pflegerin ihn besuchen kommt.

An die erste Begegnung mit Knize Ten, seinem Lieblingsparfüm, erinnerte er sich genau. Es war in den 50ern in einer gut sortierten Herrenabteilung wo der Verkäufer, ein Gentlemen vom Scheitel bis zur Sohle, ihm ein Probefläschchen auf den soeben erstandenen Anzug legte. Seine Worte „ein Kavalier der so einen feinen Stoff trägt, sollte auch das beste Parfüm dazu bekommen“ lösen immer noch Gefühle des Glücks und der Dankbarkeit aus, denn er mochte diesen eleganten, herben und markanten Duft von Anfang an.

Zu Beginn ein kurzer, aber heftiger Sturm von orangig-zitroniger Frucht, leicht herb-süßlich und mit einigen krautig-grünen Böen angereichert, die aber keinen Schaden anrichten. Das Getöse legt sich dann recht schnell zugunsten eines leichten, hintergründigen, aber beständigen Windes von bittrig-orangigem Duft. Ein Hauch von Blümchen und Gewürzen säuselt umher deren Geruch jedoch nur von Relevanz wäre, wenn er fehlen würde. Dafür liegt Leder in der Luft, dickes raues Leder der angenehmster Art. Und etwas Tier ist mit dabei ganz ohne Pipi und Exkremente, fein eingebunden und mit Tiefe und einem langen Leben versehen durch eine moosig-ambrierte Moschusbasis. Der Vanille gebührt hier eher eine Außenseiterrolle, bei der ihr Fehlen eher bemerkt würde als ihre Anwesenheit. Der Clou der komplexen Aromatik des Knize Ten Lederduftes aber liegt für mich in der Abwesenheit einer Himbeer- und Weihrauchnote. Undenkbar fast für viele der heutigen Kreationen in Leder und ein Geschenk an Generationen und für mich.

Knize Ten weiß auch Frauen zu begeistern, aber der Duft ist kein „Compliment Getter“ im eigentlichen Sinne. Das Gesamtpaket muß stimmen! Hier verführt der Parfümträger, nicht das Parfüm. Markant sowieso und recht maskulin, aber ohne Haare auf der Brust, ist Knize Ten auch eine Option für den herben Charme einer verführerischen Dame. Hier sind Brusthaare ohnehin überflüssig. Das gilt für die jüngere Generation genauso. Traut euch!

Der alte Mann, teif in seiner Rückschau versunken, hatte ein Lächeln auf den Lippen. Das "beste Parfüm" hatte ihn immer begleitet und auch er war der Beste in vielem, was er tat. Auch die Frauen liebten ihn und er sie, sowohl seine eigene und auch andere. Er brach Herzen und war doch immer mit dem Herzen dabei. Heute ist er allein mit seinen Erinnerungen und alles hat sich verändert, er trägt sogar warme Feinrippunterwäsche mit Eingriff. Nur sein Parfüm ist gleich geblieben und das verleiht ihm etwas Sicherheit, schließlich hat auch der Spätherbst noch warme Tage. Gleich kommt die Pflegeschwester, es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er nicht zumindest ein liebvolles Lächeln erhaschen könnte.

Erst wenn wirklich Schluss ist, ist Ende im Gelände! Danke und ein erfülltes Jahr 2023 für alle Leser!
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