Knize Ten 1925 Toilet Water

Profumo
21.03.2010 - 11:21 Uhr
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Top Rezension
10
Haltbarkeit
10
Duft

Der Gentleman tanzt Walzer!

Es wird oft behauptet bei Knize Ten handle es sich um den ersten und somit ältesten Lederduft – das stimmt nicht ganz. Tabac Blond von Caron, dass Vincent Roubert sicher kannte und vermutlich auch in der Nase hatte als er Knize Ten komponierte, ist einige Jahre älter, desgleichen diverse Cuir de Russie und Peau d´Espagne bzw. Spanish Leather – Düfte, die sich um die Jahrhundertwende großer Beliebtheit erfreuten. Die Jahreszahl 1781 die Creed für sein Royal Englisch Leather angibt kann man allerdings getrost als Marketing-Gag verbuchen – ein Teil der Inhaltsstoffe, vor allem jene die das Lederaroma kreieren, waren damals noch gar nicht bekannt.

Das Jahr 1924 ist aber auch schon eine Weile her, sodass der Anspruch einer der ältesten Lederdüfte zu sein durchaus zutrifft. Der schon genannte Vincent Roubert, der häufig mit François Coty zusammen arbeitete, entwickelte diesen Duft für einen Wiener Schneider und Herrenausstatter dessen Ladengeschäft am Wiener Graben von keinem geringeren als Adolf Loos entworfen wurde, und das noch heute von vielen Architekturbegeisterten aufgesucht wird. Der Duft wurde zusammen mit der ersten ‚prêt-a-porter’- Kollektion des Schneiders angeboten – ein Novum in der Parfumgeschichte und nur vergleichbar mit Coco Chanel die ihren Kreationen ebenso erlesene Düfte zur Seite stellte. Auch der Name des Duftes ‚Ten’ mag eine Reminiszenz an Chanels immens erfolgreichen Duft ‚No 5’ sein. Da zu jener Zeit die meisten Herrendüfte aber aus Großbritannien kamen und der ‚Gentleman’ als Synonym für gepflegte, stilvolle Männlichkeit galt, entschied man sich am Wiener Graben eher an diese Tradition anzuknüpfen als den französischen Ursprung zu betonen. Man nannte den Duft fortan: ‚Knize Ten, The Gentleman´s Toilet Water’. Im Gegensatz zu den eher spröden meist auf Lavendel und Pinie basierenden britischen Wässerchen war, bzw. ist Knize Ten aber viel üppiger, schwelgerischer, nicht so sehr 'stiff-upper-lip' : ein Gentleman beim schwungvollen Wiener Walzer!

Und wirklich: der Duft spiegelt gekonnt die Aura eines gepflegten, stilvoll gekleideten, distinguierten und selbstbewussten Mannes aus einer Zeit wieder als das Tragen eines Anzuges noch eine Selbstverständlichkeit war, die Schuhe noch vom Schuhmacher stammten, der Friseur hauptsächlich von Herren zur Rasur aufgesucht wurde, die Hutmacher noch alle Hände voll zu tun hatten, da jeder, aber auch wirklich jeder Mann einen Hut trug, wie er ebenso ein Paar Lederhandschuhe besaß und vor allem: Walzer tanzen konnte, links wie rechts herum!
Zu diesem, heute vielleicht ein wenig altmodisch anmutendem Bild eines Mannes – Gentleman, nicht Dandy! - passt kaum ein Duft besser als Knize Ten.
Ein gewisses Dress-up ist heute sicher immer noch vonnöten, um diesen Duft tragen zu können. Mit ausgewaschener Jeans und Schlabber-T-Shirt verträgt er sich nicht sonderlich und auch mit der Jugend hat er es nicht ganz so. An reiferen, nicht zwangsweise älteren Herren aber kann er sich sehr vorteilhaft entwickeln!
Zum Auftakt ein dezidiert maskuliner Akkord von frisch gewachstem und poliertem Leder im Zusammenspiel mit Bergamotte, Zitrus und dem etwas medizinischem Aroma von Rosmarin, gefolgt von einem kurzem Schwenk ins klassisch feminine Repertoire mit Iris, Rose und Nelke, ruhend auf einer pudrig-animalischen Basis von Amber und Moschus – ganz große Oper! Dabei ist der Duft nicht so nahtlos durchkomponiert wie das ebenso üppige Tabac Blond, das insgesamt runder, weicher, fließender ist. Knize Ten ist ein wenig rauer und ruppiger, hat so manche ungeschliffene Kante – das passt aber gut zur maskulineren Aura des Duftes. Eine Frau wie Marlene Dietrich – eine Kundin von Knize – wäre, Anzug und Zylinder tragend, mit einem solchen Duft vorstellbar. Ansonsten ist Knize Ten wirklich ein Duft, der den Herren vorbehalten ist.

Ende der 80er Jahre hat Edouard Fléchier für Etro ‚Gomma’ (= Gummi) komponiert, eine Reminiszenz an Knize Ten – etwas weniger maskulin im Auftritt, mit weicheren Linien und reduziertem Gewicht, eine Art ‚Knize Ten light’. Ich kann Gomma allen empfehlen denen Knize Ten zuviel ist, zu harsch, zu kräftig, zu laut. Gomma ist leiser, fast schüchtern, verfliegt jedoch fast in Windeseile - im Gegensatz zum recht langlebigen Knize Ten.

Ich bevorzuge definitiv das Original.
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