08.11.2017 - 16:00 Uhr
Siebenkäs
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Siebenkäs
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27
Ein seltsam Ding.
Der fatale neue Bratenrock hatte ihr wohl nicht gefallen,
obwohl er doch so elegant darin vor ihr auf- und ab
stolziert war.
Sonst hätte sie ihn wohl nicht so schroff zurückgewiesen
und angeblitzt, als er versuchte hatte, sie nur ein ganz klein
wenig zu herzen.
Dabei gab es doch in ganz Wien kein hübscheres, possierlicheres
Fräulein als das Freifräulein von Hallmackenreuther.
So viel stand für ihn felsenfest.
Während er noch verzweifelt brütete, was wohl in Zukunft
zu tun sei, um ihre Gunst doch noch zu gewinnen,
sah er mit einem Male, dass das, was er die ganze Zeit für
den Schirmständer gehalten hatte, in Wirklichkeit sein Onkel
Nelson G. war, der im geblümten Morgenrock auf der Ofenbank
kauerte. (was das kuriose "G" heißen mochte, fragte er sich lang
nicht mehr, die Obrigkeit würde die andren Lettern wohl kennen.)
Der Onkel hielt ein kleines, eckiges Fläschchen in der Hand,
das er jetzt rasch öffnete, um sich mit der darin enthaltenen
Flüssigkeit behende das Gesicht, den Hals samt Sammetkragen
und die Rockaufschläge recht gründlich zu benetzen.
"Ei, ei, recht hübsch was mein Bruder da zustand gebracht hat",
sprach er, "ein feines Odeurchen..."
Ein zarter Duft erfüllte in der Tat nun das ganze Zimmer.
Seines Onkels Bruder, das wußte von der Wollzeile bis ins Palais
Schattenburg ein jeder, war ein begnadeter Magikus und Parfümör.
Und zwar einer, der weit herum kam in der Welt.
Bis ganz nach Damaskus bisweilen.
Genau von dort hatte er wertvolles Mutterharz mitgebracht,
dessen warm-grünliches, würziges Wesen dem Odeur ein gar
sonderbares, gleichzeitig trauliches und maurisches Mäntelchen
umlegte.
Dann war's mit einem Male als ob sich wie von Zauberhand
das Mäntelchen öffnete und hervorquoll, als käm's von einem
aus den schönsten Blumen geflochtenen Hemdlein, ein allerliebst
trefflicher Dunst, wie von tausend Herzschönchen, Veilchen,
Gräsern, mannigfaltigen Waldkräuterchen, taubenetzt noch
und einer Prinzessin würdig.
Zusammen mit dem galabanischem Hauch konnt's einem davon
recht wunderlich um's Herz werden, als ob Mann oder Frau
zu sein nicht mehr viel gelten sollt'.
Nun war dies aber noch nicht alles.
Das Düftchen war warm und lieblich in einem Moment,
im anderen aber kühl und frisch wie ein Durchzug im Schloss
an einem frühen Aprilmorgen.
Warm und kühl schienen sich liebzuhaben wie Zwillingsschwestern.
Mit süß und herb war's dasselbe Ding, gleich zwei Brüdern, die sich
um keinen Preis missen wollten.
Zugleich schien aber die ganze Welt wie grad dem Badezuber
entstiegen.
Etwas zaubriges hatte es um dieses Parföng, mühelos roch es
nach hellgrünen Grashalmen und dunklem Waldmoos,
nach Kinderblumen und Gottesacker.
War's am End' gar möglich sich mit seiner Hülfe zu erheben
aus allem erdgebundenen Elend in ätherische Höhen
rosenumrankter, morgengeröteter Phantasmagorien?
Und dabei vielleicht das Fräulein von Hallmackenreuther
mitzunehmen?
Je tiefer der Duft in Anselmus' Inneres drang, umso deutlicher
konnte er sich selbst sehen, wie er auf einer Bank unter einem
Rosenstrauche saß, eng umfasste er ein schönes Frauenzimmer,
es musste doch... es war... oder nicht... die Hallmackenreutherin?
Er versuchte es zu erkennen, doch immer wieder verschwamm
ihr trautes Bild, verzerrte sich, wie ihn zu necken und zu foppen.
Als könnt' er Anselmus' Gedanken lesen, sah ihm jetzt der Oheim
tief in die Augen. Er hatte schon immer selber etwas sonderbar
zaubriges an sich gehabt, seinem Bruder nicht unähnlich.
"Schlag' er sich die Nichte des Geheimrats H. lieber aus dem Kopf",
sagte er, "vielleicht trifft er schon eher als er meint die,
die ihm zugedacht ist. Die Schlingen des Schicksals sind nichts,
wovor er sich fürchten muss. Komm er heut' abend in die
Punschgesellschaft!"
Der Onkel schwieg nach seiner Rede nachdenklich und betrachtete
das Fläschchen in seiner Hand.
"Ich könnt's ihm ja überlassen", sagte er leise, "damit er statt
törichter Röcke aus teurem Tuch lieber etwas wirklich Feines trage.
Etwas, das ganz gewiss nie aus der Mod' kommen wird, auch wenn's
mit der ein seltsam Ding ist. Aber es ist noch zu früh für ihn."
Mit diesen Worten steckte der gute Onkel aber das Fläschchen
geschwind in seine Rocktasche.
Sodann hielt er eine kleine pergamentene Rolle in die Höhe,
auf der wohl die geheime Rezeptur niedergeschrieben war.
Er versprach, er bringe sie in Sicherheit, nämlich in das Haus
vom Schneider Valduz im Graben. Dort werde er es auf dem
Speicher sehr gut zu verstecken wissen.
Sprach's, rückte sich den fledermausflügelfarbenen Hut tiefer
ins Gesicht und verschwand geräusch- und spurlos
durch eine verborgene Tapetentür.
Welchen Weg das eigenwillige Rezept wohl noch genommen
hat? Und welchen unser Anselmus? Und ob der gute Onkel
Nelson G. am End recht behalten hat und das Odeurchen
tatsächlich niemals aus der Mode kam, gar bis zum heutigen
Tag nicht?
Wer weiß.
obwohl er doch so elegant darin vor ihr auf- und ab
stolziert war.
Sonst hätte sie ihn wohl nicht so schroff zurückgewiesen
und angeblitzt, als er versuchte hatte, sie nur ein ganz klein
wenig zu herzen.
Dabei gab es doch in ganz Wien kein hübscheres, possierlicheres
Fräulein als das Freifräulein von Hallmackenreuther.
So viel stand für ihn felsenfest.
Während er noch verzweifelt brütete, was wohl in Zukunft
zu tun sei, um ihre Gunst doch noch zu gewinnen,
sah er mit einem Male, dass das, was er die ganze Zeit für
den Schirmständer gehalten hatte, in Wirklichkeit sein Onkel
Nelson G. war, der im geblümten Morgenrock auf der Ofenbank
kauerte. (was das kuriose "G" heißen mochte, fragte er sich lang
nicht mehr, die Obrigkeit würde die andren Lettern wohl kennen.)
Der Onkel hielt ein kleines, eckiges Fläschchen in der Hand,
das er jetzt rasch öffnete, um sich mit der darin enthaltenen
Flüssigkeit behende das Gesicht, den Hals samt Sammetkragen
und die Rockaufschläge recht gründlich zu benetzen.
"Ei, ei, recht hübsch was mein Bruder da zustand gebracht hat",
sprach er, "ein feines Odeurchen..."
Ein zarter Duft erfüllte in der Tat nun das ganze Zimmer.
Seines Onkels Bruder, das wußte von der Wollzeile bis ins Palais
Schattenburg ein jeder, war ein begnadeter Magikus und Parfümör.
Und zwar einer, der weit herum kam in der Welt.
Bis ganz nach Damaskus bisweilen.
Genau von dort hatte er wertvolles Mutterharz mitgebracht,
dessen warm-grünliches, würziges Wesen dem Odeur ein gar
sonderbares, gleichzeitig trauliches und maurisches Mäntelchen
umlegte.
Dann war's mit einem Male als ob sich wie von Zauberhand
das Mäntelchen öffnete und hervorquoll, als käm's von einem
aus den schönsten Blumen geflochtenen Hemdlein, ein allerliebst
trefflicher Dunst, wie von tausend Herzschönchen, Veilchen,
Gräsern, mannigfaltigen Waldkräuterchen, taubenetzt noch
und einer Prinzessin würdig.
Zusammen mit dem galabanischem Hauch konnt's einem davon
recht wunderlich um's Herz werden, als ob Mann oder Frau
zu sein nicht mehr viel gelten sollt'.
Nun war dies aber noch nicht alles.
Das Düftchen war warm und lieblich in einem Moment,
im anderen aber kühl und frisch wie ein Durchzug im Schloss
an einem frühen Aprilmorgen.
Warm und kühl schienen sich liebzuhaben wie Zwillingsschwestern.
Mit süß und herb war's dasselbe Ding, gleich zwei Brüdern, die sich
um keinen Preis missen wollten.
Zugleich schien aber die ganze Welt wie grad dem Badezuber
entstiegen.
Etwas zaubriges hatte es um dieses Parföng, mühelos roch es
nach hellgrünen Grashalmen und dunklem Waldmoos,
nach Kinderblumen und Gottesacker.
War's am End' gar möglich sich mit seiner Hülfe zu erheben
aus allem erdgebundenen Elend in ätherische Höhen
rosenumrankter, morgengeröteter Phantasmagorien?
Und dabei vielleicht das Fräulein von Hallmackenreuther
mitzunehmen?
Je tiefer der Duft in Anselmus' Inneres drang, umso deutlicher
konnte er sich selbst sehen, wie er auf einer Bank unter einem
Rosenstrauche saß, eng umfasste er ein schönes Frauenzimmer,
es musste doch... es war... oder nicht... die Hallmackenreutherin?
Er versuchte es zu erkennen, doch immer wieder verschwamm
ihr trautes Bild, verzerrte sich, wie ihn zu necken und zu foppen.
Als könnt' er Anselmus' Gedanken lesen, sah ihm jetzt der Oheim
tief in die Augen. Er hatte schon immer selber etwas sonderbar
zaubriges an sich gehabt, seinem Bruder nicht unähnlich.
"Schlag' er sich die Nichte des Geheimrats H. lieber aus dem Kopf",
sagte er, "vielleicht trifft er schon eher als er meint die,
die ihm zugedacht ist. Die Schlingen des Schicksals sind nichts,
wovor er sich fürchten muss. Komm er heut' abend in die
Punschgesellschaft!"
Der Onkel schwieg nach seiner Rede nachdenklich und betrachtete
das Fläschchen in seiner Hand.
"Ich könnt's ihm ja überlassen", sagte er leise, "damit er statt
törichter Röcke aus teurem Tuch lieber etwas wirklich Feines trage.
Etwas, das ganz gewiss nie aus der Mod' kommen wird, auch wenn's
mit der ein seltsam Ding ist. Aber es ist noch zu früh für ihn."
Mit diesen Worten steckte der gute Onkel aber das Fläschchen
geschwind in seine Rocktasche.
Sodann hielt er eine kleine pergamentene Rolle in die Höhe,
auf der wohl die geheime Rezeptur niedergeschrieben war.
Er versprach, er bringe sie in Sicherheit, nämlich in das Haus
vom Schneider Valduz im Graben. Dort werde er es auf dem
Speicher sehr gut zu verstecken wissen.
Sprach's, rückte sich den fledermausflügelfarbenen Hut tiefer
ins Gesicht und verschwand geräusch- und spurlos
durch eine verborgene Tapetentür.
Welchen Weg das eigenwillige Rezept wohl noch genommen
hat? Und welchen unser Anselmus? Und ob der gute Onkel
Nelson G. am End recht behalten hat und das Odeurchen
tatsächlich niemals aus der Mode kam, gar bis zum heutigen
Tag nicht?
Wer weiß.
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