13.07.2014 - 13:45 Uhr
Meggi
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26
Marmelade auf Holz-Toast
Im Garten haben wir vor Jahren auf den Beeten immer Holzhäcksel verteilt, um das Unkraut im Zaum zu halten (übrigens nicht zu empfehlen). Das Zeug gab es unter der kuriosen Bezeichnung „Hackschnitzel“ für kaum mehr als eine Schutzgebühr kubikmeterweise als Abfallprodukt eines nahen Torfwerks zu kaufen. Wenn man vor diesem Riesenhaufen stand, stiegen zwei Dinge: Erstens die Tränen in die Augen angesichts der als Müll behandelten Bäume, zweitens ein Holz-Geruch in die Nase von der Art „Frisch gesägt mal tausend“. Einen ähnlichen Eindruck vermittelt Caligna ganz kurz nach dem Start, sobald ein würzig-grün-floraler Auftakt-Eindruck innerhalb weniger Sekunden verflogen ist. Das ist nicht nur holzig, sondern hat eben einen pflanzensaft-frischen Anteil. Eine originelle Idee, mit einer Art Sägewerk-Akkord zu beginnen, der sich zudem nicht aus Holz allein speist (Mukatellersalbei!). Auf Holz (anderes) kommen wir später zurück.
Bezüglich des alsbald hinzutretenden Begleiters musste ich glatt überprüfen, ob L’Artisan tatsächlich in Frankreich sitzt. Die Frage ist berechtigt: Jasmin-Marmelade? Das klingt eher nach einer jener ausgesuchten Konfitüren-Sauereien, zu deren Erschaffung ausschließlich Engländer fähig sind. Zweifellos gibt es Ausgefallenes auch anderer Provenienz, aber die Insulaner schießen doch wohl den Vogel ab. Rosenmarmelade habe ich bereits probiert. Natürlich nicht die Herstellung - ich würde NIE meine Rosen schlachten! Nein, bloß gegessen, mit einigermaßen enttäuschendem Fazit. Und nun gibt es Jasmin-Marmelade zu riechen. Der Unterschied zu „normalem“ Jasim ist gänzlich unverkennbar. Hier riecht es in der Tat wie Marmelade; also sanfter als Jasmin pur. Solch‘ Contenance in einer Marmelade ist verständlich. Auf frisch gepflücktem Rosen-Blütenblatt würde vermutlich ebenfalls keiner herumkauen mögen, geschweige denn auf einer Rosenknospe. Insgesamt kommt mir die Abbildung einer Jasmin-Marmelade sehr gut gelungen vor und die Feige passt prima dazu. Im Anschluss an die kurze Holz-Überraschung scheint mir besagte Marmelade der zentrale Teil der Startphase zu sein.
Aber noch einmal zum Holz. Da kommt nämlich im weiteren Verlauf eine ganz besondere Holznote zum Einsatz. Die Ansage klingt schon durchaus einfallsreich: Eichenholz-Chips, so heißt es präzise seitens LAP. Derlei stelle ich mir spontan bei Familie Holzwurm als Häppchen für einen gemütlichen Abend vor. Inzwischen habe ich zwar gelernt, dass derartige Holz-Stückchen bei der Wein-Erzeugung zum Einsatz kommen, um für einen Bruchteil der Kosten den geschmacklichen Effekt einer Reifung im Barrique, dem traditionellen kleinen Eichenholzfass, nachzuahmen; wirklich schlauer bin ich jedoch dadurch nicht. Baut L’AP seine Düfte normalerweise im Barrique aus und will das billiger hinkriegen? Und warum schreiben die das dann ungefragt hin? Und warum solches ausgerechnet bei einem Wässerchen aus einer hochpreisigen Linie des Hauses? Und warum überhaupt eine Zutat für die Weinherstellung? Letzteres lässt sich zumindest theoretisch klären, denn Frau Baghriche-Arnaud hatte auf diese Weise große Chips-Auswahl: Die Dinger gibt es in den lustigsten Varianten von „Französisch light toast“ über „Amerikanisch heavy toast“ bis „Hoch getoastete Eichenholz-Chips aus deutscher Eiche“. So klingt es auch hinreichend extravagant und eines Aushängeschildes des Hauses würdig! Ich bin außerdem der Meinung, dass Familie Holzwurm ihren Snack mit dem einen oder anderen Stückchen Süßholz aufgepeppt hat.
Nach drei Stunden beginnt der schönste Teil des Duftes: Eine luftig-florale Anmutung von unaufdringlichem Jasmin, eine Spur Rose einer der strenger, unfruchtiger duftenden Sorten, leicht gesüßt (wir erinnern uns an die Marmelade!), duftig-ätherisch unterlegt von einem Hauch Holz. Damit dürfte geklärt sein: Die Eichenholz-Chips gehören der französisch-leicht getoasteten Sorte an. Ein mild seifiger Unterton, der wahrscheinlich in erster Linie gleichermaßen auf den Jasmin zurückzuführen ist, doch daneben vom Veilchen sowie vom behutsam eingesetzten Harz herb unterstrichen wird, vermittelt einen Eindruck von vornehm-dezenter, außerordentlich spezieller Frische.
Langsam wird das Holz stärker, beinahe will Caligna zu einem Holz-Duft werden, entscheidet sich dann aber für ein Pas de deux aus holzigen und floralen Noten. Sacht umtänzeln sich die beiden vor meiner Nase. Im Laufe der sechsten Stunde schließlich verweben sie sich vollends.
Gegen Ende ist die Rolle von Ambrox unüberriechbar. Das schätze ich nicht besonders und mache um entsprechend dominierte Düfte gemeinhin gern einen Bogen. Schade, da hätte Caligna einen nobleren Abschied verdient. Immerhin dauert es rund acht Stunden, bis es soweit ist, deshalb wollen wir verzeihen. Ist ja noch ein bisschen was anderes da, Nadelbaum, sogar ein Rest Marmelade, mittlerweile leicht angetrocknet…
Caligna heißt übrigens angeblich ‚Flirten‘ im provenzalischen Dialekt. Gemeint scheint ein Flirt mit der Natur in der ländlichen Umgebung von Grasse. Da ich leider nie dort war, kann ich nicht beurteilen, inwieweit das treffend umgesetzt wurde. Und was die Holzwürmer in jener Gegend womöglich nach Feierabend verzehren. Gelungen finde ich Caligna jedoch allemal.
Fazit: Ein feiner, sowohl im Hinblick auf Ort wie Geschlecht universell einsetzbarer, origineller Duft für die nicht allzu kalten Tage.
Bezüglich des alsbald hinzutretenden Begleiters musste ich glatt überprüfen, ob L’Artisan tatsächlich in Frankreich sitzt. Die Frage ist berechtigt: Jasmin-Marmelade? Das klingt eher nach einer jener ausgesuchten Konfitüren-Sauereien, zu deren Erschaffung ausschließlich Engländer fähig sind. Zweifellos gibt es Ausgefallenes auch anderer Provenienz, aber die Insulaner schießen doch wohl den Vogel ab. Rosenmarmelade habe ich bereits probiert. Natürlich nicht die Herstellung - ich würde NIE meine Rosen schlachten! Nein, bloß gegessen, mit einigermaßen enttäuschendem Fazit. Und nun gibt es Jasmin-Marmelade zu riechen. Der Unterschied zu „normalem“ Jasim ist gänzlich unverkennbar. Hier riecht es in der Tat wie Marmelade; also sanfter als Jasmin pur. Solch‘ Contenance in einer Marmelade ist verständlich. Auf frisch gepflücktem Rosen-Blütenblatt würde vermutlich ebenfalls keiner herumkauen mögen, geschweige denn auf einer Rosenknospe. Insgesamt kommt mir die Abbildung einer Jasmin-Marmelade sehr gut gelungen vor und die Feige passt prima dazu. Im Anschluss an die kurze Holz-Überraschung scheint mir besagte Marmelade der zentrale Teil der Startphase zu sein.
Aber noch einmal zum Holz. Da kommt nämlich im weiteren Verlauf eine ganz besondere Holznote zum Einsatz. Die Ansage klingt schon durchaus einfallsreich: Eichenholz-Chips, so heißt es präzise seitens LAP. Derlei stelle ich mir spontan bei Familie Holzwurm als Häppchen für einen gemütlichen Abend vor. Inzwischen habe ich zwar gelernt, dass derartige Holz-Stückchen bei der Wein-Erzeugung zum Einsatz kommen, um für einen Bruchteil der Kosten den geschmacklichen Effekt einer Reifung im Barrique, dem traditionellen kleinen Eichenholzfass, nachzuahmen; wirklich schlauer bin ich jedoch dadurch nicht. Baut L’AP seine Düfte normalerweise im Barrique aus und will das billiger hinkriegen? Und warum schreiben die das dann ungefragt hin? Und warum solches ausgerechnet bei einem Wässerchen aus einer hochpreisigen Linie des Hauses? Und warum überhaupt eine Zutat für die Weinherstellung? Letzteres lässt sich zumindest theoretisch klären, denn Frau Baghriche-Arnaud hatte auf diese Weise große Chips-Auswahl: Die Dinger gibt es in den lustigsten Varianten von „Französisch light toast“ über „Amerikanisch heavy toast“ bis „Hoch getoastete Eichenholz-Chips aus deutscher Eiche“. So klingt es auch hinreichend extravagant und eines Aushängeschildes des Hauses würdig! Ich bin außerdem der Meinung, dass Familie Holzwurm ihren Snack mit dem einen oder anderen Stückchen Süßholz aufgepeppt hat.
Nach drei Stunden beginnt der schönste Teil des Duftes: Eine luftig-florale Anmutung von unaufdringlichem Jasmin, eine Spur Rose einer der strenger, unfruchtiger duftenden Sorten, leicht gesüßt (wir erinnern uns an die Marmelade!), duftig-ätherisch unterlegt von einem Hauch Holz. Damit dürfte geklärt sein: Die Eichenholz-Chips gehören der französisch-leicht getoasteten Sorte an. Ein mild seifiger Unterton, der wahrscheinlich in erster Linie gleichermaßen auf den Jasmin zurückzuführen ist, doch daneben vom Veilchen sowie vom behutsam eingesetzten Harz herb unterstrichen wird, vermittelt einen Eindruck von vornehm-dezenter, außerordentlich spezieller Frische.
Langsam wird das Holz stärker, beinahe will Caligna zu einem Holz-Duft werden, entscheidet sich dann aber für ein Pas de deux aus holzigen und floralen Noten. Sacht umtänzeln sich die beiden vor meiner Nase. Im Laufe der sechsten Stunde schließlich verweben sie sich vollends.
Gegen Ende ist die Rolle von Ambrox unüberriechbar. Das schätze ich nicht besonders und mache um entsprechend dominierte Düfte gemeinhin gern einen Bogen. Schade, da hätte Caligna einen nobleren Abschied verdient. Immerhin dauert es rund acht Stunden, bis es soweit ist, deshalb wollen wir verzeihen. Ist ja noch ein bisschen was anderes da, Nadelbaum, sogar ein Rest Marmelade, mittlerweile leicht angetrocknet…
Caligna heißt übrigens angeblich ‚Flirten‘ im provenzalischen Dialekt. Gemeint scheint ein Flirt mit der Natur in der ländlichen Umgebung von Grasse. Da ich leider nie dort war, kann ich nicht beurteilen, inwieweit das treffend umgesetzt wurde. Und was die Holzwürmer in jener Gegend womöglich nach Feierabend verzehren. Gelungen finde ich Caligna jedoch allemal.
Fazit: Ein feiner, sowohl im Hinblick auf Ort wie Geschlecht universell einsetzbarer, origineller Duft für die nicht allzu kalten Tage.
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