10.10.2018 - 16:50 Uhr
FvSpee
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Odorato löst das Farbenrätsel
Madonna Mia! Wie konnte das ihm als erfahrenem Ermittler passieren! Beim ersten Sprühstoß war er so überrascht, ja konsterniert gewesen, dass ihm die Gesichtszüge entgleisten. Früchte! Äpfel und Orangen! Und er hatte Kräuter erwartet, Rosmarin, Basilikum, irgendetwas! Weil er den Test oberflächlich vorbereitet hatte, unsauber und vorschnell im Denken und Schlussfolgern gewesen war. Odorato war wütend auf sich.
Der Name der Marke „Erbolario“; kein echtes italienisches Wort, aber doch ein Kunstwort, das den Hörer, gerade einen Italiener wie Odorato, an Kräuter denken ließ: „erbe“, die Kräuter, „erbario“, das Herbarium, „erborista“, der Kräutersammler. Aber natürlich hätte er sich denken können (ja müssen!), dass eine Firma, auch wenn sie Kräuter im Namen führt, nicht nur Kräuterdüfte anbietet. Ein Polizeischüler hätte das wissen müssen! Und dann der Flakon, dieses dunkle Grün, das die Gedanken kalibriert, die Sinne justiert, eine Erwartungshaltung schafft: Da muss etwas Grünes kommen. Das war natürlich keine Entschuldigung. Ein Kriminalist musste den Dingen auf den Grund sehen. Er durfte sich nicht von solchen luftigen, trügerischen Anzeichen in die Irre führen lassen.
Na gut, grün war der erste Dufteindruck auch, nachdem sich der diffus herb-alkoholische Nebel der ersten fünf Sekunden gelegt hatte. Grüner Apfel. Mit Orangensaft. Odorato mochte keine grünen Äpfel. Und Orangensaft nur zum Trinken.
Also mussten jetzt alle Erwartungen über Bord geworfen und der weitere Verlauf des Duftes unbestechlich observiert werden. Odorato war geduldiges Observieren gewohnt. Die ersten zwei Stunden ging alles durcheinander, kein klarer Eindruck stellte sich ein. Das Fruchtige blieb zweifellos im Spiel, füllig und etwas unspezifisch, wurde aber mit der Zeit schwächer; cremige und pudrige Eindrücke gesellten sich hinzu (cremig-pudrige Frische, geht das denn – nicht nachdenken, weiter observieren); ab und an meinte Odorato sogar wahrzunehmen, dass so etwas wie eine helle minzige Frische aufschien. Irgendwann traten ozonische, hellblaue, ja fast türkise prickelnde Frischenoten in Erscheinung, die Odorato im Verdacht hatte, ganz gewiss nicht „rein pflanzlicher Herkunft“ zu sein.
Überhaupt, er hatte es geahnt! Las man die Internetseite der Firma aufmerksam, mit Röntgenblick und klarem Geist (und nicht wie der verkalkte, sich vom ersten Schein blenden lassende Pseudo-Ermittler, zu dem er sich zu entwickeln schien), dann war zwar ein (geradzu schon verdächtiges!) Übermaß an Natur-Lyrik zu registrieren, seitenweises Bramarbasieren von „in der Tradition der Kräuterkosmetik“ und „Respekt vor der Natur“ und „nachhaltigen Kontrollen“, aber versuchte man die schönen, einlullenden Sätze zu greifen, sie juristisch erbarmungslos festzunageln, wie es der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter tun würden, dann zerriselten sie wie Sand vom Adriastrand. Sie bedeuteten letztlich nichts. Odorato war sich sicher, dass diese Kräutolarios genauso viel Chemie in ihre Flaschen kippten wie jede andere Duftbude.
Diese Gedanken hatten sich in Odoratos Geist breitgemacht, aber es war ihm trotzdem gelungen, sich weiter auf die Observation des Duftverlaufs zu fokussieren. Und da, tatsächlich, nach etwa zwei Stunden schien der Duft aufzuhören zu oszillieren und hatte endlich Stabilität erlangt. Oder war nur Odoratos Geist endlich stabil geworden? Frescaessenza präsentierte sich nun schlagartig mit einem klaren, erkennbaren Charakter. Weißer Moschus, helle, saubere Frische. Das also war des Pudels Kern (Odorato kannte neben seinem Orlando Furioso auch den Faust).
Die nervtötenden grünen Äpfel hatten sich inzwischen zu einem ganz kleinen (gar nicht mehr unangenehmen!) frischen Prickelpunkt im Hintergrund verengt. Das am Anfang recht lustige Ozonische hingegen hatte sich leider ins matt-weichspülerhafte gedreht und damit seine synthetische Anmutung verstärkt.
Odorato war nun alles klar! Der Blick auf die Duftpyramide von „Frescaessenza“ war nur noch eine Förmlichkeit. Der Fall war längst gelöst. Denn als sich plötzlich diese weiße, sanftsaubere Moschusnote nach vorne geschoben und dem Duft eine klare Kontur verliehen hatte, noch in dieser Sekunde erinnerte Odorato sich an die dreiteilige kriminalistische Studie dieses verschrobenen Deutschen über die drei weißen Sauberdüfte, Blanche von Byredo, Linge Blanc von Amelie et Melanie / Lothanique und Chemise Blanche von LM, die er seinerzeit aufmerksam in der Fachzeitschrift "Parfumo" studiert hatte, und wie sie alle drei nach demselben Muster funktionierten: frisch-spritzige Kopfnote, weiße Blüten im Herz und weißer Moschus in der Basis.
Und genauso war es hier auch wieder. Das Muster war erkannt! Zitrik oben (und Odorato wollte noch immer schwören, dass irgendwoher auch grüner Apfel kam), weißer Flieder und anderes helles florales Gedöns in der Mitte und weißer Moschus (und alle möglichen Hölzer, die er ebenso wenig heraus spürte wie Signorina Pluto, aber auch er litt anscheinend unter dieser Holzunempfindlichkeit) unten.
Ein weißer Sauberduft, eine Bianchessenza, grün getarnt! (Aber nicht mit ihm, nicht mit Odorato, er war eben doch noch nicht völlig eingerostet). Mit Frucht und Ozonik drumherum, das war zuzugeben. Und wenn man lange genug auf den dunkelgrünen Flakom schaute, mochte man auch eine irgendwie grasige, kräuterige oder anderweit dunkelgrüne Ahnung nicht rundheraus abstreiten wollen - Odorato wurde, nachdem er den Fall gelöst hatte, plötzlich von Großzügigkeit gepackt.
Die Observation war beendet, doch nach fünf Stunden waren die olfaktorischen Spuren noch immer wahrzunehmen. Gefiel ihm das? Schlecht war es nicht. Aber etwas enttäuschend. Er würde die Observation noch einmal außerdienstlich wiederholen. Vielleicht würde ihm der Duft dann besser gefallen, wenn er ihn nicht vor dem Hintergrund seiner irrigen Erwartungen und seines Ärgers über sich selbst beobachten würde.
Mille Grazie an Puderduft18!
Der Name der Marke „Erbolario“; kein echtes italienisches Wort, aber doch ein Kunstwort, das den Hörer, gerade einen Italiener wie Odorato, an Kräuter denken ließ: „erbe“, die Kräuter, „erbario“, das Herbarium, „erborista“, der Kräutersammler. Aber natürlich hätte er sich denken können (ja müssen!), dass eine Firma, auch wenn sie Kräuter im Namen führt, nicht nur Kräuterdüfte anbietet. Ein Polizeischüler hätte das wissen müssen! Und dann der Flakon, dieses dunkle Grün, das die Gedanken kalibriert, die Sinne justiert, eine Erwartungshaltung schafft: Da muss etwas Grünes kommen. Das war natürlich keine Entschuldigung. Ein Kriminalist musste den Dingen auf den Grund sehen. Er durfte sich nicht von solchen luftigen, trügerischen Anzeichen in die Irre führen lassen.
Na gut, grün war der erste Dufteindruck auch, nachdem sich der diffus herb-alkoholische Nebel der ersten fünf Sekunden gelegt hatte. Grüner Apfel. Mit Orangensaft. Odorato mochte keine grünen Äpfel. Und Orangensaft nur zum Trinken.
Also mussten jetzt alle Erwartungen über Bord geworfen und der weitere Verlauf des Duftes unbestechlich observiert werden. Odorato war geduldiges Observieren gewohnt. Die ersten zwei Stunden ging alles durcheinander, kein klarer Eindruck stellte sich ein. Das Fruchtige blieb zweifellos im Spiel, füllig und etwas unspezifisch, wurde aber mit der Zeit schwächer; cremige und pudrige Eindrücke gesellten sich hinzu (cremig-pudrige Frische, geht das denn – nicht nachdenken, weiter observieren); ab und an meinte Odorato sogar wahrzunehmen, dass so etwas wie eine helle minzige Frische aufschien. Irgendwann traten ozonische, hellblaue, ja fast türkise prickelnde Frischenoten in Erscheinung, die Odorato im Verdacht hatte, ganz gewiss nicht „rein pflanzlicher Herkunft“ zu sein.
Überhaupt, er hatte es geahnt! Las man die Internetseite der Firma aufmerksam, mit Röntgenblick und klarem Geist (und nicht wie der verkalkte, sich vom ersten Schein blenden lassende Pseudo-Ermittler, zu dem er sich zu entwickeln schien), dann war zwar ein (geradzu schon verdächtiges!) Übermaß an Natur-Lyrik zu registrieren, seitenweises Bramarbasieren von „in der Tradition der Kräuterkosmetik“ und „Respekt vor der Natur“ und „nachhaltigen Kontrollen“, aber versuchte man die schönen, einlullenden Sätze zu greifen, sie juristisch erbarmungslos festzunageln, wie es der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter tun würden, dann zerriselten sie wie Sand vom Adriastrand. Sie bedeuteten letztlich nichts. Odorato war sich sicher, dass diese Kräutolarios genauso viel Chemie in ihre Flaschen kippten wie jede andere Duftbude.
Diese Gedanken hatten sich in Odoratos Geist breitgemacht, aber es war ihm trotzdem gelungen, sich weiter auf die Observation des Duftverlaufs zu fokussieren. Und da, tatsächlich, nach etwa zwei Stunden schien der Duft aufzuhören zu oszillieren und hatte endlich Stabilität erlangt. Oder war nur Odoratos Geist endlich stabil geworden? Frescaessenza präsentierte sich nun schlagartig mit einem klaren, erkennbaren Charakter. Weißer Moschus, helle, saubere Frische. Das also war des Pudels Kern (Odorato kannte neben seinem Orlando Furioso auch den Faust).
Die nervtötenden grünen Äpfel hatten sich inzwischen zu einem ganz kleinen (gar nicht mehr unangenehmen!) frischen Prickelpunkt im Hintergrund verengt. Das am Anfang recht lustige Ozonische hingegen hatte sich leider ins matt-weichspülerhafte gedreht und damit seine synthetische Anmutung verstärkt.
Odorato war nun alles klar! Der Blick auf die Duftpyramide von „Frescaessenza“ war nur noch eine Förmlichkeit. Der Fall war längst gelöst. Denn als sich plötzlich diese weiße, sanftsaubere Moschusnote nach vorne geschoben und dem Duft eine klare Kontur verliehen hatte, noch in dieser Sekunde erinnerte Odorato sich an die dreiteilige kriminalistische Studie dieses verschrobenen Deutschen über die drei weißen Sauberdüfte, Blanche von Byredo, Linge Blanc von Amelie et Melanie / Lothanique und Chemise Blanche von LM, die er seinerzeit aufmerksam in der Fachzeitschrift "Parfumo" studiert hatte, und wie sie alle drei nach demselben Muster funktionierten: frisch-spritzige Kopfnote, weiße Blüten im Herz und weißer Moschus in der Basis.
Und genauso war es hier auch wieder. Das Muster war erkannt! Zitrik oben (und Odorato wollte noch immer schwören, dass irgendwoher auch grüner Apfel kam), weißer Flieder und anderes helles florales Gedöns in der Mitte und weißer Moschus (und alle möglichen Hölzer, die er ebenso wenig heraus spürte wie Signorina Pluto, aber auch er litt anscheinend unter dieser Holzunempfindlichkeit) unten.
Ein weißer Sauberduft, eine Bianchessenza, grün getarnt! (Aber nicht mit ihm, nicht mit Odorato, er war eben doch noch nicht völlig eingerostet). Mit Frucht und Ozonik drumherum, das war zuzugeben. Und wenn man lange genug auf den dunkelgrünen Flakom schaute, mochte man auch eine irgendwie grasige, kräuterige oder anderweit dunkelgrüne Ahnung nicht rundheraus abstreiten wollen - Odorato wurde, nachdem er den Fall gelöst hatte, plötzlich von Großzügigkeit gepackt.
Die Observation war beendet, doch nach fünf Stunden waren die olfaktorischen Spuren noch immer wahrzunehmen. Gefiel ihm das? Schlecht war es nicht. Aber etwas enttäuschend. Er würde die Observation noch einmal außerdienstlich wiederholen. Vielleicht würde ihm der Duft dann besser gefallen, wenn er ihn nicht vor dem Hintergrund seiner irrigen Erwartungen und seines Ärgers über sich selbst beobachten würde.
Mille Grazie an Puderduft18!
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