Epices

Strehliwood
15.12.2016 - 18:04 Uhr
16
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft

Beständigkeit ist der Weg zur Tradition

Überhastete Entscheidungen und permanenter Veränderungswillen liegen ebensowenig in meiner Persönlichkeit, wie bspw. der Wunsch immer das neuste Auto zu besitzen. Stattdessen betrachte ich zuweilen mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Verwunderung, meinen 22 Jahre alten Wagen lenkend, das hektische Treiben um mich herum. Gutes gilt es zu bewahren - und manchmal neu zu entdecken…Vergangenheit fasziniert mich :).
So interessieren mich beispielsweise Düfte und ihre die Zeit überdauernden Geheimnisse, egal ob nun reformuliert oder nicht - ich möchte ihre Bekanntschaft machen.

Wir schreiben das Jahr 1931, die Zeit der Weltwirtschaftskrise. Das Elektronenmikroskop und das erste „Wohnauto“ (Wohnmobil) werden vorgestellt – und der kleine Michail Gorbatschow erblickt das Licht der Welt. Ich versuche für mich, die Düfte in ihrem zeitlichen Kontext zu sehen - diesmal den „Epices“ aus dem Haus L.T. Piver (seit 1774).

Ich darf vorwegnehmen, dass die hier angegebene Duftpyramide nicht vollständig ist. Der „Epices“ ist zweifellos komplex (Yagatan spricht von einem Gewürzcocktail), jedoch drängelt sich über den gesamten Verlauf keiner der Ingredienzien nach vorn - vielmehr harmonieren alle Mitstreiter so prächtig miteinander, wie die Musiker in einem großen Orchester. Dabei sind die Bestandteile so fein miteinander verwoben, dass sie gemeinsam einen wunderbar austarierten Duft ergeben. Das einsetzende Gähnen unmittelbar nach dem Auftragen, wenn zitrische Noten noch die Oberhand behalten, weicht bei mir einer im weiteren Verlauf zunehmenden Interessiertheit…JA! - Hier gibt es etwas zu entdecken! Ich mache die Bekanntschaft mit Zeder, die sich rechtzeitig vor der oft nervenden Ver-Bleistift-ung zurücknimmt. Ihre Ambitionen weiß der Taktstock aus Sandelholz mit einem gepfefferten Hauch Zimt und Piment zu unterbinden. Das Zusammenzucken einiger Leser beim Wort Zimt ist dabei ebenso unbegründet wie das Augenverdrehen der Pfeffer- oder Piment&Nelkenhasser – alles ist in Maßen vorhanden. Nach einigen Stunden übernimmt der Vetiver einen stärkeren Part und beschert meiner Nase eine sanfte Erdung. Gleichzeitig liefert er sich ein Duett mit hellem Moschus und zaubert, vermutlich mit Amber, eine wunderbar einlullenden Wärme. Im späteren Duftverlauf habe ich ab und an eine Assoziation zu "Silver Musk".
Ein wirklich spannender und freundlicher Duft, kein Sillagemonster, in dieser Kategorie für mich eine solide 7,5. Umwerfend ist beim „Epices“ die Haltbarkeit. Nach 10h zwar hautnäher, aber beim rumfuchteln, auf dem Handrücken noch immer deutlich wahrnehmbar.
Obwohl ich noch nicht auf eine vierstellige Testreihe zurückblicken kann, habe ich einen ähnlichen Duft noch nicht gerochen. Er könnte vielleicht ein weitläufiger Verwandter vom „Obsession for Men“ sein, wobei ein direkter Vergleich so nicht statthaft ist. Die eher männliche Orientierung der Symbolik trägt der „Epices“ für mich zu Recht.
Verglichen mit Yagatans Foto hat sich der Flakon kaum verändert, lediglich der Verschluss ist etwas filigraner geraten und das Schiff mit den gesetzten Segeln ist einer liebevollen Schlichtheit gewichen. Für mich ist er schon wegen seiner fehlenden Affektiertheit ein Sympathieträger. Die Haptik und Funktion der Sprüheinheit sind ohne jeden Fehl und Tadel.
Danke L.T. Piver für die Zeitreise und das Erlebnis „Epices“ – meine Testempfehlung!
5 Antworten