Encre Noire pour Elle 2009

Farbenduft
12.04.2021 - 17:54 Uhr
11
Hilfreiche Rezension
9
Preis
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Was Frauen schreiben

Mein Schatz benutzte Encre Noir Extreme. Ein gewichtiger, düsterer, ernster Duft. Die Aura einer uralten Bibliothek mit ihren geschwärzten Holzregalen, voll dicker Buchbände groß wie Truhen, getränkt mit dem zu Tinte geronnen Wissen unsterblicher Gelehrter. Was für ein Duft, der einen fast ehrfürchtig macht! Ich fand ihn großartig. Und als ich entdeckte, daß es diesen Duft auch „Pour Elle“ gibt, mußte ich den haben.

Äußerlich einträchtig stehen der Männer- und der Frauen-Flacon auf dem Regal: geometrisch schlicht geformt, beide schwarz wie zwei Tintengläser. Aber olfaktorisch schreiben sie völlig unterschiedliche Geschichten. Ich erwartete eine weichere, blumigere Version des holzigen Männerduftes. Aber der Parfumeur hat "Elle" etwas Eigenständiges gegönnt: nicht mehr und nicht weniger als eine Interpretation dessen, was Frauen schreiben.

Encre Noir pour Elle - das Tintenglas ziert eine luftig geschwungene Handschrift. Und so schwarz der Flacon auch ist - der Duft ist es nicht. Behutsam entführt er mich in ein sonniges freundliches Gemach irgendwo auf dem Land, irgendwo im Zeitlosen... Eine Kommode mit frisch von der Leine genommener Wäsche, Tapeten mit freundlichen Blumenmustern, die den Raum leicht zu parfümieren scheinen. Durch das offene Fenster weht aus dem mittagswarmen Garten der zarte Hauch von Rosen herein, fern davon, schwülstig zu sein. Es ist still bis auf das Rauschen der Gräser im Wind. Und da ist sie, eine sanfte, verhaltene Frau an ihrem zierlichen Schreibtisch. Nachsinnend geht ihr Blick durch das Fenster ins Weite, den Duft der Rosen beiläufig genießend. Soeben öffnet sie die kleine Schublade und entnimmt ein kleines Bündel Briefe. Ein leichter Duft wie von Papyrus kommt ihr entgegen, als sie das fast transparente Papier aus dem knisternden Kuvert zieht und entfaltet. Nachdenklich liest sie die kostbaren Worte ein weiteres Mal, läßt sie auf ihr Gemüt wirken, spürt die Verbindung in den Zeilen. Gedanken steigen auf. Langsam formen sich in ihr Worte, süß und vertraut, während sie ohne Eile, einen Bogen Papier bereit legt und langsam das Tintenglas öffnet. Heute ist sie in der Stimmung angekommen, ihr Herz zu öffnen. Die Erinnerung schweift zu den sommerlichen Tage, von denen sie dem Freund, der Freundin, berichten wird, von ihren Gefühlen wird sie erzählen, von dem was sie bewegt ohne sich aufzudrängen. Sie greift zur Feder. Nun nimmt sie nur noch den Duft des Papiers wahr, trocken und hell. Sie taucht die Feder in die Tinte und beginnt zu schreiben.

Was würden Frauen mit schwarzer Tinte schreiben? Die Antwort von Encre Noir: Briefe an einen Herzensmenschen, vertrauliche Mitteilungen, vielleicht fein parfümiert, schlicht, poetisch und sehr persönlich.
Für mich ist ein gelungener, dezenter Rosen-Papier-Duft, den ich gern getragen habe.. und nun leider wohl auch verabschieden muß.
4 Antworten