Laura 1994 Eau de Parfum

loewenherz
21.05.2023 - 10:21 Uhr
31
Top Rezension
6
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
6.5
Duft

Mit ihm in Rom das Jahr

Als ihr die verblasste Kopfnote des Fingerbreits Parfum aus der schmalen Phiole mit dem blaugoldenen Deckel zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert wieder in die Nase steigt - beim längst überfälligen Aufräumen des Toilettenschränkchens an einem Sonntagnachmittag im Mai - ist plötzlich und ganz unerwartet alles wieder da. Und sie steht reglos mitten in ihrem Badezimmer - die Nase über den Handrücken gebeugt und die Augen zu - während gleich neben ihr die Waschmaschine lärmend Frotteehandtücher schleudert.

Jenes verrückte Jahr damals in Rom. Wassermelone und Johannisbeere. Sein jungenhaftes Lachen und seine Hand auf ihrer Hand. Jasmin und Seerose. Versengte Nächte zwischen zerwühlten Laken, draußen die lärmende Stadt. Rose und Gartennelke. Sein Atem wie ein Gewittersturm auf ihrer Haut. Pfirsich, Pflaume und Aprikose. Abschied auf einem winterlichen Bahnsteig und ein letzter Kuss auf tränenfeuchte Wangen. Vanille, Moschus, Sandelholz. Ein Vierteljahrhundert her. Und die Frage: wäre ER es vielleicht doch gewesen?

Mitte der 90er Jahre war Biagiottis Laura ein populäres - da auf den Marketing-Pfaden von Gassenhauern wie Venezia und Roma wandelndes - Alltagsparfum, das eine Verheißung von Bella Figura und Dolce Vita in deutsche Leben brachte. Ein heiterer und freundlicher Blütenduft mit beigemischten Obstakkorden und aquatischen Anklängen - hübsch, aber so nahbar und gefällig, dass er nur haarscharf an der Grenze zum Banalen und Trivialen entlang navigierte. Einer, der keine(n) störte und der - als Duft - nur kaum etwas zum dran erinnern hatte. Eigentlich.

Düfte verändern sich im Laufe der Zeit - um so mehr, je länger es sie gibt. Dabei verändert sich gar nicht mal der Duft als solcher - das manchmal schon auch, dann aber ganz häufig nicht zum Besseren - sondern vielmehr das, was er für seinen Träger oder seine Trägerin bedeutet. Damals Leichtigkeit und Jugend. Südliche Sehnsucht, ein italienisches Augenzwinkern und ein früher Damenaquate im Gleichschritt mit Cool Water Woman - lange, bevor man solche Parfums so nannte. Heute ganz viel Erinnerung. Verbrannte Nächte. Zärtlichkeit. Bedauern.

Fazit: als sie die Nase endlich hebt und den blaugoldenen Deckel langsam wieder schließt - die Handtücher sind fertig geschleudert, und die Waschmaschine mahnt mit leichtem Piepsen, dass sie ausgeräumt werden möchte - ist sie ein bisschen traurig. Nicht, weil der letzte Fingerbreit Laura doch gekippt ist, und nicht, weil sie ihn wohl nie mehr tragen wird. Und nicht, weil ER vielleicht doch der eine war, mit dem alles anders geworden wäre in ihrem Leben. Sondern weil sie nie mehr herausfinden wird, ob er es gewesen wäre.
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