24.06.2018 - 18:55 Uhr
Fittleworth
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Fittleworth
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32
Unter der Treppe
Unter der Treppe war es sicher.
Dorthin kamen sie nie.
Ob sie von meinem Versteck nichts wußten?
Oder ob es ihnen einfach nur zu mühsam war, mich dort zu suchen?
Ich war klein, ich war sehr schmächtig, um nicht zu sagen: dürr.
Ich konnte problemlos in den finsteren Kabelschacht klettern, der sich unter dem gesamten Gebäude hinzog und dessen Einstieg unter der Kellertreppe lag.
Der Keller war alt, genau wie das gesamte Gebäude aus Backsteinen errichtet, die vielleicht einmal rot gewesen sein mochten, nun aber eine eher schmutzigbraune Färbung aufwiesen, die sie wohl im Laufe vieler Jahre angenommen hatten.
Die unverputzte Kellertreppe wand sich dreimal um sich selbst, bevor sie abrupt endete.
Es war sehr still, dort im Keller, der unterteilt war in Dutzende riesiger Räume, sehr still und sehr dunkel, wenngleich nicht völlig finster. Ziegelstaub tanzte im Licht der Taschenlampe, die zu besitzen mir ebenso wie allen anderen Kindern streng verboten war.
Ebenso war es uns verboten, den Keller zu betreten.
Ich entwickelte und verfeinerte in jahrelanger Übung die Kunst, den ebenso wachsamen wie mißtrauischen Hausmeister zu umgehen und so vermied ich, daß dieser sich petzend an unsere Erzieher wandte.
Ziegelstaub durchzog zu allen Jahreszeiten das alte Gewölbe, knirschte zwischen den Zähnen, war in seiner erdigen Trockenheit beinahe tröstlich.
Ziegelstaub.
Ein Geruch, der mir zum Duft wurde.
Trocken, leicht, immer gleich, erdig, verläßlich, beinahe … ewig.
Es war eine kleine Welt, dort unten, im Keller, unter der Treppe.
Aber für mich war sie damals groß, und wert, erkundet zu werden.
Also entzog ich mich, wann immer ich konnte, so unauffällig wie möglich der Aufsicht durch die Erzieher und der Gesellschaft der Kinderherde und suchte mir einen Weg nach unten.
Der Keller beherbergte auch die Katakomben der gewaltigen, hallenartigen Waschküche, und so mischte sich der herbe, ja beinahe strenge Geruch des allgegenwärtigen Ziegelstaubs mit dem Dunst sauberer, frischgewaschener Wäsche, die in der kalten Jahreszeit auf endlos langen Leinen im Keller trocknete.
Dieser Dunst verwob sich unauflöslich mit dem durchdringenden Aroma der stumpfweißen Seifenblöcke, die neben dem eher chemisch müffelnden Waschpulver zum Einsatz kamen ...
Auch die Heizung für das gesamte, nicht eben kleine Gebäude war in den labyrinthisch angeordneten Räumen dieses Kellers untergebracht.
Eine gewisse Wärme, auch diese sehr trocken und eher mild, umhüllte mich, wann immer ich im trüben Licht der einsamen, nackten Glühbirne die Treppe hinabstieg.
Und diese Wärme, die durch die Ziegelwände des Heizungskellers strahlte, war geprägt von einem … ja, Duft, der schwer zu beschreiben ist, der aber ebenso tröstlich war wie das erdige Aroma des Ziegelstaubs und die seifige Sauberkeit des Wäschedunstes ...
Wenn es in diesem kalten, abweisenden, beängstigenden Haus für ein Kind überhaupt so etwas wie Geborgenheit geben konnte, dann lag sie dort unten, im Dunkel, unter der Treppe.
Nun sind, unerwartet und plötzlich, all diese lang schon verschüttet und vergessen geglaubten Erinnerungen zurückgekehrt.
Zurückgekehrt zu mir, und so kehre auch ich zurück. Weggewischt, ausgelöscht sind all die Jahre, die seitdem wie feiner Sand zwischen meinen Fingern verronnen sind.
Ich kehre zurück.
Kehre zurück in das Backsteinhaus, kehre zurück in den Keller.
Unter die Treppe.
Ausgelöst durch einen Duft, den ich kaufte, ohne ihn vorher zu kennen.
Ich hatte ein zitrisches, frisches Parfum erwartet, und ein erster, sehr kurzer Eindruck schien das zu bestätigen.
LeoCerno Uomo eröffnet jedoch, wenn man sich mehr als nur einen flüchtigen Moment Zeit nimmt, mit einer angenehm trockenen, kaum zitrisch zu nennenden Note, die bei mir unwillkürlich Erinnerungen an den erdigen, tröstlichen, verläßlichen Duft der Backsteine erwachen läßt.
Zitrische Anklänge sind zwar schwach zu erkennen, halten sich jedoch sehr im Hintergrund.
Bestärkt wird meine olfaktorische Erinnerung durch ein feines, sauberes, leicht seifiges Bouquet, das sich präsent, aber ohne Penetranz mit der trockenen Eröffnung verbindet.
Es ist ein dunkler Duft, der jedoch ohne Bedrohlichkeit daherkommt, den ich als beruhigend empfinde und der mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Die leichte, seifige und klare Kühle bleibt, wird allerdings kontrastiert durch eine sanfte Wärme, die allmählich aufsteigt und dem Duft eine Struktur, gleichsam ein Gerüst gibt.
Ich nehme an, daß diese Wärme von einer äußerst dezenten, beinahe filigranen hellen, ja im Grunde transparenten Honignote herrührt, deren Ursprung ich nicht erkennen kann.
Nach und nach verschwimmen die einzelnen, anfangs noch dezidiert wahrnehmbaren Aromen ineinander, so daß ein sehr ausgewogenes Gesamtkunstwerk entsteht, das hervorragend ausbalanciert ist und weder modern noch beliebig wirkt.
Es ist in der Tat ein maskuliner Duft, der sparsam dosiert werden sollte und der sich durch eine geradezu exorbitante Haltbarkeit auszeichnet. Etwas vage Vertrautes schwingt in seiner Projektion, etwas schwer Greifbares ...
Déjà-vu ...
(Ich habe diesen Text meiner Erzählung "Unter der Treppe" entlehnt)
Dorthin kamen sie nie.
Ob sie von meinem Versteck nichts wußten?
Oder ob es ihnen einfach nur zu mühsam war, mich dort zu suchen?
Ich war klein, ich war sehr schmächtig, um nicht zu sagen: dürr.
Ich konnte problemlos in den finsteren Kabelschacht klettern, der sich unter dem gesamten Gebäude hinzog und dessen Einstieg unter der Kellertreppe lag.
Der Keller war alt, genau wie das gesamte Gebäude aus Backsteinen errichtet, die vielleicht einmal rot gewesen sein mochten, nun aber eine eher schmutzigbraune Färbung aufwiesen, die sie wohl im Laufe vieler Jahre angenommen hatten.
Die unverputzte Kellertreppe wand sich dreimal um sich selbst, bevor sie abrupt endete.
Es war sehr still, dort im Keller, der unterteilt war in Dutzende riesiger Räume, sehr still und sehr dunkel, wenngleich nicht völlig finster. Ziegelstaub tanzte im Licht der Taschenlampe, die zu besitzen mir ebenso wie allen anderen Kindern streng verboten war.
Ebenso war es uns verboten, den Keller zu betreten.
Ich entwickelte und verfeinerte in jahrelanger Übung die Kunst, den ebenso wachsamen wie mißtrauischen Hausmeister zu umgehen und so vermied ich, daß dieser sich petzend an unsere Erzieher wandte.
Ziegelstaub durchzog zu allen Jahreszeiten das alte Gewölbe, knirschte zwischen den Zähnen, war in seiner erdigen Trockenheit beinahe tröstlich.
Ziegelstaub.
Ein Geruch, der mir zum Duft wurde.
Trocken, leicht, immer gleich, erdig, verläßlich, beinahe … ewig.
Es war eine kleine Welt, dort unten, im Keller, unter der Treppe.
Aber für mich war sie damals groß, und wert, erkundet zu werden.
Also entzog ich mich, wann immer ich konnte, so unauffällig wie möglich der Aufsicht durch die Erzieher und der Gesellschaft der Kinderherde und suchte mir einen Weg nach unten.
Der Keller beherbergte auch die Katakomben der gewaltigen, hallenartigen Waschküche, und so mischte sich der herbe, ja beinahe strenge Geruch des allgegenwärtigen Ziegelstaubs mit dem Dunst sauberer, frischgewaschener Wäsche, die in der kalten Jahreszeit auf endlos langen Leinen im Keller trocknete.
Dieser Dunst verwob sich unauflöslich mit dem durchdringenden Aroma der stumpfweißen Seifenblöcke, die neben dem eher chemisch müffelnden Waschpulver zum Einsatz kamen ...
Auch die Heizung für das gesamte, nicht eben kleine Gebäude war in den labyrinthisch angeordneten Räumen dieses Kellers untergebracht.
Eine gewisse Wärme, auch diese sehr trocken und eher mild, umhüllte mich, wann immer ich im trüben Licht der einsamen, nackten Glühbirne die Treppe hinabstieg.
Und diese Wärme, die durch die Ziegelwände des Heizungskellers strahlte, war geprägt von einem … ja, Duft, der schwer zu beschreiben ist, der aber ebenso tröstlich war wie das erdige Aroma des Ziegelstaubs und die seifige Sauberkeit des Wäschedunstes ...
Wenn es in diesem kalten, abweisenden, beängstigenden Haus für ein Kind überhaupt so etwas wie Geborgenheit geben konnte, dann lag sie dort unten, im Dunkel, unter der Treppe.
Nun sind, unerwartet und plötzlich, all diese lang schon verschüttet und vergessen geglaubten Erinnerungen zurückgekehrt.
Zurückgekehrt zu mir, und so kehre auch ich zurück. Weggewischt, ausgelöscht sind all die Jahre, die seitdem wie feiner Sand zwischen meinen Fingern verronnen sind.
Ich kehre zurück.
Kehre zurück in das Backsteinhaus, kehre zurück in den Keller.
Unter die Treppe.
Ausgelöst durch einen Duft, den ich kaufte, ohne ihn vorher zu kennen.
Ich hatte ein zitrisches, frisches Parfum erwartet, und ein erster, sehr kurzer Eindruck schien das zu bestätigen.
LeoCerno Uomo eröffnet jedoch, wenn man sich mehr als nur einen flüchtigen Moment Zeit nimmt, mit einer angenehm trockenen, kaum zitrisch zu nennenden Note, die bei mir unwillkürlich Erinnerungen an den erdigen, tröstlichen, verläßlichen Duft der Backsteine erwachen läßt.
Zitrische Anklänge sind zwar schwach zu erkennen, halten sich jedoch sehr im Hintergrund.
Bestärkt wird meine olfaktorische Erinnerung durch ein feines, sauberes, leicht seifiges Bouquet, das sich präsent, aber ohne Penetranz mit der trockenen Eröffnung verbindet.
Es ist ein dunkler Duft, der jedoch ohne Bedrohlichkeit daherkommt, den ich als beruhigend empfinde und der mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Die leichte, seifige und klare Kühle bleibt, wird allerdings kontrastiert durch eine sanfte Wärme, die allmählich aufsteigt und dem Duft eine Struktur, gleichsam ein Gerüst gibt.
Ich nehme an, daß diese Wärme von einer äußerst dezenten, beinahe filigranen hellen, ja im Grunde transparenten Honignote herrührt, deren Ursprung ich nicht erkennen kann.
Nach und nach verschwimmen die einzelnen, anfangs noch dezidiert wahrnehmbaren Aromen ineinander, so daß ein sehr ausgewogenes Gesamtkunstwerk entsteht, das hervorragend ausbalanciert ist und weder modern noch beliebig wirkt.
Es ist in der Tat ein maskuliner Duft, der sparsam dosiert werden sollte und der sich durch eine geradezu exorbitante Haltbarkeit auszeichnet. Etwas vage Vertrautes schwingt in seiner Projektion, etwas schwer Greifbares ...
Déjà-vu ...
(Ich habe diesen Text meiner Erzählung "Unter der Treppe" entlehnt)
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