09.12.2019 - 02:15 Uhr
Parfümlein
123 Rezensionen
Parfümlein
Hilfreiche Rezension
7
Challenge im Advent: Auf dem Weg zu "meinem" Vanilleduft - 9. Dezember 2019
Mein erstes Parfum war "Beautiful" von Estée Lauder. Ich habe es mir mit 15 gewünscht und auch bekommen, nachdem ich es irgendwann in einer Parfümerie getestet und als Offenbarung empfunden hatte. Zufällig konnte ich es an diesem Wochenende beim Adventsbummel erneut riechen, nach so langer Zeit. Ich fand es interessant am Samstag, aber es hat mich nicht mehr so fasziniert. Trotzdem wird es immer einen ganz besonderen Platz in meinem "Parfumherzen" haben - als mein allererstes eigenes Parfum. Doch meine Parfumerfahrungen reichen deutlich weiter zurück: Im fünften Schuljahr hatte ich von meiner Tante allerlei Miniaturen bekommen, sehr alte kleine Flakons, ich erinnere mich an einen sehr hübschen dunkelblauen mit dem Namen "Soir de Paris". Ob es das noch gibt? Es roch nicht besonders, machte sich aber gut in meinem Setzkasten. Damals entwickelte ich ein kleines Hobby: Zusammen mit meiner Freundin Katja fuhr ich etwa einmal im Monat in die Stadt und klapperte Parfümerien ab. Immer derselbe Spruch: Entschuldigung, wir hätten eine Bitte - wir sammeln Pröbchen, hätten Sie vielleicht welche? Und immer gab es Pröbchen für uns. Ich hatte damals eine große Sammlung von allerlei hübschen Düften, und durch dieses Hobby fand auch meine Schwägerin ihren jahrelangen Signaturduft: Hinotori von Kanebo. Den gibt es nicht mehr, mein Bruder hat die letzten Vorräte in einer Frankfurter Parfümerie für sie aufgekauft - deshalb ist das Parfum verschwunden ;-). Aber auch bei anderen lernte ich Düfte kennen. Es war die erste Phase meines Duft-Interesses, dann folgten viele, viele Jahre mit strikter Armani-Loyalität - for her und dann Giò während des Studiums in Italien, was meine unerschütterliche Liebe zur Tuberose erklärt -, dann mit Narciso Rodriguez for her als zehn Jahre währendem, einzigem Duft, und erst jetzt seit einigen Monaten bin ich zu meiner Kindheit zurückgekehrt und öffne mich erneut dem Duft-Universum. Da stehe ich nun und teste Vanilledüfte im Advent - und erlebe heute, was Hermann Hesse vor langer Zeit erlebt hat:
In Weihnachtszeiten reis ich gern
Und bin dem Kinderjubel fern
Und geh in Wald und Schnee allein.
Und manchmal, doch nicht jedes Jahr,
Trifft meine gute Stunde ein,
Daß ich von allem, das da war,
Auf einen Augenblick gesunde
Und irgendwo im Wald für eine Stunde
Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn
Und wieder Knabe bin . . .
Knabe bin ich nicht - doch bin ich auch auf einer Reise - auf dem Weg zu "meinem" Vanilleduft. Und genau heute treffen diese Zeilen auf mich zu, dass ich "für eine Stunde/ Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn" - durch Vanille Patchouli von Les Senteurs Gourmands. Denn das ist der Jugendduft meiner Schwägerin. Die Endsiebziger und frühen Achtziger, Friedensbewegung, Räucherstäbchen, Teeservices aus Keramik und bunte indische Tücher - und Patchouli. Ich rieche den feinen Les Senteurs Gourmands-Duft, schließe die Augen - und bin sofort wieder das kleine Mädchen, das bei seiner Schwägerin an diesem winzigen Fläschchen mit Parfum-Öl schnuppern darf, das sich schlagartig in eine orientalische Welt versetzt fühlt und den Geist dieser Jahre intuitiv authentischer erfassen kann als jeder Erwachsene, der die Jugend dieser Jahre nur kopfschüttelnd von außen beäugt. Patchouli - das ist Freiheitsdenken und gesellschaftliches Bewusstsein, Kampfbereitschaft und innere Tiefe. Patchouli kann niemals einfach nur eine Note in einem Luxus-Parfum sein. Immer und immer und immer schwingt etwas Revolutionäres, Rebellisches darin mit, immer versteckt sich eine Botschaft darin, leise, aber unüberhörbar... Und wenn es noch so friedlich und unauffällig getarnt in großen Namen daherkommt - es ist immer Indien, immer Räucherstäbchen, immer Nach-vorne-Schauen, was den umhüllt, der einen Patchouli-Duft trägt. Und insofern - auch wenn ich nie ein Patchouli-Fan war, damals nicht und heute nicht - betrachte ich diese Komponente als einen großartigen Assoziationswecker, einen Bilderzauberer, der unsere Fantasie so lange auf Trab hält, bis auch die letzten Reste des Tagesparfums sich verabschiedet haben. Ich breche eine Lanze für Patchouli - und auch für Vanille-Patchouli von Les Senteurs Gourmands. Hier ist die Note zwar sehr intensiv, aber doch wird sie durch einen Hauch Vanille abgemildert und besänftigt. Von Gourmand kann allerdings keine Rede sein, dafür ist der Duft viel zu würzig und fast ein wenig harzig. Ein schöner Duft - nicht für mich, aber für alle, die heute überlegen wollen, wie sie die Welt ein klein wenig verbessern könnten.
In Weihnachtszeiten reis ich gern
Und bin dem Kinderjubel fern
Und geh in Wald und Schnee allein.
Und manchmal, doch nicht jedes Jahr,
Trifft meine gute Stunde ein,
Daß ich von allem, das da war,
Auf einen Augenblick gesunde
Und irgendwo im Wald für eine Stunde
Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn
Und wieder Knabe bin . . .
Knabe bin ich nicht - doch bin ich auch auf einer Reise - auf dem Weg zu "meinem" Vanilleduft. Und genau heute treffen diese Zeilen auf mich zu, dass ich "für eine Stunde/ Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn" - durch Vanille Patchouli von Les Senteurs Gourmands. Denn das ist der Jugendduft meiner Schwägerin. Die Endsiebziger und frühen Achtziger, Friedensbewegung, Räucherstäbchen, Teeservices aus Keramik und bunte indische Tücher - und Patchouli. Ich rieche den feinen Les Senteurs Gourmands-Duft, schließe die Augen - und bin sofort wieder das kleine Mädchen, das bei seiner Schwägerin an diesem winzigen Fläschchen mit Parfum-Öl schnuppern darf, das sich schlagartig in eine orientalische Welt versetzt fühlt und den Geist dieser Jahre intuitiv authentischer erfassen kann als jeder Erwachsene, der die Jugend dieser Jahre nur kopfschüttelnd von außen beäugt. Patchouli - das ist Freiheitsdenken und gesellschaftliches Bewusstsein, Kampfbereitschaft und innere Tiefe. Patchouli kann niemals einfach nur eine Note in einem Luxus-Parfum sein. Immer und immer und immer schwingt etwas Revolutionäres, Rebellisches darin mit, immer versteckt sich eine Botschaft darin, leise, aber unüberhörbar... Und wenn es noch so friedlich und unauffällig getarnt in großen Namen daherkommt - es ist immer Indien, immer Räucherstäbchen, immer Nach-vorne-Schauen, was den umhüllt, der einen Patchouli-Duft trägt. Und insofern - auch wenn ich nie ein Patchouli-Fan war, damals nicht und heute nicht - betrachte ich diese Komponente als einen großartigen Assoziationswecker, einen Bilderzauberer, der unsere Fantasie so lange auf Trab hält, bis auch die letzten Reste des Tagesparfums sich verabschiedet haben. Ich breche eine Lanze für Patchouli - und auch für Vanille-Patchouli von Les Senteurs Gourmands. Hier ist die Note zwar sehr intensiv, aber doch wird sie durch einen Hauch Vanille abgemildert und besänftigt. Von Gourmand kann allerdings keine Rede sein, dafür ist der Duft viel zu würzig und fast ein wenig harzig. Ein schöner Duft - nicht für mich, aber für alle, die heute überlegen wollen, wie sie die Welt ein klein wenig verbessern könnten.
4 Antworten