G. Bellini - N°1 2014

Fittleworth
29.04.2015 - 10:31 Uhr
36
Sehr hilfreiche Rezension
5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
1
Duft

Nicht für eine Million!

Überrascht hörte ich heute während meines Einkaufs bei einem bekannten Lebensmittel-Discounter folgenden Dialog:
"Ey Alda, isch schwör, mustu haben!"
"Wasn das?"
"Ey is besser als Onmiljen! Und kost nur viel weniger!"
"Lass ma rieschen Alda!"

Es folgte eine, vorsichtig ausgedrückt, etwas umfangreichere Sprühaktion seitens der drei recht jungen Männer, die sich zu meinem nicht geringen Erstaunen für diesen Duft ernsthaft zu interessieren schienen.
Schlagartig breitete sich eine süßliche, gelbstichige, undurchdringliche Wolke aus, die mich schaudernd Abstand nehmen ließ und beinahe dafür gesorgt hätte, daß ich aus dem Laden nicht mehr herausfand ...

Haarspray der billigsten Sorte, angereichert um die Reste eines extrem überzuckerten, uralten Schmalzgebäcks, übergossen mit einem dicken Sirup aus imitiertem Fruchtsaft-Imitat, verklebt bei Kontakt unweigerlich jeden Quadratmillimeter der Nasenschleimhaut.
Sofort.
Dauerhaft.
Weich, klebrig, von einer puddingartigen Süße, deren lästige, ätzende Intensität wie ein alles erstickender Brei in Nase und Rachen vordringt und sich dort festkrallt. Die unaufhaltsame, rasante Verklumpung sämtlicher Schleimhäute verursacht schwerste Atemnot, verbunden mit schmerzhaften Kontraktionen des Ösophagus.
Die muffige Süßlichkeit wird unschön ergänzt durch lauwarme, pappige, in ihrer Fadheit unübertroffene chemische Noten, die dem Rezipienten edle Hölzer vorzugaukeln versuchen und dabei nicht über feuchte, vergammelte Sperrholzplatten hinauskommen.
Zitrus ist hier allenfalls in der stechenden WC-Reiniger-Version enthalten, geht aber erfreulicherweise rasch in der alles überwältigenden, klebrigen Puddingsüße unter, die von synthetischen Shampoo-Blümchendüften schwach untermalt wird.

Es ist dies gewiß ein Parfum, das bestens geeignet scheint, um Aufsehen zu erregen.
Wenn man sehr jung ist und die eigenen Geschmacks- und Geruchsnerven bislang an der Kuchentheke bei McDonalds und am Zuckerwattestand des Weihnachtsmarktes geschult hat.

Die Zielgruppe dieser kleinen Scheußlichkeit dürfte damit feststehen - es sind jene bedauernswerten jungen Menschen, die übermäßig stark konzentrierte künstliche Aromen präferieren, weil sie die natürlichen gar nicht mehr wahrnehmen können.

Ich ließe mich auch für viel Geld nicht dazu bewegen, diese ekelhaft haltbare Brühe an meine Haut zu lassen.
Man wird sie nämlich nie wieder los, sie verstopft dauerhaft die Poren, legt sich wie ein schmieriger Film auf Hals und Gesicht und läßt die Acne cosmetica in voller Pracht erblühen.

Ich frage mich jedoch, welche geniale Kopf auf die Idee kam, diese widerlich überzuckerte Chemieplörre ausgerechnet nach dem Renaissancekünstler Jacopo "Giacomo" Bellini zu benennen ...
23 Antworten