Unterholz
08.08.2020 - 16:19 Uhr
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Ode an den Aufsitzmäher

Rasenmähermann!
Wirf den Rasenmäher an!

Lass Stängel und Stemone spritzen.
Kräuter, Grünzeug, kleine Bäumchen
gleich mitschnitzen.

Mach nicht halt vor Veilchen,
Pomeranzen und Orangen - süss und bitter -
und allen Blumenteilchen.

Und oben in den Sandel-Zweigen
schnattern mit die Tannenhäher
und wiegen sich in ihrem Reigen
im 2-Takt deines Tonka-Mähers.

* * *

Kinderchens, der gute Onkel Unterholz dichtet jetzt auch und sagt euch nun, wie das mit den Paföngs geht.
Heute ist es ja so, dass der u. U. ungeübte aber geneigte Parfum-Interessierte / die willige Käuferin im exaltierten Zustand des Sammlungserweiterungs-Dranges in einem Kaufhaus, einer Parfümerie, Drogerie, wasweissich stets mit irrer Kopfnoten-Prahlerei zu beeindrucken oder gar zum Parfumerwerb zu übertölpeln versucht wird.
Vorm Regal kurz aufgesprüht, riecht nicht übel, zack gekauft! So zumindest, sieht die Idealszenerie von Seiten der Verkäuferschaft aus.

Dem frisch beflakonierten Pilger zuhause droht aber meist die eine oder andere ernüchternde Erfahrung, wenn der Kopfnotenbums längst zurück liegt, und sich bereits die postkoitale Depression (oder mindestens Ernüchterung) in Form der letzten Duftphase breitmacht. Auf deinem Handgelenk ist von der lustverheischenden Kopfnote (und der im besten Fall nicht mal üblen Herznote) nichts mehr übrig, dafür ein laues Chemie-Lüftchen, meist von Herstellerseite mit der Bezeichnung "edle / exotische Hölzer" oder gar mit "Sandelholz" bezeichnet und vollmundig mit weiteren Fantasienoten nach Wahl (Vanille=Vanillin, Guajakholz=Guajacol, Ambra=Ambrox etc.) reichhaltig ausgarniert.

Ich sage: Jetzt hört doch mal auf mit eurem Sandelholz-Geraspel! Soviel Sandelgehölz wie die ganze Industrie zu verarbeiten und zu verhackstückeln vorgibt, steht gar nicht mehr senkrecht. Was wir in den meisten schludrigen Pafumkreationen vor uns haben ist schlicht und ergreifend der chemische Ersatz dafür und ich finde, dieser riecht in 90% der Fälle einfach billig, plump, chemisch, unschön, unsexy und nervig. Oder es ist einfach sch*** gemacht.

An dieser Stelle können sich also gleich mal 80% aller Hersteller / Parfummarken / Nischenszenies / Duftdesigner/ -innen / (hier wahlweise anderen Vertreter der Industrie einsetzen) ein dickes Scheibchen bei Lush abschneiden. Aber von vorn.

Betritt man erstmals einen Lush-Laden, hat man nicht das Gefühl, hier hochwertige Düfte unter die Nase zu bekommen. Meist wird man ja sofort von einer der etwas übermotivierten Mitarbeiterinnen in die Mangel genommen, dazu der überbordende Badekugel-Bubblegum-Gummibärchen-Nimbus, und man befindet sich bereits rezeptorisch komplett überfordert in den Klauen der Kompagnie. Doch erringt man mit höflichem Lächeln den Freiraum sich erstmal umzusehen, so gelangt man irgendwann vor's Lush-Parfumregal. Zugegeben, optisch ist hier noch Luft nacht oben, aber sei's drum. Wir testen jetzt in Ruhe.

Zuhause mit den aufgetragenen (aber noch nicht gekauften) Düften angekommen, merkt man am Handgelenk schnuppernd, dass die meisten Lush-Kreationen den umgekehrten Weg gehen. Die Kopfnote wirkt im Geschäft vielleicht firmenspezifisch etwas hysterisch, wie auch im Fall von Grass, ein Zuviel an grüner Saftigkeit, irgendwie quietschig-quengelig-überdreht, als liesse man sich von einer Horde Teenager-Waldelefanten mit ADHS den Garten neu gestalten.

Doch irgendwann im Verlauf von Grass, zuerst dachte man noch an einen Spassduft im Auftrag der Rasenbarbier-Gilde, schwant einem, dass man es hier mit einem absolut hochwertigen, gut komponierten Parfum zu tun hat. Wo Chemie so eingesetzt wird, dass es GUT riecht und Naturrohstoffe auch Naturrohstoffe sind und ein harmonisches Gesamtbild ergeben.
Ich würde zwar nicht meine Hand ins Feuer der Wahrheit legen und behaupten, dass hier echtes Sandelholz verarbeitet wurde, aber es RIECHT einfach wie gutes echtes Sandelholz und nicht wie irgend ein dämlicher Ersatz, der, weil billiger, den Aktionären eine fettere Rendite und der Teppichetage dickere Dividenden verspricht...

(ausatmen)

Das wollte einfach mal gesagt sein. So, ich gehe jetzt meinen Rasentraktor ölen. Damit die Nachbarschaft sich an diesem wunderschönen Samstagnachmittag noch ein wenig an seinem satten Sound erfreuen kann.
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