17.04.2024 - 04:43 Uhr

Efey
4 Rezensionen

Efey
Top Rezension
40
Meine erste (Duft)Liebe
[Sehr intime Rezension / Alle Namen (bis auf mein eigener) der, in diesem Text vorkommenden Personen wurden verfälscht.]
Es war an einem kalten Nachmittag im Spätnovember letzten Jahres, als mich eine Nachricht von einer mir unbekannten Nummer erreichte. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich für Parfüm interessiert und wusste nicht, dass diese kurze Nachricht mein persönlicher Schlüssel zur Tür der Duftwelt sein würde.
"Hey Efey", hieß es da, "wir haben nun seit fast zehn Jahren nichts mehr voneinenader gehört und ich wollte dich einmal nur fragen wie es dir ergangen ist. Liebe Grüße - Marie."
Ich schloss die Augen. "Marie...", dachte ich mir "...mein Gott, ist das lange her."
Vor meinen geschlossenen Lidern spielten sich Bilder ab.
Zeitsprung: 2014.
Ich sah mich eine lange Steintreppe heruntersteigen und hörte mit jedem Schritt nach unten vertraute, düstere Klänge näher auf mich zukommen...bis ich die erste Halle des Untergrunds betrat.
Eine verträumt klingende Violine vermischte sich mit dem Schnarren einer elektrischen Gitarre. Männer in schwarzen Samthemden und Frauen in bodenlangen, schwarzen Spitzenkleidern tanzten einen wilden Reigen. Ich ging weiter, suchte jemanden, sah mich etwas unsicher, doch heimelig fühlend durch die Flure dieses Untergrunds gehen, als mir hinter einer Ecke plötzlich ein 17.000BPM-Bumsbeat um die Ohren schepperte, während eine verzerrte Stimme dazu etwas ins Mikrofon brüllte. Ich sah leuchtende Neonlichter und eine kleine Truppe von Leuten, die vom Beat getragen hemmungslos abstampften. Vorsichtig zwängte ich mich durch die stahlkappentragenden Figuren mit den, in grellen Neonfarben leuchtenden Dreadlocks hindurch und betrat die letzte Halle.
Ein sanfter aber belebender Gitarrenklang küsste mein Trommelfell, dazu ein smoother 80er Synthie. Eine gewisse Melancholie lag hier in der Luft. Es lief "Pictures of you" von "The Cure".
Hier tanzte man mit geschlossenen Augen. In der Mitte der Tanzfläche stand Marie und bewegte sich beinahe schon schwebend von einem Bein auf das andere. Ihr langes blondes Haar mit den schwarzen Strähnen fiel an ihrem Kleid herab. Sie warf mir einen Blick zu und lächelte.
Ich lächelte zurück, atmete ein. Und roch diesen Duft...diesen einen Duft...süß...weich...dahinter dieses vertraute Gothicartige, aber nicht penetrant, sondern anschmiegend und da war noch...da war noch...da war noch...
"Hey Papa, wovon träumst du gerade" - ich schreckte auf und wurde von meiner Tochter aus dem Tagtraum gerissen: "Ach, ich hab mich nur an etwas erinnert.", sprach ich etwas irritiert.
Da war er wieder, er hockte immer noch im meiner Nase...dieser Geruch den ich in den frühen 2010ern in dieser Gothicdisco wahrnahm...Ich musste ihn finden.
Ein unvergleichlicher Ehrgeiz ergriff plötzlich Besitz von mir. Ich wollte ihn finden, den Duft, der mich an meine Zeit in Gothic Discos erinnert, den ich mit schwarzem Kayal um meine Augen und mit so vertrauten Klängen verbinde.
Patschuli war definitiv dabei, da war ich mir sicher...Vielleicht einfach nur irgendein Patschuli-Duft.
In den folgenden Tagen war ich wie besessen von dem Gedanken daran diesen Duft zu finden...ich stürmte Drogerien und Parfümerien ohne Ende in der Hoffnung irgendwie diesen vertrauten Geruch noch einmal zu riechen. Ich raidete den Weihnachtsmarkt und schnüffelte an unzähligen Patschuliölen, bis mir schlecht war und besuchte sogar mehrere Räucherkerzen-Hippieläden, in der Hoffnung dort das Objekt meiner Begierde zu finden.
Fehlanzeige.
Frustriert schlurfte ich durch die winterliche Stadt, mit mehr verschiedenen Patschuliproben auf der Haut als eine gesamte Gothicdisco, doch ohne den Geruch aus meiner Erinnerung. Menschen machten einen großen Bogen um mich und meine Silage riss einen Patschuliabgrund hinter mir im Erdboden auf.
"Ich glaube, ich gehe heute abend baden", dachte ich mir..."Vielleicht finde ich ja bei LUSH noch irgendetwas, was in die annährend richtige Richtung kommt."
Taub und müffelnd betrat ich den Laden. Direkt kam ein (sehr attraktiver) Verkäufer auf mich zu, der mich fragte, ob ich etwas bestimmtes suche.
"Irgendwas mit Patschuli", antwortete ich.
Der Verkäufer grinste mich kurz an.
"Das dachte ich mir.", sagte er schmunzelnd, "Als Badebombe oder als Parfüm?"'
"Ihr habt Parfüm?", fragte ich irritiert und zog die Augenbrauen hoch.
"Ja klar!", antwortete er, drehte sich um und drückte mir ein kleines Fläschchen in die Hand, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
Lord of Misrule Perfume las ich auf dem kleinen Flakon in der Hand des Verkäufers.
"Der ist was für dich. Das sieht man direkt.", sagte er selbstsicher, "Darf ich?"
Etwas verlegen präsentierte ich ihm meinen Unterarm. Er sprühte einmal.
Synapsen brannten durch. Erinnerungsstrudel formten sich zu, ineinander verschlungenen Bildern aus Licht, Dunkelheit und Zigarettenrauch, als würde man einen Film viel zu schnell vor meinen geschlossenen Augen abspielen. Zerbrochene Glasfragmente setzten sich im klirrenden Pfeffer, der in meiner Nase kitzelte zusammen zu einem süßen Mosaik aus Vanille.
Als der Film innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde zuende gelaufen war sah ich ein Standbild. Marie stand auf der Tanzfläche und lächelte mir zu. Dann eine Wolke aus süßem Patschuli. Nicht erschlagend, sondern weich. Alles vermischte sich zu einem sanftwilden Mix. Prickeligkeit, Süße und Schwere. Dominant ohne aufdringlich zu sein. Süß ohne wirklich essbar zu sein und pfefferig ohne dabei zu herb zu sein.
Marie streckte in meinem Kopf ihre Hand nach mir aus.
Eine Träne kullerte meine Wange herunter.
"Ja...", gurgelte ich aus meiner Dissoziation heraus dem Verkäufer entgegen, "Den nehm ich."
Ich brauchte keinen Kassenbon.
Lord of Misrule Perfume war somit der Duft, der mich durch eine wunderbare und gleichsam traurige Jugenderinnerung in die Welt der Düfte geführt hat.
Somit ist es vielleicht schwierig ihn objektiv zu bewerten, er macht für mich das Beste aus dem, wozu diese drei simplen Bestandteile fähig sind. Er erinnert mich an Zeiten, in denen alles gleichzeitig schwermütig und doch leicht war, in denen wir eine Flasche Whisky kauften, den Deckel wegwarfen und uns wie die Könige der Welt fühlten. Er hat für mich eine jugendliche Royalität, Melancholie und Verbundenheit.
Heute trage ich Lord of Misrule Perfume an kalten Regentagen auf meine Haut auf und atme Erinnerungen. Dann tanze ich mit Marie durch den Untergrund, zu "The Cure", während wir uns angrinsen und uns in dem Moment sicher sind, dass wir gerade genau an dem Ort sind, an den wir hingehören.
Ruhe in Frieden alte Freundin.
"I've been looking so long at these pictures of you
That I almost believe that they're real
I've been living so long with my pictures of you
That I almost believe that the pictures are all I can feel"
-The Cure - Pictures of you
Es war an einem kalten Nachmittag im Spätnovember letzten Jahres, als mich eine Nachricht von einer mir unbekannten Nummer erreichte. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich für Parfüm interessiert und wusste nicht, dass diese kurze Nachricht mein persönlicher Schlüssel zur Tür der Duftwelt sein würde.
"Hey Efey", hieß es da, "wir haben nun seit fast zehn Jahren nichts mehr voneinenader gehört und ich wollte dich einmal nur fragen wie es dir ergangen ist. Liebe Grüße - Marie."
Ich schloss die Augen. "Marie...", dachte ich mir "...mein Gott, ist das lange her."
Vor meinen geschlossenen Lidern spielten sich Bilder ab.
Zeitsprung: 2014.
Ich sah mich eine lange Steintreppe heruntersteigen und hörte mit jedem Schritt nach unten vertraute, düstere Klänge näher auf mich zukommen...bis ich die erste Halle des Untergrunds betrat.
Eine verträumt klingende Violine vermischte sich mit dem Schnarren einer elektrischen Gitarre. Männer in schwarzen Samthemden und Frauen in bodenlangen, schwarzen Spitzenkleidern tanzten einen wilden Reigen. Ich ging weiter, suchte jemanden, sah mich etwas unsicher, doch heimelig fühlend durch die Flure dieses Untergrunds gehen, als mir hinter einer Ecke plötzlich ein 17.000BPM-Bumsbeat um die Ohren schepperte, während eine verzerrte Stimme dazu etwas ins Mikrofon brüllte. Ich sah leuchtende Neonlichter und eine kleine Truppe von Leuten, die vom Beat getragen hemmungslos abstampften. Vorsichtig zwängte ich mich durch die stahlkappentragenden Figuren mit den, in grellen Neonfarben leuchtenden Dreadlocks hindurch und betrat die letzte Halle.
Ein sanfter aber belebender Gitarrenklang küsste mein Trommelfell, dazu ein smoother 80er Synthie. Eine gewisse Melancholie lag hier in der Luft. Es lief "Pictures of you" von "The Cure".
Hier tanzte man mit geschlossenen Augen. In der Mitte der Tanzfläche stand Marie und bewegte sich beinahe schon schwebend von einem Bein auf das andere. Ihr langes blondes Haar mit den schwarzen Strähnen fiel an ihrem Kleid herab. Sie warf mir einen Blick zu und lächelte.
Ich lächelte zurück, atmete ein. Und roch diesen Duft...diesen einen Duft...süß...weich...dahinter dieses vertraute Gothicartige, aber nicht penetrant, sondern anschmiegend und da war noch...da war noch...da war noch...
"Hey Papa, wovon träumst du gerade" - ich schreckte auf und wurde von meiner Tochter aus dem Tagtraum gerissen: "Ach, ich hab mich nur an etwas erinnert.", sprach ich etwas irritiert.
Da war er wieder, er hockte immer noch im meiner Nase...dieser Geruch den ich in den frühen 2010ern in dieser Gothicdisco wahrnahm...Ich musste ihn finden.
Ein unvergleichlicher Ehrgeiz ergriff plötzlich Besitz von mir. Ich wollte ihn finden, den Duft, der mich an meine Zeit in Gothic Discos erinnert, den ich mit schwarzem Kayal um meine Augen und mit so vertrauten Klängen verbinde.
Patschuli war definitiv dabei, da war ich mir sicher...Vielleicht einfach nur irgendein Patschuli-Duft.
In den folgenden Tagen war ich wie besessen von dem Gedanken daran diesen Duft zu finden...ich stürmte Drogerien und Parfümerien ohne Ende in der Hoffnung irgendwie diesen vertrauten Geruch noch einmal zu riechen. Ich raidete den Weihnachtsmarkt und schnüffelte an unzähligen Patschuliölen, bis mir schlecht war und besuchte sogar mehrere Räucherkerzen-Hippieläden, in der Hoffnung dort das Objekt meiner Begierde zu finden.
Fehlanzeige.
Frustriert schlurfte ich durch die winterliche Stadt, mit mehr verschiedenen Patschuliproben auf der Haut als eine gesamte Gothicdisco, doch ohne den Geruch aus meiner Erinnerung. Menschen machten einen großen Bogen um mich und meine Silage riss einen Patschuliabgrund hinter mir im Erdboden auf.
"Ich glaube, ich gehe heute abend baden", dachte ich mir..."Vielleicht finde ich ja bei LUSH noch irgendetwas, was in die annährend richtige Richtung kommt."
Taub und müffelnd betrat ich den Laden. Direkt kam ein (sehr attraktiver) Verkäufer auf mich zu, der mich fragte, ob ich etwas bestimmtes suche.
"Irgendwas mit Patschuli", antwortete ich.
Der Verkäufer grinste mich kurz an.
"Das dachte ich mir.", sagte er schmunzelnd, "Als Badebombe oder als Parfüm?"'
"Ihr habt Parfüm?", fragte ich irritiert und zog die Augenbrauen hoch.
"Ja klar!", antwortete er, drehte sich um und drückte mir ein kleines Fläschchen in die Hand, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
Lord of Misrule Perfume las ich auf dem kleinen Flakon in der Hand des Verkäufers.
"Der ist was für dich. Das sieht man direkt.", sagte er selbstsicher, "Darf ich?"
Etwas verlegen präsentierte ich ihm meinen Unterarm. Er sprühte einmal.
Synapsen brannten durch. Erinnerungsstrudel formten sich zu, ineinander verschlungenen Bildern aus Licht, Dunkelheit und Zigarettenrauch, als würde man einen Film viel zu schnell vor meinen geschlossenen Augen abspielen. Zerbrochene Glasfragmente setzten sich im klirrenden Pfeffer, der in meiner Nase kitzelte zusammen zu einem süßen Mosaik aus Vanille.
Als der Film innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde zuende gelaufen war sah ich ein Standbild. Marie stand auf der Tanzfläche und lächelte mir zu. Dann eine Wolke aus süßem Patschuli. Nicht erschlagend, sondern weich. Alles vermischte sich zu einem sanftwilden Mix. Prickeligkeit, Süße und Schwere. Dominant ohne aufdringlich zu sein. Süß ohne wirklich essbar zu sein und pfefferig ohne dabei zu herb zu sein.
Marie streckte in meinem Kopf ihre Hand nach mir aus.
Eine Träne kullerte meine Wange herunter.
"Ja...", gurgelte ich aus meiner Dissoziation heraus dem Verkäufer entgegen, "Den nehm ich."
Ich brauchte keinen Kassenbon.
Lord of Misrule Perfume war somit der Duft, der mich durch eine wunderbare und gleichsam traurige Jugenderinnerung in die Welt der Düfte geführt hat.
Somit ist es vielleicht schwierig ihn objektiv zu bewerten, er macht für mich das Beste aus dem, wozu diese drei simplen Bestandteile fähig sind. Er erinnert mich an Zeiten, in denen alles gleichzeitig schwermütig und doch leicht war, in denen wir eine Flasche Whisky kauften, den Deckel wegwarfen und uns wie die Könige der Welt fühlten. Er hat für mich eine jugendliche Royalität, Melancholie und Verbundenheit.
Heute trage ich Lord of Misrule Perfume an kalten Regentagen auf meine Haut auf und atme Erinnerungen. Dann tanze ich mit Marie durch den Untergrund, zu "The Cure", während wir uns angrinsen und uns in dem Moment sicher sind, dass wir gerade genau an dem Ort sind, an den wir hingehören.
Ruhe in Frieden alte Freundin.
"I've been looking so long at these pictures of you
That I almost believe that they're real
I've been living so long with my pictures of you
That I almost believe that the pictures are all I can feel"
-The Cure - Pictures of you
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