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Top Rezension
Love strikes like cold steel
Der Vorhang geht auf. Auftritt Rose. Es ist ein großer Auftritt. Die Rose ist sofort präsent, fast kitschig süß und schwer wie in manchen orientalischen Parfums. Ich bin ein Fan von Rosendüften. Aber das ist mir zu intensiv. Schnuppert man näher hin und lässt den Duft nach dieser Überdosis reifer Rose sich entwickeln, kommt er bald erstaunlich frisch und grün, fast zitrisch daher – und lässt aufhorchen. Mich zumindest. Denn ich mag diese moderne Art von Rose. Doch kaum beginne ich, mich über die unerwartete Frische zu freuen, zieht eine dunkle Wolke in Form einer ebenfalls unerwarteten metallischen Schärfe auf. Wo die plötzlich herkommt? Keine Ahnung. Aber sie ist da. Möglicherweise ist das Geranium, das in die Rosenidylle einbricht.
Selbst wenn bei Parfumo keine Geranie in der Duftpyramide aufscheint, in den meisten anderen Quellen wird sie genannt. Für mich ist sie jedenfalls deutlich merkbar.
Geranium und Rose treffen einander ja öfter in Parfums. Einerseits, um das teure Rosenöl zu strecken, andererseits, um den Duft haltbarer zu machen. Nichts gegen die zarte, weiße Blüte, doch ich bin kein Fan ihrer blumigen Süße. Ich mag ungerecht sein, aber in Geranium sehe ich immer die billige „Ersatzrose“ geringer Güte, die mir jeden Rosenduft verdirbt.
Hier ist es etwas anders. Ich erkenne das Konzept. Love Kills ist eine Parabel auf die Vergänglichkeit der Liebe. Man könnte auch sagen: das Leben einer Rose als Allegorie auf die Kurzlebigkeit von romantischen Beziehungen.
Okay, man muss nicht in alles etwas hineingeheimnissen. Mich stört an solchen Metaphern auch die rigorose Apodiktik. Denn nicht alle Liebesgeschichten enden als Drama oder sind kürzer als ein Rosenleben. Oder? Doch hier geht es um die Endlichkeit von Liebesbeziehungen – sei es durch den Alltag, der die schwärmerischen Gefühle tötet, Betrug, Enttäuschung, Eifersucht, gestrandete Hoffnungen oder was auch immer - und die Melancholie, die ihr naturgemäß innewohnt.
Für mich ist die Botschaft klar: Am Anfang steht die noch grüne Rose mit ihrer verheißungsvollen Frische. Dann blüht sie zu einer wunderschönen, samtigen Blüte auf und entwickelt einen so schweren, dunkelsüßen Duft, dass er fast zu intensiv ist, um ihn noch als angenehm genießen zu können. Doch während man sich fragt, ob so viel Rose in einem Duft oder an einem Menschen erlaubt ist, erobert die Geranie die Szene. Ihre zitrische Würzigkeit macht den Unisex-Duft für Männer tragbar, bringt aber auch diese fast schmerzliche metallene Schärfe ins Spiel, als schneide ein Schwert die wunderbare Rose entzwei.
Die Geranie ist hier also ein bewusst eingesetzter Player, der olfaktorisch zeigen soll, wie die unschuldig-himmlische Liebesbeziehung erste Risse bekommt. Und die frühe Tragik bleibt. An dieser Stelle entwickelt der Duft eine gewisse Sauberkeit und Gepflegtheit, die sich im Spiel dieser Allegorie nicht ganz eindeutig interpretieren lässt. Ich würde sagen: Die Leidenschaft ist nun draußen aus der Beziehung. Noch bleibt man zusammen, aber unter anderen Voraussetzungen.
Die Assoziation zum Song „Love Kills“ von Freddie Mercury aus 1984 drängt sich auf. Es ist nicht einer seiner besten, auch wenn es sein erster Solotrack ist. Doch da ist diese Textzeile: „Love strikes like cold steel, scars you from the start. Love kills.“
Freddie scheint also ebenfalls keine allzu guten Erfahrungen mit der Liebe gemacht zu haben.
Ob Caroline Dumur, die diesen Duft kreiert hat, an Freddie und seinen Song gedacht hat, als sie „Love Kills“ zusammenmischte? Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Die Botschaft ist – zufällig oder nicht - die gleiche.
Auch wenn dieser Duft mein Herz jetzt nicht gerade im Sturm erobert hat, muss man ihm Respekt zollen. Hier wollte man keinen gefälligen Blütenreigen schaffen. Der Duft erzählt eine – äußerst dramatische - Geschichte und ist eine interessante, abwechslungsreiche Komposition mit spannendem Duftverlauf, die im Gedächtnis bleibt. Aber er spielt sich sehr in den Vordergrund. Man muss ihn mögen, seine Stimmung teilen. Dann passt er. Er wird sich dir nicht angleichen oder „deine Persönlichkeit unterstreichen“, wie man es von Parfums so gern erwartet. Dazu ist er selbst viel zu stark. Eine „alles oder nichts“-Sache. Keine Kompromisse, keine Toleranz, keine Harmonie. Es geht eher um Macht und Dominanz. Ist man bereit, diese Stärke zu akzeptieren, wird man sich in dem Duft wiederfinden. Mir ist er zu intensiv und in seiner Botschaft letztlich doch zu vordergründig. Programmmusik, nennt man das bei musikalischen Kompositionen. Außerdem bin ich nicht bereit, mir den destruktiven Duftverlauf von der Rosenknospe bis zur toxischen Beziehung aufdrängen zu lassen. Mag die Story auch wahr sein – ich will nicht ständig an die tödlich sein könnende Macht der Liebe erinnert werden.
Wer die düstere Rose-Patchouly-Mischung aushält, wird mit einem literarisch anmutenden Duft belohnt, der einen abwechslungsreichen Verlauf zeigt, eine bemerkenswert starke Sillage und Haltbarkeit besitzt und sehr extrem ist. Nichts für Oberflächliche, nichts für Mauerblümchen, Büromenschen oder Status-Leute. Eher etwas für ExistenzialistInnen, Mutige, Neugierige und Depressive.
Der seltsame Name "III-III Love Kills", der mich irgendwie entfernt an X Æ A-XII Musk erinnert,
soll übrigens so etwas wie III. Aufzug, III. Szene bedeuten, hab ich irgendwo gelesen, was den dramatischen Charakter dieses Parfums unterstreicht.
(Mit Dank an NatRocks)
Selbst wenn bei Parfumo keine Geranie in der Duftpyramide aufscheint, in den meisten anderen Quellen wird sie genannt. Für mich ist sie jedenfalls deutlich merkbar.
Geranium und Rose treffen einander ja öfter in Parfums. Einerseits, um das teure Rosenöl zu strecken, andererseits, um den Duft haltbarer zu machen. Nichts gegen die zarte, weiße Blüte, doch ich bin kein Fan ihrer blumigen Süße. Ich mag ungerecht sein, aber in Geranium sehe ich immer die billige „Ersatzrose“ geringer Güte, die mir jeden Rosenduft verdirbt.
Hier ist es etwas anders. Ich erkenne das Konzept. Love Kills ist eine Parabel auf die Vergänglichkeit der Liebe. Man könnte auch sagen: das Leben einer Rose als Allegorie auf die Kurzlebigkeit von romantischen Beziehungen.
Okay, man muss nicht in alles etwas hineingeheimnissen. Mich stört an solchen Metaphern auch die rigorose Apodiktik. Denn nicht alle Liebesgeschichten enden als Drama oder sind kürzer als ein Rosenleben. Oder? Doch hier geht es um die Endlichkeit von Liebesbeziehungen – sei es durch den Alltag, der die schwärmerischen Gefühle tötet, Betrug, Enttäuschung, Eifersucht, gestrandete Hoffnungen oder was auch immer - und die Melancholie, die ihr naturgemäß innewohnt.
Für mich ist die Botschaft klar: Am Anfang steht die noch grüne Rose mit ihrer verheißungsvollen Frische. Dann blüht sie zu einer wunderschönen, samtigen Blüte auf und entwickelt einen so schweren, dunkelsüßen Duft, dass er fast zu intensiv ist, um ihn noch als angenehm genießen zu können. Doch während man sich fragt, ob so viel Rose in einem Duft oder an einem Menschen erlaubt ist, erobert die Geranie die Szene. Ihre zitrische Würzigkeit macht den Unisex-Duft für Männer tragbar, bringt aber auch diese fast schmerzliche metallene Schärfe ins Spiel, als schneide ein Schwert die wunderbare Rose entzwei.
Die Geranie ist hier also ein bewusst eingesetzter Player, der olfaktorisch zeigen soll, wie die unschuldig-himmlische Liebesbeziehung erste Risse bekommt. Und die frühe Tragik bleibt. An dieser Stelle entwickelt der Duft eine gewisse Sauberkeit und Gepflegtheit, die sich im Spiel dieser Allegorie nicht ganz eindeutig interpretieren lässt. Ich würde sagen: Die Leidenschaft ist nun draußen aus der Beziehung. Noch bleibt man zusammen, aber unter anderen Voraussetzungen.
Die Assoziation zum Song „Love Kills“ von Freddie Mercury aus 1984 drängt sich auf. Es ist nicht einer seiner besten, auch wenn es sein erster Solotrack ist. Doch da ist diese Textzeile: „Love strikes like cold steel, scars you from the start. Love kills.“
Freddie scheint also ebenfalls keine allzu guten Erfahrungen mit der Liebe gemacht zu haben.
Ob Caroline Dumur, die diesen Duft kreiert hat, an Freddie und seinen Song gedacht hat, als sie „Love Kills“ zusammenmischte? Ich weiß es nicht. Es spielt auch keine Rolle. Die Botschaft ist – zufällig oder nicht - die gleiche.
Auch wenn dieser Duft mein Herz jetzt nicht gerade im Sturm erobert hat, muss man ihm Respekt zollen. Hier wollte man keinen gefälligen Blütenreigen schaffen. Der Duft erzählt eine – äußerst dramatische - Geschichte und ist eine interessante, abwechslungsreiche Komposition mit spannendem Duftverlauf, die im Gedächtnis bleibt. Aber er spielt sich sehr in den Vordergrund. Man muss ihn mögen, seine Stimmung teilen. Dann passt er. Er wird sich dir nicht angleichen oder „deine Persönlichkeit unterstreichen“, wie man es von Parfums so gern erwartet. Dazu ist er selbst viel zu stark. Eine „alles oder nichts“-Sache. Keine Kompromisse, keine Toleranz, keine Harmonie. Es geht eher um Macht und Dominanz. Ist man bereit, diese Stärke zu akzeptieren, wird man sich in dem Duft wiederfinden. Mir ist er zu intensiv und in seiner Botschaft letztlich doch zu vordergründig. Programmmusik, nennt man das bei musikalischen Kompositionen. Außerdem bin ich nicht bereit, mir den destruktiven Duftverlauf von der Rosenknospe bis zur toxischen Beziehung aufdrängen zu lassen. Mag die Story auch wahr sein – ich will nicht ständig an die tödlich sein könnende Macht der Liebe erinnert werden.
Wer die düstere Rose-Patchouly-Mischung aushält, wird mit einem literarisch anmutenden Duft belohnt, der einen abwechslungsreichen Verlauf zeigt, eine bemerkenswert starke Sillage und Haltbarkeit besitzt und sehr extrem ist. Nichts für Oberflächliche, nichts für Mauerblümchen, Büromenschen oder Status-Leute. Eher etwas für ExistenzialistInnen, Mutige, Neugierige und Depressive.
Der seltsame Name "III-III Love Kills", der mich irgendwie entfernt an X Æ A-XII Musk erinnert,
soll übrigens so etwas wie III. Aufzug, III. Szene bedeuten, hab ich irgendwo gelesen, was den dramatischen Charakter dieses Parfums unterstreicht.
(Mit Dank an NatRocks)
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