Les Nombres d'Or - Oudh Osmanthus
Oud
2011

Louce
02.08.2012 - 04:28 Uhr
10
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft

Verwobener Stoff

Oud…
neben den generellen Oud-Fragen („Wird der Hype übertrieben?“, „Brauchen wir einen weiteren Oud-dominierten Duft?“, „Was ist an der Note gegenwärtig spannend und was ist bereits erschöpfend durchexerziert?“,…) hatte ich persönlich bis zum Test von Mona di Orios Oud noch eine weitere:
„Gibt es denn keine vollkommen weibliche Duftinszenierung von Oud?“

Alle Ouddüfte, die ich kennen lernte, waren augenfällig oder zumindest eher für Jungs… oder sie spielten mit diesem quasi-männlichen Charakter. Ja klar sind davon viele wirklich (nicht nur marketingtechnisch) unisex. Viele sind auch auf Frauenhaut reizvoll und ein paar Kandidaten sind es sogar sehr, weil gerade damit gespielt wird, dass die Härte, die ungemeine Energie dieser starken Note in Kontrast gesetzt wird zu weichen, lieblichen und stereotyp weiblich funktionierenden Akkorden.
Aber ich hatte noch keines gerochen, wo ein ganz und gar weiblicher Oud-Aspekt das Thema ist.
Bitte nicht missverstehen… wer den Duft dann am Ende trägt, Mann, Frau oder geschlechtsloser Mensch, mit dieser, jenen, anderen oder keinen sexuellen Orientierung hat nix damit zu tun, ob sich ein Parfum an „weiblichen“ oder „männlichen“ Mustern orientiert. Es gibt einfach kulturelle Blueprints vom Verständnis der Geschlechtszuschreibung und Parfum ist immer auch eine Auseinandersetzung damit: Wird dem einen oder anderen Muster mehr, weniger oder gar nicht entsprochen und wie geschieht das?
Auf jeden Fall kannte ich bislang drei Varianten:
- Der Oud-Duft ist durchweg „männlich“.
- Der Oud-Duft ist unisex.
- Der Oud-Duft ist eher "weiblich", weil eine reizvolle Auseinandersetzung mit dem „männlichen“ Charakter stattfindet.
Jetzt kommt noch eine weitere dazu:
- Der Oud-Duft ist durchweg „weiblich“.

Wie und warum?
Les Nombres d´Or Oud lässt sein Oud duften ohne jede Härte, ohne auch nur die leiseste, kleinste Andeutung von geahnter Härte. Von medizinisch will ich gar nicht reden… LNdOO ist auf einem anderen Planeten! Hier hilft auch kein Oxymoron von „strahlender Dunkelheit“ bei der Beschreibung. Es wird nicht der Reiz aus der Betonung von oder dem Kontrast mit unbändiger, dominierender Superpower gewonnen.
Trotzdem verliert Oud hier nicht seine typische Charakteristik. Ich bin etwas perplex… wie geht das denn? Einerseits sind die ganzen typischen Charakterzüge nicht da, anderseits ist Oud sehr wiedererkennbar inszeniert…. hä? Wie soll das möglich sein?

Es geht durch eine unglaublich feinmaschige, absolute Verwobenheit. Dieses Oud ist vollständig gefasst und alle Beinoten sind hundertprozentig abgestimmt. Nicht auf Unterstreichen oder Widersprechen der Oud-Züge, sondern auf ein durchgängig und restlos funktionierendes Einfassen der Oud-Note an sich in einem vollständig „weiblichen“ Verständnis.
Ich kann Einzelakkorde erkennen… am Anfang gibt es etwas Zitrischfrisches, das gleichzeitig sehr jung und süß wirkt und ich kann darin Mandarine ausmachen. Osmanthus ist deutlich, in einer großen Rolle zu riechen: Das Sachtweißblütige und Zierliche von Osmanthus kommt in aller bescheidenen Pracht zur Nase und ist in diesem Duft vielleicht als der einflussreichste Oud-Partner zu nennen. Für (oder meistens gegen) Patchouli bin ich sehr sensibel und Patchouli ist hier drin. Welches von der ultraanschmiegsamen, weichen, ein wenig süßlichen Sorte. Für Amber habe ich auch eine ganz gute Antenne und mit der späten Mitte von LNdOO kommt eine wunderschöne, fluffige, melodisch weiche und deutliche, jedoch zarte Ambriertheit auf. Auch die Zeder im Spiel mit diesem Watteamber kann ich verorten.
Aber die einzelnen Akkorde in LNdOO stehen nicht für sich, sondern fassen das Oud.
Dieses Oud ist dadurch weich, weich, weich und bestrickt ganz sanft und behutsam. Der Duft ist dunkel, aber nicht finster und er feiert seine matte Dunkelheit auch nicht allzu sehr. Oud ist eindeutig zu erkennen, wird ab der frühen Basis aber so ausgedehnt und irgendwie verschwommen, dass es ab da nicht mehr so offensichtlich rüberkommt.

Der Duft ist unsagbar schön. Hier komme ich an eine Grenze von Sprache… wenn etwas unsagbar ist, was kann ich dann darüber in einem Text sagen?
Ich versuche, die tatsächliche Unaussprechlichkeit wenigstens zu umschreiben, Worte von außen an das Eigentliche möglichst nah heran zu setzen: LNdOO vereinigt sich symbiotisch (wie ich es von MdO-Düften kenne) mit dem tragenden Menschen und spendet sanfte, umfassende Schönheit. Weiche, leicht süßliche, vollkommen bürountaugliche, dunkelsinnliche, federnde, komplett emotional aufgestellte Schönheit. Diese Schönheit ist durchlässig. Nicht plakativ, sondern fließend geschmeidig. Wie eben eine Textur sein kann, wenn sie unglaublich fein verwoben ist.

Einzig der Preis ist nicht nur eine Hürde, sondern eine gültige, echte Grenze. Aber diesen verwobenen Stoff zu riechen und ein wenig kennen zu lernen, war ein Erlebnis! Danke, Aava! :-)
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