11.01.2021 - 13:48 Uhr

Gold
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Gold
Top Rezension
66
Glückliche Zufälle
Hattet Ihr schon 'mal einen "moment of serendipity" beim Erkunden eines neuen Duftes?
"Serendipity" - dieser Begriff, den man mit "glücklicher Zufall" übersetzen könnte, fiel mir ein, als ich mich mit "Nuit de Bakélite" und seiner Schöpferin Isabelle Doyen zum ersten Mal genauer beschäftigte.
Zu Weihnachten bekam ich von meiner französischen Freundin ein wundervolles Buch mit dem Titel "Les Parfumeurs" - dans l'intimité de grands créateurs de parfum" (Harper Collins, 2018).
Hier berichten zehn große Nasen (u.a. Thierry Wasser, Mathilde Laurent, Annick Menardo u. Jean-Claude Ellena, um nur einige zu nennen) selbst über ihren Werdegang und ihren Beruf, aber auch über sehr Privates.
Auch Isabelle Doyen ist mit von der Partie (p.51-77).
Ich habe den von ihr verfassten Text verschlungen und mich besonders über ihre Ausführungen zu diversen Inhaltsstoffen von "Nuit de B." gefreut, da ich es immer faszinierend finde, wenn Parfumeure ihre Arbeiten erklären.
Zudem gibt es einiges, was ich über Madame Doyen nicht wusste.
Eine Substanz hat es ihr nämlich seit ihrer Kindheit (so wie mir seltsamerweise auch) sehr angetan. Und das ist Galbanum. Das erste Parfum, das sie als Teenager trug, war "Vent Vert" von Balmain, geschaffen von der genialen Madame Cellier. Es enthält eine sehr starke Galbanumnote.
"Ich fand das faszinierend", schreibt Isabelle Doyen. (Alle folgenden französischen Passagen sind von mir übersetzt, da das Buch noch nicht auf Deutsch erschienen ist).
"Diese Faszination für Galbanum hat mich nie mehr verlassen. Übrigens, es stellte sich heraus, daß im Iran ein hervorragendes Galbanum produziert. Als ich später im Leben in Pakistan meinen Mann kennengelernt habe und ich erfuhr, daß er Iraner ist, habe ich ihm gesagt: 'Sie kommen aus dem Land des Galbanums!' Er wußte nicht, was das war und hat daher einfach "ja" geantwortet. ..
Es war klar, daß mein zukünftiger Ehemann dank dieses erdverbundenen Elements eine ganz besondere Aura besaß...".
Weiter schreibt sie, daß zu ihren ganz besonderen Lebensdüften "Chanel No. 19", "Mitsouko", "Miss Dior" und "Femme de Rochas" zählen. Natürlich enthalten diese Galbanum.
Eine weitere Assoziation zum Iran stellt ihre besondere Liebe zu Safran dar. "Safran ist meine älteste Dufterinnerung und weil sich alles überschneidet, ist auch der Safran so wie Galbanum ein Geruch, der mit dem Iran verbunden ist."
In "Nuit de B." finden sich Safran und Galbanum sofort beim Aufsprühen in der Kopfnote! Fantastisch.
Doch ganz besonders spannend wird der Duft durch die außergewöhnliche "Behandlung", die Doyen der Tuberose zukommen läßt. Auf Seite 63 des Buches "Les Parfumeurs" spricht sie von vier Träumen, die sie gerne realisieren wollte oder noch will.
"Einer meiner Träume ist es, mich in ein Feld von Tuberosen zu legen... und weil ich so gewisse kleine Obsessionen habe, würde ich mir wünschen, daß es fantastische iranische Tuberosen wären. Die Tuberose gehört zu den Blumen, die man noch nicht "zerstört" hat. Man hat sie noch nicht über alle Gebühr in Reinigungsmitteln eingesetzt, ganz im Gegensatz zum Flieder oder zum Maiglöckchen. Es gibt Blumen, die wirklich schon zu Karikaturen geworden sind, die uns abstoßen können, obwohl ein kleiner Zweig echtes Maiglöckchen für jene, die diesen Duft lieben, außergewöhnlich schön sein kann. Die Feinheit dieser "zerstörten" Düfte wiederherzustellen, das ist aus meiner Sicht eine der schwierigsten Übungen, die es gibt."
In "Nuit de B." findet sich eine sehr besondere Tuberose, eine, die selbst mir, die ich sonst kein großer Fan dieser Note bin, gefällt. Sie besitzt eine grüne, luftige Anmutung. Eine Tuberose, die ein wenig nach Wurzelwerk und Medizin riecht, aber auch Karotte und Iris evoziert. Das Galbanum ist sehr stark präsent, besonders zu Beginn, aber es zieht sich im Verlauf weiter durch den Duft, der dadurch einen gewissen grünen Vintagecharme bekommt.
Auch etwas Baumrinde und Birkenteer kann man erkennen, aber vor allem die Tuberose in ihrem völlig neuartigen, grünen, würzigen Gewand.
Auf die "Bakelit"-Assoziation vermag ich übrigens nicht einzugehen, da mir der Stoff nichts sagt und ich keine Erinnerung an den Geruch eines alten Röhrenradios oder eines Telefons aus Bakelit besitze.
"Nuit de B." ist anders als alle Parfums, die ich bisher gerochen habe. Wer sich für diesen Duft entscheidet, trägt etwas Neues, etwas, was vorher noch niemand jemals in dieser Form erschaffen hat.
Kein Wunder, daß der Duft verschiedene Preise gewonnen hat: "Prix de l'émotion de l'Olfactorama", "Expertenpreis der Fragrance Foundation Awards", "Independent-Preis bei den 'Art and Olfaction Awards' " im Jahre 2018.
Besonders spannend finde ich, daß "Nuit de B." sich letzten Endes auf zwei Meisterwerke der großen Germaine Cellier bezieht, nämlich auf "Vent Vert" (1945) und "Fracas" (1948).
Die kluge Isabelle Doyen tritt mit diesem herausragenden Werk daher aus meiner Sicht in die Fußstapfen der Germaine Cellier.
So schreibt Isabelle:
"Aber manchmal, für meinen Geschmack zu selten, wird man sich dessen bewußt, daß sich in einem ganz bestimmten Moment in einer Formel so etwas vollzieht wie MAGIE". (S. 68).
In "Nuit de B." passiert wirklich genau das.
P.S. "Serendipity: the occurence and development of events by chance in a happy or benificial way":
so glad I found this scent!
"Serendipity" - dieser Begriff, den man mit "glücklicher Zufall" übersetzen könnte, fiel mir ein, als ich mich mit "Nuit de Bakélite" und seiner Schöpferin Isabelle Doyen zum ersten Mal genauer beschäftigte.
Zu Weihnachten bekam ich von meiner französischen Freundin ein wundervolles Buch mit dem Titel "Les Parfumeurs" - dans l'intimité de grands créateurs de parfum" (Harper Collins, 2018).
Hier berichten zehn große Nasen (u.a. Thierry Wasser, Mathilde Laurent, Annick Menardo u. Jean-Claude Ellena, um nur einige zu nennen) selbst über ihren Werdegang und ihren Beruf, aber auch über sehr Privates.
Auch Isabelle Doyen ist mit von der Partie (p.51-77).
Ich habe den von ihr verfassten Text verschlungen und mich besonders über ihre Ausführungen zu diversen Inhaltsstoffen von "Nuit de B." gefreut, da ich es immer faszinierend finde, wenn Parfumeure ihre Arbeiten erklären.
Zudem gibt es einiges, was ich über Madame Doyen nicht wusste.
Eine Substanz hat es ihr nämlich seit ihrer Kindheit (so wie mir seltsamerweise auch) sehr angetan. Und das ist Galbanum. Das erste Parfum, das sie als Teenager trug, war "Vent Vert" von Balmain, geschaffen von der genialen Madame Cellier. Es enthält eine sehr starke Galbanumnote.
"Ich fand das faszinierend", schreibt Isabelle Doyen. (Alle folgenden französischen Passagen sind von mir übersetzt, da das Buch noch nicht auf Deutsch erschienen ist).
"Diese Faszination für Galbanum hat mich nie mehr verlassen. Übrigens, es stellte sich heraus, daß im Iran ein hervorragendes Galbanum produziert. Als ich später im Leben in Pakistan meinen Mann kennengelernt habe und ich erfuhr, daß er Iraner ist, habe ich ihm gesagt: 'Sie kommen aus dem Land des Galbanums!' Er wußte nicht, was das war und hat daher einfach "ja" geantwortet. ..
Es war klar, daß mein zukünftiger Ehemann dank dieses erdverbundenen Elements eine ganz besondere Aura besaß...".
Weiter schreibt sie, daß zu ihren ganz besonderen Lebensdüften "Chanel No. 19", "Mitsouko", "Miss Dior" und "Femme de Rochas" zählen. Natürlich enthalten diese Galbanum.
Eine weitere Assoziation zum Iran stellt ihre besondere Liebe zu Safran dar. "Safran ist meine älteste Dufterinnerung und weil sich alles überschneidet, ist auch der Safran so wie Galbanum ein Geruch, der mit dem Iran verbunden ist."
In "Nuit de B." finden sich Safran und Galbanum sofort beim Aufsprühen in der Kopfnote! Fantastisch.
Doch ganz besonders spannend wird der Duft durch die außergewöhnliche "Behandlung", die Doyen der Tuberose zukommen läßt. Auf Seite 63 des Buches "Les Parfumeurs" spricht sie von vier Träumen, die sie gerne realisieren wollte oder noch will.
"Einer meiner Träume ist es, mich in ein Feld von Tuberosen zu legen... und weil ich so gewisse kleine Obsessionen habe, würde ich mir wünschen, daß es fantastische iranische Tuberosen wären. Die Tuberose gehört zu den Blumen, die man noch nicht "zerstört" hat. Man hat sie noch nicht über alle Gebühr in Reinigungsmitteln eingesetzt, ganz im Gegensatz zum Flieder oder zum Maiglöckchen. Es gibt Blumen, die wirklich schon zu Karikaturen geworden sind, die uns abstoßen können, obwohl ein kleiner Zweig echtes Maiglöckchen für jene, die diesen Duft lieben, außergewöhnlich schön sein kann. Die Feinheit dieser "zerstörten" Düfte wiederherzustellen, das ist aus meiner Sicht eine der schwierigsten Übungen, die es gibt."
In "Nuit de B." findet sich eine sehr besondere Tuberose, eine, die selbst mir, die ich sonst kein großer Fan dieser Note bin, gefällt. Sie besitzt eine grüne, luftige Anmutung. Eine Tuberose, die ein wenig nach Wurzelwerk und Medizin riecht, aber auch Karotte und Iris evoziert. Das Galbanum ist sehr stark präsent, besonders zu Beginn, aber es zieht sich im Verlauf weiter durch den Duft, der dadurch einen gewissen grünen Vintagecharme bekommt.
Auch etwas Baumrinde und Birkenteer kann man erkennen, aber vor allem die Tuberose in ihrem völlig neuartigen, grünen, würzigen Gewand.
Auf die "Bakelit"-Assoziation vermag ich übrigens nicht einzugehen, da mir der Stoff nichts sagt und ich keine Erinnerung an den Geruch eines alten Röhrenradios oder eines Telefons aus Bakelit besitze.
"Nuit de B." ist anders als alle Parfums, die ich bisher gerochen habe. Wer sich für diesen Duft entscheidet, trägt etwas Neues, etwas, was vorher noch niemand jemals in dieser Form erschaffen hat.
Kein Wunder, daß der Duft verschiedene Preise gewonnen hat: "Prix de l'émotion de l'Olfactorama", "Expertenpreis der Fragrance Foundation Awards", "Independent-Preis bei den 'Art and Olfaction Awards' " im Jahre 2018.
Besonders spannend finde ich, daß "Nuit de B." sich letzten Endes auf zwei Meisterwerke der großen Germaine Cellier bezieht, nämlich auf "Vent Vert" (1945) und "Fracas" (1948).
Die kluge Isabelle Doyen tritt mit diesem herausragenden Werk daher aus meiner Sicht in die Fußstapfen der Germaine Cellier.
So schreibt Isabelle:
"Aber manchmal, für meinen Geschmack zu selten, wird man sich dessen bewußt, daß sich in einem ganz bestimmten Moment in einer Formel so etwas vollzieht wie MAGIE". (S. 68).
In "Nuit de B." passiert wirklich genau das.
P.S. "Serendipity: the occurence and development of events by chance in a happy or benificial way":
so glad I found this scent!
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