Neandertal Us 2020

Chizza
24.07.2021 - 08:09 Uhr
22
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Erinnerungen an längst Vergangene Zeitalter

Neulich im Museum wurde eine Sonderausstellung über den Neandertaler angeboten. Diese inkludierte auf Wunsch eine Führung und so ließ ich mich gerne berieseln was das Programm anging. Nachbildungen von bepelzten Jägern mit archaischen Speeren waren zu bewundern, Wilde Kreaturen - nicht nur die Neandertaler. Schon immer faszinierte mich die Rauheit längst vergangener Zeitalter, irgendwo auch die Rauheit der Natur, das wild wuchernde, hohe Gras beispielsweise. Das Besondere an dieser Führung war dass man auch Gerüche mit einbaute. So entstieg der Szenerie ein süßlicher, intensiver Grasgeruch: Vetiver. Auch wenn das regional nicht zwingend authentisch war, so war die Vielseitigkeit dieser Pflanze sicher beeindruckend.

„...und so fanden wir hier mysteriöse Höhlenmalereien die von einem Stamm der Neandertaler aufgezeichnet worden sind, welcher von dem sogenannten Baumkönig regiert worden ist und nach dem Ende seiner Regentschaft mit seinem Ableben ausstarb. Tragische Umstände führten hierzu.“
„Was ist denn passiert?“
„Nun, dieser spezielle Stamm musste mit der Verpaarung warten bis sich der Häuptling verpaart hatte und Nachwuchs geboren worden war. Leider litt der Häuptling - laut Inschrift ein Floid - unter Dendrophilie. So gab es keinen Nachwuchs.“
„Das...ist sonderbar...“
„Ja, man versuchte es sogar mit als Baum verkleideten Frauen aber Floid merkte dies. Es ist sehr schade denn zu seiner Zeit galt dieses Volk als Volk der Parfumkünste. So schufen sie auch dies, was Sie hier olfaktorisch wahrnehmen, extrahiert aus einem uralten Flakon.“

Interessiert atmete ich bedächtig ein. Es roch nach üppigen Vetiverfeldern, dabei aber nicht harsch. Eher leicht rauchig und saftig. Als hätte man einen Teil des Vetivers als Räucherwerk genutzt und dieser Hauch verfängt sich nun in im Boden verankerten und leicht feuchten Vetivern. Dieser Hauch, dieses Pendant zum sakralen Weihrauch, treibt immer weiter, Impressionen von Tierfell-behangenen Jägern und durch die Jagd in der rauen Wildnis gezeichneten Männern brechen sich cerebral Bahn. Der Vetiver scheint zu leuchten und auch wenn noch viele andere Ingredienzen mitschwingen, das Zentrum bildet nur diese Nutzpflanze.
Leicht pfeffrig wirkt es nun, irgendwie sublim spritzig, sehr distinguiert. Die Frische scheint auch vom Eukalyptus evoziert zu werden, was sicher damals sehr merkwürdig war. Dieser baumliebende Häuptling muss seinerzeit über extraordinäre Quellen verfügt haben.

„Sie scheinen im Duft ja richtig zu verharren, junger Mann!“, sagte die Dame, welche die Führung leitete.
„Ja...tatsächlich. Dieser Duft ist außergewöhnlich. Wie ist es überhaupt möglich dass man heutzutage noch davon weiß? Auf den Höhlenbildnissen erblicke ich lediglich einen Mann mit einer Krone der mit Bäumen zu kuscheln scheint. Und mehr aber das ist zum Glück nicht detailliert aufgezeichnet.“
„Nun, soweit wir das rekonstruieren können, scheinen die Stammesmitglieder vier unterschiedliche Düfte kreiert zu haben, geschaffen von diesem Floid. Diese gelangten durch Vermischung mit anderen Stämmen der Neandertaler schier überall hin. So fand man bei Überresten von Skeletten nicht selten neben der steinernen Speerspitze auch steinerne, Teilweise noch versiegelte flakonähnliche Gefäße. Diese enthielten Düfte respektive Reminiszenzen, Überbleibsel eben jener Düfte. Faszinierend, oder?“
„Und wie. Und wie....“

So schwelgte ich in der Entwicklung dieses Geruchs, welcher immer mehr zu Räucherwerk wurde, hierbei ambivalent agierte was nun auch an hinzugefügten, verräucherten Harzen lag. Tiefe gewann man durch den Duft moosbewachsener Hölzer verschiedener Baumarten. In solcherlei Mischwäldern war dieser Baumfreund also zuhause, der vorher dezent duftende Pelz nahm das olfaktorische Grün bereits an. Alles wurde Wald und man selbst zu Floid(?).
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