DeGe53
Hilfreiche Rezension
8
Swoon in the moonlight
Blöder Titel, ich weiss, aber mir fällt nichts anderes ein. Neil Morris wurde von der Verfilmung des Bestsellers "Das Parfum", explizit der Endszene, in der die Schaulustigen auf dem Hinrichtungsplatz in einen tranceähnlichen "Swoon" fallen, inspiriert. Sagt er.
Ich versuche das nachzuvollziehen, was ein wenig schwierig ist. Gleich zu Anfang die Orange (fast frisch gepresst) und leicht fruchtigen Noten symbolisieren wohl die freudige Erwartung auf eine Hinrichtung, mit der die feierlich herausgeputzten Gaffer um das erhobene Gerüst stehen, auf das Grenouille gebracht wird. Habt ihr alle den Film gesehen oder das Buch gelesen?
Relativ schnell witscht der Jasmin herbei, lässt dem Obst kaum Zeit sich zu entfalten. Und hier ist es wieder einmal ein leicht urinöser Jasmin, heftig, Katzenpipi-ähnlich. Manche Jasminkonzentrationen haben einfach diese Ausdünstung und man weiss nicht so recht, ob man es mag oder nicht. Wie kann man das in Bilder fassen? Hat Grenouille sein Tüchlein schon mit der Wundertinktur getränkt? Muss er wohl, die Menge beginnt unruhig zu werden, merkt, dass etwas vorgeht.
Der Duft mittlerweile auch. Dem Stinkie-Jasmin gesellt sich nun eine grün-erdige Note hinzu. Es wird immer komplizierter. Mit erdig meine ich wirklich so eine leicht angestaubte Note, aber gleichzeitig etwas leicht süßliches. Ich vermute hier den Einfluss des Geißblattes.
Neil hat es ja gerne, wenn seine Düfte wirbelig sind, so drücke ich das aus. Hier gibt es keine einheitliche, lineare Entwicklung. Die einzelnen Noten scheinen sich zu streiten, wer den nun Chef sein darf. Mal gewinnt der Jasmin, dann wieder das grün-erdige Zeugs (Philodendron, Tomatenblatt?) und immer wieder schwappt die leichte Pippinote sacht heran. Man erinnere sich an die Orgie und das wilde Treiben vor dem Schaffott!
Zur Ruhe kommt alles erst, als sich endlich die schönen Schlussnoten hervortun. Na ja, von hervortun kann man nicht direkt reden. Sie liegen wuschelig verschlafen auf der Haut, beruhigend fast. Hier tut sich nichts mehr hervor, alles ist eine schöne Melange, auch das Oud ist nicht so stark präsent, wie oft in Düften. Schnittlauch in einem Duft habe ich noch nie gesehen, geschweige denn gerochen. Das und Eichenmoos verhindern wohl, dass der Duft am Ende zu erdig oder holzig wird. Es ist eine keck-warme Mischung, frisch kann man das nicht nennen, aber auch nicht holzig oder Patchouli-lastig.
Die Morgenszene kommt in den Sinn, die Menschen liegen erschöpft verschlafen herum, übereinander, nebeneinander, so wie und wo sie nach den vorangegangenen Ausschweifungen eingeschlafen sind. Noch sind sie nicht ganz wach, räkeln sich wohlig, bevor sie realisieren was sie gemacht haben und sich verschämt aus dem Staub machen.
Ich denke, Neil hat damit diese Szene des Films ganz gut umgesetzt. Zugegeben, meine Phantasie kann eine rege sein und zugegeben, ich habe mich reingesteigert. Aber schön war's!