Aphrodisiaque

Jubel
17.02.2023 - 17:26 Uhr
4
10
Preis
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Der Duft Dorians - nicht seines Bilds

Eigentlich wollte ich Dir nicht antworten, nachdem Du mir, nach nicht ganz zwei Wochen, mit der Briefpost aus den Niederlanden expediert wurdest. Eine kleine Überraschung war schon das: Hatte ich Dich doch in Deinem französischen Heimatland beauftragt. Aber Du – Du selbst – erschienst mir keiner Antwort wert.

Nicht, dass Du mir missfallen hättest. Keineswegs. Du wurdest mir als Doppelgänger eines ganz Großen angepriesen und erschienst mir dann wie sein ruppiger Zwilling. Du, dachte ich, seist nicht so hübsch geraten wie er. Deine Züge, so erkannte ich Dich, seien lediglich eine holzschnittartige Maske, laienhaft von einem unbeholfen Bauern-Schnitzer dem wunderschönen Antlitz Deines berühmten Vorbilds abgenommen. Ein splittriger Abklatsch, in dem man lediglich erahnen könne, wie freundlich Du dreinzuschauen vermöchtest, wäre Dir zuteil geworden, womit jener andere reichlich gesegnet ist. Etwas mehr Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung, so sagte ich zu mir, kalten Herzes, und sicher wäre auch aus Dir etwas Großes geworden. So aber, fuhr ich zu mir selber fort, nicht. So nicht.

Während ich durchaus honorieren wollte, wie unprätentiös Du zu mir kamst, wie wenig es mich kostete, Dich mein nennen zu können, stellte ich Dich doch, gnadenlos, gedankenlos, für Wochen, ja Monate bei Seite, auf das dunkle Regal da, ohne Dich auch nur für den winzigsten Moment eines Augenblicks meiner Aufmerksamkeit zu würdigen. Du kamst, ich sah Dich und vergaß, dass es Dich überhaupt gibt. Das war, ich gestehe, nicht nett von mir. So hätte unsere Geschichte schon enden können, noch bevor sie begonnen hatte, überhaupt wahr zu werden, wäre mir nicht, ja – wäre mir heute nicht eine recht gemeine Begegnung widerfahren, die ich nur, ich gestehe es wiederum freiheraus, so schnell wie eben möglich, aus meinem olfaktorischen Gedächtnis zu streichen wünschte. Diesen fiesen Gestank zu tilgen, dachte ich. Diesen fiesen dunklen Gestank – eines Aschenbechers, nach einer langen, langen Nacht! Und da warst Du wieder, plötzlich, in diesem Moment, sah ich Dich, gerade Dich, direkt zu meiner Linken, griffbereit, das Nächste, Nächstliegende, und ich griff Dich – und sprühte, sprühte, sprühte.

Zunächst, ich möchte ehrlich sein zu Dir, ärgerte ich mich wieder: Dieses Gefühl in meiner Hand, wie Du dem leichten Druck meines Fingers ruckartig und stotternd nachgabst, das unschöne Geräusch, das Deine einfache Beschaffenheit mir dabei produzierte und dieser kleine lustlose Niesel, den Du als Reaktion absondertest, all das veranlasste mich nur wieder zu kalten, kalten Gedanken: über Deine Reizlosigkeit, Deine Einfachheit, Deine Grobheit. Doch dann, Du musst wissen, wie froh ich war, dass Du mir eine böse Grimasse verschleiertest, roch ich Dich sehr gern, auf einmal bereit, Dich ganz neu zu sehen. Da mochte ich es so, dass ich dankbar war, dass es Dich gibt.

Du, mein lieber Aphrodisiaque, scheinst mir nun, ja was, gereift? Kann das sein? Oder erkenne ich unter der Maske, die ich damals zu sehen glaubte, erst jetzt Deine wahren Züge, Deinen eigenen, erwachsenen, vielleicht erwachseneren Charakter, unverstellt von dem Vergleich mit dem anderen, der Du nicht bist und den zu sein Du mir auch niemals vorgegeben hattest. – Hatte ich Dich verkannt? Ich entschuldige mich, denn ich glaube, so muss es gewesen sein. Wie dumm und einfältig, wie unreif von mir. Du konntest nicht dafür! – Mit dem Bild dieses perfekten andern, dieses süßen Jünglings im Kopf, war ich kurzsichtig, zu kurzsichtig, um Deiner eignen Schönheit gewahr zu werden: Du bist mitnichten die holzschnittartige Maske dieses anderen, nicht der bös‘ dreinblickende Zwilling, nein, Du bist vielmehr eine ganz eigene Schönheit, im eignen Recht schön bist Du.

In Deiner Welt, in der es, ich weiß es sehr genau, um nichts, als Schönheit geht und auch gehen soll, möchte ich Dir schreiben: Dein Amber-Teint umspannt ein wohlgeschnittenes Antlitz, scharf gezeichnete Züge, ein hübsches, spitzes Gesicht, in das ich gerne Blicke. Jetzt sehe ich es, dass Du kein Zwilling bist. Ein Bruder bist Du – allemal, dem, mit dem Du dieselbe DNA teilst, dasselbe Blut! Aber eine Kopie bist Du nicht, ein Paradox - vielleicht. Bist Du doch älter und jünger als er zugleich: Bist Du zwar jünger als jener, hat das Leben Dich und Deinen süßen Honigmund doch mit größerer Schärfe gezeichnet; während der andere, der vor Dir war, für immer in das jugendliche, rundliche Bildnis seiner selbst gebannt ist, das eines narzissgleichen Bacchusknabens, gezeichnet von der Hand eines eifersüchtigen alten Meisters, bist Du, Sohn eines Sterblichen, in gewisser Weise mehr, mehr als er: das wahre, sterbliche Wesen selbst nämlich und nicht Abbild eines vollkommenen Abbildes. Du bist der Duft des Dorians – und nicht seines Bildes Duft.

Aphrodisiaque aus dem Hause Note 33 gilt als Dupe des beliebten Grand Soir. 57 Euro inkl. Versand im schlichten 50ml-Flakon. Die Umverpackung besteht lediglich aus einem Textillederbeutelchen, eine großzügige Probe im Roll-on-Flakon liegt bei. Ich empfehle – wärmstens – einen Test.
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