Serenissima
Top Rezension
10
Teepause während einer Radtour
Bekanntlich habe ich ein sehr gestörtes Verhältnis zum Atlantik: der ständige Wind schadet mir gesundheit und so wurde ein ärztliches "Atlantikverbot" ausgesprochen.
Das wäre nicht nötig gewesen: Wer begibt sich freiwillig in Bereiche, die ihm nicht guttun?
So stelle ich mie auch bei den stark maritimen Düften immer wieder die Frage, die ich zuerst hier bei "Olympéa" stellte: "Mag ich Dich oder mag ich Dich nicht?"
Und doch lässt mich meine Neugier immer wieder dem Duftpfad der Versuchung folgen: jetzt ist es "Osmarine" von Officina delle Essence, das versucht, mich in windige, sonnen- und duftdurchflutete Gefilde zu locken und von sich zu überzeugen.
"Osmarine" berichtet mir von einer Radtour auf einem der eindrucksvollen Cliffwege Cornwalls: Frau Pilcher lässt wieder einmal grüßen - ich grüße hiermit zurück!
Die Radwege dort, nach dem, was ich in einer Fernsehdokumentation sah (ja, ich sehe so etwas!), sind gepflegt und bieten dabei eindurcksvolle Ausblicke auf Meer, Felsen und kleine Sandstrände - und es ist dort sehr windig!
Das Meer ist bewegt und lässt weiße Schaumpferdchen auf seinen Wellenkämmen reiten. Das scheint beiden Spaß zu machen; fast hört man sie jubeln!
Eine sehr lebhafte Brise raschelt verspielt in den hohen zerzausten Palmenschöpfen; das hohe, von robusten Pflanzen durchzogene Gras tanzt im Wind.
Es ist ein Schwung aus der Gewohnheit heraus: in Bewegung ist hier alles!
Diesen vitalen Tanz verfeinern die Seemöwen; sie kreischen vor Vergnügen und haben immer ein Auge darauf, ob für sie eventuell ein Happen abfällt - es könnte ja sein!
Die Luft ist erfüllt vom lebendigen Meer: Salz, Mineralien, Tang und all dem, was der Wind so mit sich bringt.
Aber auch die gemütlichste Radtour verlangt nach einer Rast. Und nun ist nach Meinung von von "Osmarine" die Zeit dafür gekommen.
Eine Picknickdecke, viel benutzt und heiß geliebt, wird ausgebreitet und in Kenntnis des Windes an allen vier Ecken beschwert: auf eine wird der Korb mit dem kleinen Imbiss gestellt.
Eine große Thermoskanne enthält aromatischen Osmanthustee; diesen Tee mit dem besonderen Duft, der aus Blüten der Teehybriden gewonnen wird, die nur eine Nacht blühen.
Sein Geschmack ist etwas speziell, immer etwas dumpf und fremdartig. Ich mag ihn sehr!
Eine große Schüssel voll mit saftigen Himbeeren und einige sonnengereifte Süßorangen werden ausgepackt und beschweren so die sich immer wieder im Wind aufbäumende Decke.
Die Becher, voll mit noch heißem Tee, Schüsselchen mit einem Hauch von Bergamotte parfümierten Himbeeren, inzwischen mit einer gelb-weiße Vanillecremehaube bedeckt, duften verheißungsvoll und vermischen sich mit dem würzigen Wind vom Atlantik zu einer belebenden fruchtig-frischen Melange.
Nun wurden auch die süßen Orangen geschält und geben ihre Fruchtsüße großzügig ab.
Haare und Kleidung flattern im Wind; wir sind hier in Cornwall, die Sonne scheint und leichte weiße Wolken sind ziellos unterwegs - auf ihrer ewigen Reise nach Nirgendwo.
Ein in einem Dorf gepflückter großer Strauß weißen Jasmins, liegt fast vergessen am Deckenrand: der reife, noch herbe Duft dieses Weißblühers verleiht dieser maritimen Impression eine besondere Note.
"Osmarine" ist fruchtig-frisch und dabei leicht würzig; die Nähe des Atlantiks ist von Anfang an dominierend.
Damit dieses Duftgebilde aber nicht sofort vom Wind verweht wird, fügten kluge Duft-Handwerker gut abgemessene Dosen Moschus und die leichte Erdigkeit von Patchouli bei.
So malt "Osmarine" nicht nur sonnig grüne Würze direkt am Atlantik, sondern verbindet diesen sehr luftigen Duftgeist auch mit der Erde.
Für jeden Liebhaber der Atlantikküste und der ganz speziellen Würze von Wasser, Sonne, Wind und Leben, ist "Osmarine" sicher eine angenehme Abwechslung aus dem großen Kreis seiner Geschwisterkinder.
Salz auf der Haut, würziges Tee-Aroma, Frucht und sinnliche Bodenhaftung: was will man mehr?
Ich finde diesen Duft unterhaltsam, aber er ist mir auch zu unruhig - zu "windig"!
Seine kräftige Vitalität überfährt mich etwas und bringt mir so in Erinnerung, weshalb ich diesem Landstrich fernbleiben sollte.
Für diesen luftigen Duftwirbel ist "Osmarine" verhältnismäßig langlebig; hinterlässt bei mir zum Ausklang nur noch leicht aromatisches Salz.
So bedanke ich mich bei "Osmarine" für diesen netten Ausflug an die Küste Cornwalls mit den lebendigen Eindrücken.
Diese Abfüllung darf aber weiterreisen und findet so vielleicht jemanden, der die weite Umarmung des Ozeans mehr schätzt, als ich es kann.
Farewell, Osmarine!