Autoportrait 2011

Tom14
14.03.2014 - 08:07 Uhr
10
Sehr hilfreiche Rezension
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Metaphysische Kuscheldecke

Mit Kuscheldecken ist das so eine Sache. Mit Kuscheldüften ebenso. Aus Kuschel wird leicht Kitsch. Da man im Grunde jeden Duft als Decke bezeichnen könnte und da man – behaupte ich – ohne Kuscheldecke nicht existieren kann und folglich immer auf der Suche nach dem wahren Kuscheldeckenduft ist, erlebt man auch regelmäßig die große Enttäuschung: So gerne man sich einkuscheln will, so ungern will man sich einkitschen (lassen).

Unter Kitschverdacht steht AUTOPORTRAIT mit Sicherheit nicht. Der Duft wärmt auf die balsamisch harzige Weise. Eine unsüße, dunkle Wärme, wie man sie auch von HOMME SAGE (Divine) kennt oder von OM (Miller et Bertaux), wobei bei letzterem viel mehr Weihrauch mit im Spiel ist. Pudrig, wie manche schrieben, empfinde ich AUTOPORTRAIT gar nicht, ich finde ihn eher süffig. Und stets schimmert eine gewisse Herbheit durch, die den Moschus der Herznote erdet. Die Basis gehört zum Schönsten, was ich kenne. Hier verschmelzen Zeder, Moss, Vetiver und Harz zu einer sehr ausdauernden Einheit, die nie aus dem Gleichgewicht gerät.

Man hat mit AUTOPORTRAIT Bodenhaftung und ist zugleich schon fast jenseitig, dem Irdischen enthoben. Ob man diesen Zustand nun 'auf sich selbst zurückgeworfen' nennen mag oder sich eher einem transzendenten Ort überantwortet fühlt, spielt gar keine Rolle. In jedem Falle herrscht Harmonie und Einklang – mit sich selbst oder mit dem Kosmos oder mit beidem. Für mich ist AUTOPORTRAIT ein absolut gelungener Wurf, der die Extreme zusammenführt, der Erde und Himmel verbindet. Eine metaphysische Kuscheldecke, unter der man sich wunderbar verstecken und von der kalten Welt abschotten kann, aber die zugleich so durchlässig ist, dass man nie den Kontakt zu den oberen Sphären verliert.

Der Duft ist sehr ausdauernd und kann ohne Einbußen auch schwach dosiert werden.
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