Les Tourterelles de Zelmis 2017

Version von 2017
Stanze
24.04.2022 - 10:35 Uhr
20
Top Rezension
8
Sillage
8
Duft

Wer ist dieser Herr Zelmis?

Irgendwer sagte mal, dass Überschriften keine Fragen enthalten dürften. Jede Wette, dass mich gerade diese Aussage dazu animiert, Fragen als Überschriften zu benutzen. Aber jetzt ehrlich, wer ist dieser Herr Zelmis? Ich hab dann Google bemüht und es schlug mir erst vor, dass Zelmis eine Wohnanlage in Paris ist. Dann ethymologelte es mich zu einem abseitigen getischen Gott. Die Geten selbst sind etwas abseitige Vorfahren der Rumänen. Zelmis heißt demnach „verstecken“ und dieser Zalmoxis war ein Totengott, dem Opfer dargebracht wurden. Dazu würde ja passen, dass einige Parfumos diesen Duft als sehr düster empfinden. Aber denkste.. Ich hab mal das Gedicht gegoogelt, das auf der offiziellen Webseite steht und Google erklärte mir, dass es die erste Strophe eines Gedichtbandes von Jean Dorat (1508-1588) ist. Ein abseitiger Dichter also und das Gedicht heißt Les Tourterelles de Zelmis ('Die Tauben von Zelmis).

"Der Winter hört auf, die Natur zu betrüben.
Vögel singen auf dem Grün,
und denken an neue Liebschaften.
Süße Düfte kündigen schöne Tage an.

Aus den hohen Lüften Amor mit den Flügeln schlagend
schüttelt mit seiner Fackel Funken,
rundet das Gewölbe der Wäldchen ab
für die Liebenden erheben sich tausend Baldachine.“

Usw. Usf.

Ein Liebesgedicht also. Und wir denken an Trauer, Melancholie und dergleichen. 305 Seiten lang der erste Band. Okay, jetzt werde ich auch melancholisch. Und das übersetze ich auch garantiert nicht bis zum Schluss. Also keine Angst.

Den Tauben von Zelmis riecht man ihr Alter (16. Jahrhundert) nicht an. Ich rieche auch eigentlich kein Grün und wer weiß schon wie Funken riechen. Wälder und Baldachine kommen auch nicht drin vor. Vielleicht ist es eher die Erinnerung an jemanden, der das Gedicht vorgelesen hat. Eine Universitätsvorlesung mit einer schönen Kommilitonin neben sich oder einem schönen Kommilitonen. Eine verstorbene Geliebte, die einem das Gedicht als Liebesbrief schrieb in den 60er Jahren und heute ist das Papier ganz brüchig und riecht leicht nach Safran. Zwischen den brüchigen Papieren liegen getrocknete Rosenblätter und da überflutet einen die Erinnerung an den Rosenhag wo man sich traf, um irgendwelche Dinge zu treiben, die ich jetzt nicht näher ausführe. Ein bisschen Diskretion manchmal ist ja nicht schlecht.

Les Tourterelles de Zelmis riecht gleich in der Kopfnote sehr stark nach Rosengeranie. Dann wendet sich das Blatt und Safran lugt hervor. Ich fragte mich zuerst, was so metallisch riecht, bis ich auf der offiziellen Webseite nachschaute und da wurde mir einiges klar. Der leichte Wachsgeruch würde auch zu den alten Papieren passen. Vielleicht wurde der Brief mit Wachs versiegelt.

Ich finde den Duft toll, aber Oriza L. Legrand hat es mir eh total angetan. Die Firma hat natürlich mit einem Gedicht aus dem 16. Jahrhundert noch mehr bei mir gepunktet. Die wissen, wie sie mich rumkriegen.

Familiärer Tester M findet es nicht so toll. Er wartet immer auf das Erscheinen von Synthetik, wie er sagt. Was aber gar nicht passiert. Die Sillage ist zu Beginn sehr stark, geht dann aber auf Normalmaß zurück.

Man kann Les Tourterelles de Zelmis immer tragen. Das ist jetzt ein bisschen enttäuschend, gell? Man kann es tragen, wenn man ein bisschen seltsam ist und ein Anhänger des Gottes Zalmoxis. Dann sollte man aber von Menschenopfern absehen, die moderne Gesellschaft hat da nicht mehr wirklich Verständnis für. An der Uni kann man es auch tragen, zum Beispiel, wenn man französische Sprache studiert. Verliebte können es zwar tragen, aber "to love is to lose“ (’zu lieben bedeutet zu verlieren’). Es bleibt doch etwas Melancholie. Wenn man sich ganz der Freude hingeben will, dann muss man halt zu einem anderen Parfum greifen. Ich weiß auch nicht, zu welchem Parfum. Ich bin da nicht die Spezialistin.

Dank an R3mt9, die herausfand, dass Jean gar nicht der Schuldige ist an diesem Gedicht, sondern vielmehr Claude-Joseph Dorat geboren am 31. Dezember 1734 in Paris wo er auch starb am 29. April 1780. Er ist international ziemlich unbekannt im Gegensatz zu Jean, der wahrscheinlich im Grabe rotiert, weil ich ihm diesen Schund zugeordnet habe. 18. Jahrhundert ist mir auch recht, wenn mir auch 16. rechter gewesen wäre. Aber das Gedicht ist trotzdem lang. 9 Seiten ist nur der "erste Gesang". Und dazu bin ich immer noch zu faul.
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