Fast fertig steht er vor dem raumhohen Spiegel. Die Samthose schillert in dunklem grün. Weiße Seidenstrümpfe und schwarze Lederstiefel, auf Hochglanz poliert. Die Weste spannt etwas, daran ist schnell nichts mehr zu ändern, aber die Silberkette der Taschenuhr harmoniert sehr gut mit den schweren Knöpfen des Jackets. Der Bart ist gezwirbelt, die Locken gelegt. Die Brillantine zaubert einen harzigen Schimmer ins Haar.
Die Visitenkärtchen liegen bereit, sie sind sepiabraun. Auf ihnen steht geschrieben, in schwungvollen Script:
- Mode ist so unerträglich häßlich, daß wir sie alle Halbjahre ändern müssen. - (Oscar Wilde)
und
- Bei Mode geht es darum, Sachen zu tragen, die einem stehen. - (Vivienne Isabel Westwood)
Die wird er gleich mit einem freundlichen, wenn auch leicht verächtlichen Lächeln, den Menschen auf der Straße überreichen. Diesen Jogginghosenträgern mit Bierbäuchen, den Schlabberpulliproleten, Tennissockenfetischisten, Adilettenschlurfern und allen anderen, die wahren Geschmack nicht von einem Kartoffelsack unterscheiden können und sich dann damit auch noch auf die Straße trauen.
Es fehlen nur noch zwei Spritzer Parfum, es ist seine Maske und sein Schild, und er ist bereit, er ist wieder für einen Abend Dandy Boy.
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Zuerst einmal gestehe ich, dass ich ein Fan von Oriza L. Legrand bin, auch wenn ich erst zwei Düfte davon getestet habe. Das aufleben lassen vergessener Düfte verdient per se schon Respekt und wenn es so zeitlose Düfte wie hier hervorbringt noch einmal mehr. Die Rezeptur geht auf ein Dandy-Parfum des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurück und ist trotzdem auch heute noch (oder auch heute wieder) sehr gut tragbar, nicht nur für Dandys.
Lavendel ist meine zweitliebste grüne Note (nach Vetiver). Als Hauptdarsteller macht er es mir aber nicht gerade leicht, ihn zu lieben, kommt er doch oft sehr hell-floral, sanft und auch süß daher. Die Gefahr besteht hier zum Glück kaum. Scotch Lavander startet knarzig und dunkel. Thymian sorgt für würzige Spitzen, von der Bergamotte nehme ich nur eine leicht bittere Schale wahr. Das hat etwas medizinisches, zumal auch ein alkoholische Note mitschwingt. Nach 20 Minuten legt sich der medizinische Eindruck und ein paar Blüten kommen mit rein. Später sorgt dann noch Vetiver für etwas Frische, der Lavendel bleibt aber immer bestimmend.
Von der Art des Lavendels erinnert mich der Duft an
Wild Lavender, der einen ähnlich dunklen, wilden Start hinlegt, aber leider nach kurzer Zeit sehr sanft und mild wird. Das schöne am Scotch Lavander ist für mich, dass er seine eher dunkle Grundstimmung relativ lange beibehält. Grund dafür sind sicherlich die Harze (Benzoe, Amber) die den Lavendel unterstützen. Benzoe ist dabei sehr deutlich und bringt eine balsamische Note, eine Portion Süße und auch leichte Schokonoten, aber keine Vanille mit. Wenn man Benzoe nicht mag, ist das definitiv nicht der richtige Duft.
Die Harze sorgen auch für eine recht warme Stimmung, wodurch er für mich auch gut ganzjährig tragbar ist, außer vielleicht im Hochsommer. Gegen Ende kommt verstärkt die Tonkabohne durch (zum Glück ohne ihre liebste Horrorpartnerin, die Vanille) und das macht den Duft noch etwas süßer und gibt ihm eine ganz leichte Marzipannote. Hätte es nicht gebraucht, stört mich jetzt aber auch nicht arg. Die Süße ist auch bei diesem Lavendel deutlich, aber nicht so stark wie bei anderen wie "Pour Un Homme de Caron (Eau de Toilette) | Caron". Die Haltbarkeit liegt bei ca. 6 Stunden auf der Haut, auf Textil nehme ich ihn auch nach 9 Stunden noch wahr.
Jedem, der nicht ein Dandy Boy sein will (so wie ich) und der gerne in der Öffentlichkeit mit Jogginghose und Schlabberpulli rumläuft (so wie ich nicht) sei gesagt: auch das ist in Ordnung. Wohler fühlt sich der Duft aber sicher mit einem Hemd, das könnte aber auch nur an mir liegen...
- Mode ist das, was man selber trägt. Geschmacklos ist das, was andere tragen. - (Oscar Wilde)