„The Four Corners of the World“ ist eine Serie von vier Düften des Hauses Ormonde Jayne aus dem Jahre 2012, die uns auf eine Weltreise mitnehmen soll. „Montabaco“ steht dabei für Lateinamerika, dessen Sinnesfreude und Temperament. Linda Pilkington, Ormonde Jaynes Gründerin und Macherin, wählte als zentrale Noten Tabak, genauer gesagt Tabakblätter, Holz, Leder und Wildleder. Diese Informationen zu „Montabaco“ sind in Linda Pilkingtons Blog nachzulesen. Ich muss gestehen, dass ich noch nie in Lateinamerika war und die Bilder in meinem Kopf sind daher geprägt von Erzählungen, Büchern, Filmen und persönlichen Begegnungen mit Freunden aus dieser Region. Zu meinen verschwommenen, klischeehaften Bildern rund um Rum, Zigarren, Pampa mit Rindern und ganz viel Lebensfreude passen die gewählten Noten durchaus. Entspricht das Parfum auch meinen Bildern? Ob Linda Pilkington auch auf solche Bilder hätte kommen können ohne eine Reise als Inspirationsquelle? Und falls ja – hätte sich das positiv auf den Preis ausgewirkt? Nun, ich möchte nicht vorgreifen.
Als Parfumeur wählte Linda Pilkington – nicht zum ersten Mal – Geza Schön. Der sagte im Interview, dass er gerne für Pilkington Parfums entwerfe, weil es weniger Auftrags- als inspirierende Zusammenarbeit sei. Was entsteht bei so einer Zusammenarbeit? Auf der einen Seite Geza Schön, interessiert an abstrakten, schwer greifbaren Noten, denen er in aufgeräumten Pyramiden, mit wenig Kopf- zu Basisentwicklung Raum zu Entfaltung gibt. Auf der anderen Seite Linda Pilkington, die bei aller Modernität ihre Verbundenheit zur englischen Dufttradition nicht verhehlen kann und will. Die Blütennoten mag, was nicht so Geza Schöns Metier ist.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf testete ich „Montabaco“. Schon beim ersten Tragen war ich sehr angetan von diesem Duft und dessen Spiel um eine zentrale Tabakblattnote. Ja, da ist viel Geza Schön drin, aber nicht nur. Um dieses „nicht nur“ greifen zu können, musste ich das Parfum mehrmals tragen und beim Blick zurück auf den Duftverlauf erkenne ich eine Fougèrestruktur. Andere Parfumonasen, die bei Fougère nicht unmittelbar an Vati und seine Generation denken, hätten es sicher schneller erkannt. Fougère, diese abstrakte Nachstellung von Farn, die das Grüne, Krautige mit einer Kopfnote um Lavendel aufgreift und mit dem Duftverlauf dann langsam den Farnstengel herunter läuft bis zum moosigen, bittersüßen Waldboden um Cumarin und Eichenmoos.
Die Rolle des Farns übernimmt hier das Tabakblatt, was sich durch den ganzen Duft zieht. Diese Tabaknote startet grün, herb und frisch mit einem Geza-Schön-typischen Kontext von Kardamom - inklusive seiner grünen Schale - und einer Wacholdernote mit zitrischem Einschlag, die sehr an einen prickelnden, fröhlichen Gincocktail erinnert. Die Rolle des Lavendels wird hier aufgenommen durch Muskatellersalbei, was olfaktorisch eine erhebliche Schnittmenge mit Lavendel hat (und die chemische Zusammensetzung übrigens auch). Muskatellersalbei ist weicher und sticht nicht so aus Kompositionen heraus wie Lavendel. Darüber hinaus hat er Facetten, die an Tabak erinnern – somit ein passender Start für ein Parfum rund um eine Tabaknote. Wenn sich Gin-Cocktail und Kardamom etwas zurück ziehen, wird „Montabaco“ runder und ein blumiges Herz kommt zum Vorschein. In klassischen Fougères wird gerne die frische, etwas spitze Geranie eingesetzt, um das allzu Krautige etwas abzumildern. Die Blumennote hier kann ich nicht explizit einer Pflanze zuordnen, es ist für mich eher eine abstrakte Note: frisch und strahlend wie Geranie, dabei aber sehr, sehr weich wie üppigere, dickfleischige Blüten und dabei trocken, was in der Pyramide mit Tee umschrieben wird. Diese Verbindung von strahlend und weich roch ich erst vor kurzem in Kurkdjians „Aqua Vitae“, einem Parfum rund um Hedion. So vermute ich auch in „Montabaco“ eine große Dosis dieser Substanz, hier allerdings deutlich blumiger inszeniert und mit der weiter dominierenden Tabaknote korrespondierend. Die blumige Phase ist eher kurz und der Duft wird immer weicher und gewinnt an Süße, durch die klassischen Fougèrekomponenten Cumarin (Tonka) und Eichenmoos. Dabei bewahrt er aber eine fröhliche, animierende Frische, die mir ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und sehr meinem Klischee vom lebenslustigen Lateinamerika entspricht. Ich meine, etwas Ledriges zu vernehmen, und habe dabei verschiedene Bilder im Kopf: einmal eine dezidierte Leder- und eine Tabaknote nebeneinander, ein anderes Mal ein Bild von fermentierten, noch feuchten und daher ledrigen Tabakblättern, die gleich als Deckblätter um einen Zigarrenrohling gerollt werden. Und so schließt sich der Kreis: während im Duftverlauf eines klassischen Fougère die Facetten des Farns von der Blattspitze bis zur Wurzel abgebildet werden, ist es in "Montabaco" das Tabakblatt von frisch und grün bis fermentiert und braun.
Die Haltbarkeit ist gut, aber nicht überragend (so um die 10 Stunden), die Sillage durchlässig, dabei aber durchaus weittragend. Mit deutlichem Hautabstand gesellt sich riechbar Iso E Super zum Geruchseindruck hinzu. Es gibt viele Parfums mit einer präsenten Tabaknote, gerade für Herren, aber so unbeschwert und fröhlich wie hier hatte ich noch keinen Tabakduft vor der Nase. Riechend nachvollziehbar ist hier zu erkennen, dass „Montabaco“ in Teamarbeit entstanden ist, mit deutlichen Einflüssen von Geza Schön und Linda Pilkington.
Einen großen Wermutstropfen bei diesem ausgesprochen schönen Tabakparfum gibt es aber: es wird nur als 120-ml-Flakon angeboten, und da britische Parfumhäuser in ihrer Preisgestaltung nicht zum Understatement neigen, müssen dafür 300 Euro bezahlt werden.