11.03.2014 - 14:44 Uhr
Gaukeleya
109 Rezensionen
Gaukeleya
Top Rezension
44
Das Frauengeheimnis
Tsarina hatte ich dank der für mich interessant anmutenden Duftpyramide auf meiner Merkliste. Früchte, Blumen, Gewürze, Wildleder und Moschus — das klang sehr, sehr gut. Durch Tom Fords White Suede und Andrea Maacks Smart auf die für mich sehr attraktive Zusammenkunft von Blüten an Wildleder konditioniert, wollte ich Tsarina unbedingt probieren.
Der liebe ParfumAholic war so nett, mir eine überaus grosszügige Abfüllung zum Testen zukommen zu lassen — ich danke Dir sehr, lieber PA! :-)
Und ich testete unverzüglich.
Tsarina ist ein Duft, der sofort eine Assoziation bei mir hervorruft. Kaum aufgetragen, stehe ich als Kind im Schlafzimmer meiner Eltern, unbeobachtet, und mache heimlich Schubladen und Schränke auf und fange an zu schnüstern. Das ist nicht gern gesehen, wird aber bis zu einem gewissen Grade toleriert — oder aber ich bin so geschickt, dass es keiner bemerkt, was ich da so treibe.
Die Schubladen mit Mutters Sachen sind immer viel interessanter als die vom Vater. Vollgestopfter. Kleinkram aller Art, Broschen, Kugelschreiber, Notizzettel, Parfümproben ;-), Stofftaschentücher lagern hier unbekümmert und ein bisschen durcheinander neben Fieberthermometer, Schmerzzäpfchen und Heftpflastern.
Das Interessanteste von allem aber ist SIE:
Mutters Handtasche. Das Innenleben der Handtasche einer Frau: nach wie vor eines der grössten Geheimnisse der Menschheit. Sie steht neben Mutters Bett, wie immer, wenn sie zu Hause ist. Die Tasche ist sehr dick, eher ein grosser Lederbeutel, abgewetzt, prall gefüllt und sehr, sehr schwer. Ich lausche nach unten in die Küche, Mutter kocht, sie wird erstmal nicht nach oben kommen, das schaffe ich bestimmt, wenn ich rasch die Tasche mal aufmache und reingucke. Ich öffne die Tasche.
Sofort entströmt ihr der so typische Geruch: alkoholische Tinkturen, nämlich die der Allzweckwaffen meiner Mutter: einer Flasche Carmol und einem Fläschchen Baldrian, dazu parfümierte Taschentücher, Spuren eines ausgelaufenen, eingetrockneten Kugelschreibers, das zuckerpudrige Olfaktorium von Schüßler-Salzen, eine versprengte Mischung von in ihrem Einwickelpapier durchgelegener Hustenbonbons auf dem Taschenboden, ein fast schon ranziger Lippenstift (immer in Rostrot), und über allem schwebt der Geruch des alten, cognacbraunen, weichen Leders ihrer Tasche und des abgegriffenen Portemonnaies.
Ich probiere den Lippenstift vor dem Spiegel aus. Er schmeckt etwas alt und schmiert, sieht an meinen Kinderlippen komisch aus, und die Kappe schliesst auch nicht mehr gut. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Dann probiere ich eine gepresste Tablette Schüßler-Salz, mmmh, die sind lecker! Gleich noch eine, merkt ja keiner, die Dose ist gross genug. Aaaah, und Carmol erfrischt immer, das fegt das Gehirn durch beim Einatmen, aber auch innerlich angewendet ein Garant für baldiges Wohlergehen bei Leiden aller Art, so die Meinung meiner Mutter - und wird deshalb in der grossen 100ml-Flasche zeitlebens mitgeschleppt in ihrer Handtasche.
Huch, Mutter ruft von unten, schnell schnell alles wieder in die Tasche stopfen, noch rasch die Lippen mit einem der überlagerten, parfümierten Taschentücher abgewischt und unschuldig wie ein Reh gemächlich nach unten gehen... Mutter hat nichts bemerkt.
Tsarina riecht exakt wie Mutters Taschenkonglomerat. Der Auftakt erscheint mir fast etwas aldehydisch-stechend, ein wenig altbacken, ein wenig würzig, ein wenig säuerlich, ein wenig pudrig. Rasch gesellt sich das Leder dazu, welches sich von nun an dominant durch den Duft zieht, es ist hellbraun und weich und dünn wie Mutters durchgescheuerte Tasche. Doch die spezielle, leicht süssliche, leicht würzig-fruchtig-blumige Note bleibt gleichsam erhalten und ändert sich nur wenig. Über allem schwebt etwas Alkoholisches.
Im Verlauf wird Tsarina runder und weicher, gesetzter, aber auch schnell schwächer, und kommt schliesslich in einer Basis an, die mich an die Düfte erinnert, die meine Mutter in den frühen 70er Jahren eben so trug - Fashion von Léonard z.B. oder auch Calèche.
Tsarina hat etwas rührend Altmodisches, denn trotz seines, hm, „vintage“ Duftcharakters wirkt er ein bisschen schüchtern, er ist relativ hautnah und mit ca. 4-5 Stunden nicht sonderlich lange haltbar, trotz der sich haftfest zu lesenden Basis. Für mich ist er nicht wirklich geschaffen (tut mir sehr leid, lieber ParfumAholic), aber ich habe die kleine Zeitreise, die er mir beschert hat, doch genossen.
Übrigens: auch *ich* habe meine dicke, schwere Handtasche immer neben meinem Bett liegen zu Hause —- über ihr Innenleben schweige ich mich aber an dieser Stelle aus ;-)
Der liebe ParfumAholic war so nett, mir eine überaus grosszügige Abfüllung zum Testen zukommen zu lassen — ich danke Dir sehr, lieber PA! :-)
Und ich testete unverzüglich.
Tsarina ist ein Duft, der sofort eine Assoziation bei mir hervorruft. Kaum aufgetragen, stehe ich als Kind im Schlafzimmer meiner Eltern, unbeobachtet, und mache heimlich Schubladen und Schränke auf und fange an zu schnüstern. Das ist nicht gern gesehen, wird aber bis zu einem gewissen Grade toleriert — oder aber ich bin so geschickt, dass es keiner bemerkt, was ich da so treibe.
Die Schubladen mit Mutters Sachen sind immer viel interessanter als die vom Vater. Vollgestopfter. Kleinkram aller Art, Broschen, Kugelschreiber, Notizzettel, Parfümproben ;-), Stofftaschentücher lagern hier unbekümmert und ein bisschen durcheinander neben Fieberthermometer, Schmerzzäpfchen und Heftpflastern.
Das Interessanteste von allem aber ist SIE:
Mutters Handtasche. Das Innenleben der Handtasche einer Frau: nach wie vor eines der grössten Geheimnisse der Menschheit. Sie steht neben Mutters Bett, wie immer, wenn sie zu Hause ist. Die Tasche ist sehr dick, eher ein grosser Lederbeutel, abgewetzt, prall gefüllt und sehr, sehr schwer. Ich lausche nach unten in die Küche, Mutter kocht, sie wird erstmal nicht nach oben kommen, das schaffe ich bestimmt, wenn ich rasch die Tasche mal aufmache und reingucke. Ich öffne die Tasche.
Sofort entströmt ihr der so typische Geruch: alkoholische Tinkturen, nämlich die der Allzweckwaffen meiner Mutter: einer Flasche Carmol und einem Fläschchen Baldrian, dazu parfümierte Taschentücher, Spuren eines ausgelaufenen, eingetrockneten Kugelschreibers, das zuckerpudrige Olfaktorium von Schüßler-Salzen, eine versprengte Mischung von in ihrem Einwickelpapier durchgelegener Hustenbonbons auf dem Taschenboden, ein fast schon ranziger Lippenstift (immer in Rostrot), und über allem schwebt der Geruch des alten, cognacbraunen, weichen Leders ihrer Tasche und des abgegriffenen Portemonnaies.
Ich probiere den Lippenstift vor dem Spiegel aus. Er schmeckt etwas alt und schmiert, sieht an meinen Kinderlippen komisch aus, und die Kappe schliesst auch nicht mehr gut. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Dann probiere ich eine gepresste Tablette Schüßler-Salz, mmmh, die sind lecker! Gleich noch eine, merkt ja keiner, die Dose ist gross genug. Aaaah, und Carmol erfrischt immer, das fegt das Gehirn durch beim Einatmen, aber auch innerlich angewendet ein Garant für baldiges Wohlergehen bei Leiden aller Art, so die Meinung meiner Mutter - und wird deshalb in der grossen 100ml-Flasche zeitlebens mitgeschleppt in ihrer Handtasche.
Huch, Mutter ruft von unten, schnell schnell alles wieder in die Tasche stopfen, noch rasch die Lippen mit einem der überlagerten, parfümierten Taschentücher abgewischt und unschuldig wie ein Reh gemächlich nach unten gehen... Mutter hat nichts bemerkt.
Tsarina riecht exakt wie Mutters Taschenkonglomerat. Der Auftakt erscheint mir fast etwas aldehydisch-stechend, ein wenig altbacken, ein wenig würzig, ein wenig säuerlich, ein wenig pudrig. Rasch gesellt sich das Leder dazu, welches sich von nun an dominant durch den Duft zieht, es ist hellbraun und weich und dünn wie Mutters durchgescheuerte Tasche. Doch die spezielle, leicht süssliche, leicht würzig-fruchtig-blumige Note bleibt gleichsam erhalten und ändert sich nur wenig. Über allem schwebt etwas Alkoholisches.
Im Verlauf wird Tsarina runder und weicher, gesetzter, aber auch schnell schwächer, und kommt schliesslich in einer Basis an, die mich an die Düfte erinnert, die meine Mutter in den frühen 70er Jahren eben so trug - Fashion von Léonard z.B. oder auch Calèche.
Tsarina hat etwas rührend Altmodisches, denn trotz seines, hm, „vintage“ Duftcharakters wirkt er ein bisschen schüchtern, er ist relativ hautnah und mit ca. 4-5 Stunden nicht sonderlich lange haltbar, trotz der sich haftfest zu lesenden Basis. Für mich ist er nicht wirklich geschaffen (tut mir sehr leid, lieber ParfumAholic), aber ich habe die kleine Zeitreise, die er mir beschert hat, doch genossen.
Übrigens: auch *ich* habe meine dicke, schwere Handtasche immer neben meinem Bett liegen zu Hause —- über ihr Innenleben schweige ich mich aber an dieser Stelle aus ;-)
20 Antworten