Chnokfir
12.09.2021 - 13:28 Uhr
27
Top Rezension
4
Preis
1
Flakon
5
Sillage
8
Haltbarkeit
4.5
Duft

Kein "Domo arigato misuta Robotto"

Man kann es nicht anders sagen, ich wurde olfaktorisch durch italienische und spanische Duft-Klassiker geprägt. Einer davon ganz klar "Paco Rabanne pour Homme" - ein Duft, so alt wie ich, klassisch, grün, würzig, ein wenig Barbershop, einfach nur wundervoll. Seitdem freue ich mich über jede Neuerscheinung aus jenem Haus. Der frischere "Paco Rabanne pour Homme Eau" wurde dann auch über einige Jahre bis zu seiner Einstellung zu meinem Signaturduft. Doch je mehr Kunststoff seit dem Millennium in den einzelnen Flakons verbaut wurde, desto weniger konnte ich auch mit den jeweiligen Düften anfangen. Aber ich war mir sicher, auch Phantom muss getestet werden, jeder bekommt seine gerechte Chance.

Der eigens für diesen Duft aufgestellte Aufsteller war bei Douglas dann auch kaum zum übersehen. Darauf einige silberne Kartons mit dem grossen Namen und dem etwas kleineren Roboter darauf. So weit, so schlicht, alles noch annehmbar. Daneben diskutieren zwei Verkäuferinnen hektisch, eine spielt mit einem Flakon herum, besser gesagt, mit seinen Einzelteilen. Scheinbar würde dieser knuffige, kleine Spielzeugroboter aus Fernost nicht einmal die erste Stunde aufgeregten Spielens nach dem Auspacken unter einem Christbaum überleben. Abgebrochene, scharfkantige und spitze Einzelteile, eine Kollegin eilt mit einem neuen Tester herbei. Ich befingere den neuen Roboter: Ja, scheint eine dünnwandige Kunststoffkonstruktion derjenigen Sorte zu sein, die gerne und schnell einmal brechen. Obwohl der Zerstäuber einen ziemlich guten Eindruck erweckt, stelle ich mir doch die Frage, ob das ein Refill sein soll, der längere Zeit halten wird? Wer ein Faible für japanische Science-Fiction der 1950er und 1960er mit den dazugehörigen Filmen und Spielwaren hat, der wird an diesem Flakon kaum vorbei kommen und ihn in der Vitrine platzieren.

Zwei Sprüher auf den Handrücken und ich stelle mir umgehend die Frage, ob ich mich nicht besser gleich rituellen Waschungen unterziehen möchte. Wenige Minuten später auf offener Strasse will mich meine Frau mit Gewalt ins nächste Kaufhaus zerren, um diese Prozedur höchstpersönlich auf der Kundentoilette an mir auszuführen.

Mit dem ersten Schwall überkommt einem eine satte Ladung süsser Fruchtigkeit, die binnen Minuten in eine fruchtige Süsse umschlagt und von einer leichten metallischen Note von Lavendel begleitet wird. Alles halb so wild, wäre da nicht ein Akkord, nein, ein Crescendo an klebrig-süssen Akkorden, die sich zu einem Fortissimo Forte aus Patchouli, Vanille und wahrscheinlich auch Tonka aufbauen. Wäre vielleicht auch nicht so schlimm, wäre dies nicht alles auf einmal, so intensiv, in seiner Ausprägung so synthetisch vehement und vor allem durch so viele andere Designer-Düfte in dieser oder ähnlicher Zusammenstellung bereits so bekannt. Nein, dieser Duft bietet wahrlich nichts neues, auch nicht in der Kombination seiner einzelnen Noten.

Ein "Phantom" soll dieser Duft sein, also ein Trugbild, ein Gespenst. Folglich eher eine leichte Erscheinung. Doch dafür ist dieser Duft mit dem Anfangsakkord viel zu intensiv, zu laut, zu beherrschend. Da sich die Früchte jedoch sehr schnell hinter Patchouli und Vanille verstecken, schwillt der Anfangsakkord einigermassen schnell ab, die gewohnte, leicht orientalische Süsse bleibt. Sie belästigt weniger die eigene Nase, wahrscheinlich stellt sich aus Gründen des Selbstschutzes eine gewisse Gewöhnung ein. Für die Umwelt bleibt er jedoch noch länger deutlich jenseits der Armlänge ebenso deutlich süss wahrnehmbar. Ich attestiere dem Duft eine heutzutage beeindruckend überdurchschnittliche Haltbarkeit von über 12 Stunden und auch am kommenden Morgen kann man noch süsse Reste auf der Haut erschnuppern.

Nein, mir gefällt der Duft nicht. Zu süss, zu synthetisch, zu plakativ, zu nervig. Doch scheint es seit einigen Jahren genau das zu sein, was so viele vornehmliche junge Männer bei so vielen Designer-Düften suchen. Wer sich also bei "Invictus" und "1 Million" und seinen zahlreichen Flankern und Freunden zu Hause fühlt, der sollte auf jeden Fall auch "Phantom" probieren.

Ein "Domo arigato misuta Robotto" will mir bei dieses Parfum nicht über die Lippen kommen, weder für den Duft, noch für den Flakon. Aber wahrscheinlich haben die Maschinen bereits die Welt übernommen, doch an mir altem Mann ging das mal wieder komplett vorüber. Muss demnächst unbedingt "Matrix 4" schauen, rote oder blaue Pille ...
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