MilaMint
07.08.2016 - 11:52 Uhr
29
Top Rezension
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Der wildeste Duft aller Zeiten

Wann immer ich Anubis begegne, habe ich das Gefühl, diesen Duft nicht bloß zu riechen, sondern ihn zu schnüffeln, ja mir regelrecht reinzuziehen! Und dann warte ich kurz, ob sich meine Augen verdrehen (vor Entzücken, ja!), mein Puls schneller schlägt (etwas!) oder ich plötzlich schöne, bunte Bilder sehe (ja, auch das, aber die Bilder sind eher dunkel!). Anubis ist neben Maai von Bogue Profumo der wildeste Duft, den ich kenne.
Um wieder ein bisschen runter zu kommen, kurz etwas über die Frau hinter Papillon Perfumery: Die Britin Liz Moores hat sich das komponieren von Parfums durch mehrjähriges Experimentieren selbst beigebracht, seit 2014 fünf Düfte lanciert, und Anubis war ihr Debüt. Wie auf "Fragrantica" nachzulesen, wählte sie den Namen des altägyptischen Gottes der Mumifizierung, weil er zahlreiche Inhaltsstoffe enthält, die auch beim Einbalsamieren verwandt wurden und sie das Parfüm, bis es sich richtig anfühlte, so oft überarbeitete, dass sie das schon fast an Reinkarnation erinnert.
Sie lehnt sich in ihren Kreationen an die Klassiker an und schafft dabei gleichzeitig etwas Neues und Modernes.
Mich befördert Anubis nach dem ersten Aufsprühen an ein Lagerfeuer. Es ist schon fast verloschen, aber an manchen Stellen glimmt es noch, riecht nach heißer Kohle, Asche und Holz. Das alles wirkt sehr kraftvoll, aber auch rund und weich. In meiner Vorstellung sitzt man nicht ruhig und gemütlich um das ausgegangene Feuer, sondern sattelt bereits die Pferde und klopft sich die Erde von der Hose, um zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Neben den rauchigen Noten riecht es am deutlichsten nach Leder und Erde.
Was ihn für mich auch wild macht, ist der Eindruck, dass die einzelnen Noten in einem rasanten Tempo wechseln. Als wäre alles Aufbruch und Bewegung. Habe ich einmal etwas Hübsches entdeckt, so scheint mir der Duft den Mittelfinger zu zeigen und schon raucht und qualmt er wieder vor sich hin. Ja, wirklich, sogar nach verbranntem Gummi riecht es bisweilen. Und kurz bevor mich das nervt, vernehme ich dann wieder sanfte Noten, cremiges Sandelholz und süßlich-balsamisches Opoponax. Etwas Beruhigendes hat auch der Jasmin, der kaum nach Blume, sondern ebenfalls leicht angesengt wirkt. Farblich wahrgenommen ein braun-schwarzer Duft mit gelben und orangefarbenen Einsprengseln.
Pinken Lotus habe ich noch nie gerochen, er soll, wenn man ihn raucht, sogar einen tranceartigen Zustand auslösen! Für mich klingt ja Lotus eher nach Sauberduft, davon fehlt hier jede Spur. Anubis ist aber auch kein Dirty-Duft. Nach ca. zwei Stunden kommt etwas Kardamom durch und macht ihn zusammen mit der Immortelle gefälliger und nahbarer. Die Rosen vermag ich leider nicht herauszuriechen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sie da sind und verhindern, dass dieser Kracher zu krass rüberkommt.
Macht er süchtig? Nein, wenn ich Anubis trage bin ich zwar etwas high, aber oft verlangt mir nicht nach ihm. Er ist für mich vor allem ein sehr faszinierender, kraftvoller und raubeiniger Duft. Meine Abfüllung hält schon recht lange und ein ganz kleiner Spritzer reicht den ganzen Tag, da er von der Qualität und Intensität her wie ein Extrait de Parfum wirkt.
12 Antworten