Harielle
29.06.2020 - 10:28 Uhr
11
Top Rezension
8
Sillage
9
Haltbarkeit
7.5
Duft

Nach dem Rendevous mit Lord X

Billy Wilder, einer meiner Lieblingsregisseure, wäre dieser Tage 114 Jahre geworden. Seine Filme begleiten mich seit frühester Jugend. Begonnen hatte alles mit „1,2,3“ und „Manche mögens heiß“ in meinem Elternhaus. Mit „Irma la douce“ verbinde ich vor allem die Treffen mit meiner gleichaltrigen Kusine bei unserer Großmutter in Nordrhein-Westfalen. Obgleich das Kusinchen und ich unterschiedlich nicht sein konnten bzw. könnten, verstanden wir uns sehr gut und schauten bei jedem dieser Treffen mindestens einmal Wilders „Irma la douce“ während unsere Großmama ihren Mittagsschlaf hielt.

Die Handlung des Films ist schnell zusammengefasst (wer den Film kennt, kann diesen Teil überspringen):
Paris in den frühen 1960er Jahren. Der suspendierte Streifenpolizist Nestor Patou verliebt sich in die Bordsteinschwalbe Irma, genannt Irma la Douce („Irma die Süße“). Nachdem er Irmas Zuhälter in einer spektakulären Prügelei besiegt hat, übernimmt er mit dessen Platz. Doch eine rein geschäftliche Beziehung kann Nestor mit Irma nicht führen, die Eifersucht auf ihre Freier treibt ihn um. Gemeinsam mit der Hilfe des Café-Besitzers Moustache verkleidet sich Nestor als „Lord X“ und besucht Irma von nun an. Für ein paar harmlose Kartenspiele wird sie jedes Mal königlich entlohnt und braucht keine weiteren Freier mehr zu akzeptieren. Da Nestor das Geld nachts heimlich auf dem Pariser Großmarkt, den halles centrales, verdienen muss, ist er tagsüber müde und zunehmend unaufmerksamer. Irma vermutet eine Affäre, verführt Lord X und beschließt mit diesem durchzubrennen.
Nestor seinerseits ist nun eifersüchtig auf den (nicht existierenden) Lord X und versenkt das Kostüm in der Seine. Dabei wird er von Irmas früherem Zuhälter beobachtet, der den vermeintlichen Mord an die Polizei meldet. Im Gefängnis erfährt Nestor, dass Irma von ihm schwanger ist. Ihm gelingt die Flucht und er heiratet Irma in letzter Sekunde vor der Entbindung. Da am Rande des Geschehens wider alle Logik Lord X aufgetaucht ist, wird Nestor von den Vorwürfen des Mordes frei gesprochen. Garniert wird das Geschehen wie üblich bei Wilder mit zahlreichen liebevoll bis ins letzte Detail ausgefeilten Nebenrollen wie Irmas Kolleginnen mit den sprechenden Namen „Amazonen Annie“ oder „Kiki der Kosake“, einem Champagner trinkenden Hund mit Nierenleiden und natürlich den schillernden „Macs“, den Zuhältern, die sich regelmäßig im Café Chez Moustache treffen.

Was hat Lehmanns Feige mit alldem zu tun?

Auch das ist schnell erklärt: Diese Feige ist grün wie Irmas Strümpfe (und Unterwäsche natürlich), sie transportiert für mich eher eine den Lehmanschen Kunstblumen entsprechende Ästhetik, denn mediterrane Leichtigkeit oder gar Urlaubsfeeling. Diese Feige ist reif, sie wurde von Nestor nach seiner Arbeit in den halles mitgebracht und verströmt nun in einer Schale liegend in Irmas schäbig-charmanter Dachwohnung ein kräftiges fruchtig säuerliches Aroma. Nach den ausgedehnten Terminen mit Lord X haftet Irma stets ein Hauch seines intensiven Rasierwassers an wenn sie nach Hause kommt, obgleich diese Treffen bis auf das letzte platonisch sind.

Diese Rasierwassernote vermischt sich in der Herznote mit einer turbomäßig erstarkenden fruchtigen Feigennote und einigen cremig-blümelnden Nuancen, die an die Tapete vor Irmas „Geschäftsadresse“ (das ist das Stundenhotel auf der Rue Casanova) erinnern. Das Ganze hat auch zeitweise einen leicht seifigen Charakter, was gut zu dem Charme der vergleichsweise unschuldig-romantische Liebe von Irma und Nestor passt. Die Basis läutet das für mich schönste Kapitel dieser Feige ein: Holzige Noten untermalen die nach wie vor kräftig schallend fruchtige Feigen und dimmen sie zunehmend, wobei ich nicht identifizieren kann, welche Hölzer hier eingesetzt wurden.

Fazit:
Eine grobmotorische Feige mit Durchschlagkraft für Mutige, die es auch mit einem Lord X aufnehmen und auf (Kopf-) Kino stehen!
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