Chizza
21.02.2021 - 10:46 Uhr
21
Top Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft

Gewürzrasierwasser für die Personalberatung

Ein neuer Montag rief und so ging es zur Arbeit; Personalberatung. Ich meine natürlich Personal“beratung“. Also ab auf die A40, dort etwas die Zeit mit Parken vertrieben, dann war man auch schon in Essen. Eine traumhafte Stadt. Verglichen mit Duisburg. Klar, man war 15 Minuten vorher da, „den Flurfunk“ erhaschen oder besser gesagt, wer hatte mal wieder welchen Kunden verbrannt. Das konnte schon vorkommen wenn man ehemalige Mobilfunkverkäufer ohne Schulung auf Kunden losließ und Fachkräfte aus dem Bereich Rechnungswesen feilbot. Schon hier bemerkte ich diesen leicht gewürzhaltigen Duft der durch die Flure mäanderte.

Ich ging in den Salesraum hinein, Till Brauer kam mir entgegen, seines Zeichens bester Consultant im Bereich Arbeitnehmerüberlassung. Selbsternannt. Er lächelte sein Lächeln mit dem er die stete Unsicherheit zu übermalen versuchte, auf dem Tisch die 200ml Version Boss Bottled. Schnell wurden zwölf weitere Sprüher genommen, die neue Kollegin gegenüber hatte schließlich noch nicht bemerkt, wer hier der King war. Denn Till Brauer war wer. Weswegen er parallel zur Kundenakquise auch in Onlinecasinos sein Salär zu verprassen wusste.
„Till, was riecht hier so nach Kümmel und Etwas seifig? Hat sich der Özdogan mal wieder vor Kundenterminen eingesaut und notdürftig zu reinigen versucht?“
Samer Özdogan, „Manager“ der Truppe, Initiator des Motivationsmorgenkreises, damit auch die 25 Telefonate täglich erledigt werden würden, trat gerne mal mit verschmiertem Hemd auf. Ganz pragmatisch indem er sich das Hemd am Auto mit Öl besudelte oder auch durch Nahrungsmittel; alles war ihm recht.

„Nein, vielleicht der neue Kollege?“
„Der war es nicht, im Aufzug habe ich nichts bemerkt, da war ich mit ihm und dem Chef drin.“
15 Minuten zuvor: „Morgen, Chef.“ „Morgen, was machen die Zahlen? Die Probezeit beim einen, ich kann mir die Namen nicht merken, ist doch bald zu Ende, oder? Schmeißen wir ihn raus?“
„Naja, ich glaube, er könnte es schaffen...“
„Ok, also raus.“
Der Fahrstuhl kam im fünften Stock an.
„oh, der andere, welcher mit uns im Fahrstuhl hochfuhr, steigt auch aus, er hat gar nicht gegrüßt.“
„Sicher der neue für Samers Team.“
„Ok, dann werde ich ihm sagen dass er ihn gleich entlassen muss. Er hat nicht gegrüßt.“
„Er kennt uns gar nicht!“
„Er hat nicht gegrühüüüüsst!!!!!!“

Ich ging also weiter auf die Suche wer nach altbackener Würze, kräftig, intensiv, duftete. Die Tangerine und die trockenen Früchte sorgten für dieses Feeling. Dazu gesellte sich ein Hauch Zimt, der konnte auch von den Krümeln von Samers Hemd stammen. Erst mal den ersten von 15 Kaffees ziehen, der Duft wurde so vollmundiger und reifer. „Oh, haben wir neuerdings guten Kaffee? Gar nicht die Pampe von sonst weil der Vertrag so günstig war?“ „nein, ist das alte Gebräu, ich weiß auch nicht, woher dieser Duft kommt. Es fängt langsam auch an, nach Kümmel zu duften. Aber mild, vielleicht hat mal wieder einer sein Essen nicht weggeräumt.“
„Um neun Uhr?“
„Manche Kollegen konsumieren da den ersten Konterwein.“
„Wohl wahr.“

Also ging ich an meinen Platz, konnte das olfaktorische Zentrum meines Interesses noch nicht lokalisieren. Zunächst holte ich Feedback von Interviews meiner Kandidaten ein, meine Spezialisierung waren Freelancer. Ich erhielt die Zusage und wie es üblich war, lief ich zur Glocke und läutete damit jeder wusste, ich hatte wen vermittelt und das Geld kam rein. Alles johlte, ich schlug in ein paar Hände ein und rief: „Yeah, 500 Euro Gewinn am Tag, da mache ich mir schön die Taschen voll!“
Kurz darauf rief der Kunde an, ich hatte vergessen, aufzulegen und musste den Preis nachverhandeln. Machte nichts, direkt im Anschluss habe ich den Tagessatz des Kandidaten gedrückt. Schließlich brauchte ich den Bonus für Parfums. Apropos, da mein Tagessoll getan war und ich außer Managermeetings und Mitarbeitern mit launigen Kommentaren zu deren Kommunikationskünsten am Telefon den Tag zu versüßen nichts mehr zu tun hatte, machte ich mich auf die Suche nach dem Duft.

Mittlerweile roch es cremig-würzig. Weihrauch umfasste ein Amber-balsamisch angehauchtes Gewürzpanoptikum. Der Safran sorgte für etwas Farbe, Pfeffer für leichte Schärfe, auch Ingwer war dabei. Aber eher blass. Kurz hatte ich den Kollegen aus der Festvermittlung im Verdacht aber dann fiel mir ein, der war ja beurlaubt. Er verursachte betrunken einen Autounfall. Das ist natürlich semi-intelligent mit einem Firmenwagen. Ebenso unklug war es, dann einfach weiter nach Hause zu fahren und 30 Minuten nicht zu bemerken, dass die Geschädigten hinterherfuhren und dann die Polizei riefen, als man gemeinsam zuhause ankam.

Ich kam nicht dahinter und so plätscherte der Tag mit dem Duft so vor sich hin. Fast sah ich mich nicht dazu in der Lage, das Rätsel zu lösen, als mein Wochengespräch mit einem meiner Mitarbeiter für Erhellung sorgte. Autisten-Alex, so genannt, weil er wenig empathisch war und dies gerne vorführte, saß da wie immer: Hemd in die gelbe Unterhose gesteckt, passend zu den senffarbenen Socken, dabei die Haare verwirrt abstehend. Länger als jeder andere war er dabei und auch erfolgreicher. Jedenfalls roch der Mann („ich merke mir Namen von neuen Kollegen erst nach Ende der Probezeit“, „Hahahahaha, der dumme Kollege hat es nicht gepackt“ oder „das ist leider mein Kunde und Auftrag, ich hab da mal vor drei Jahren angerufen“) ältlich.
„Alex, was hast du heute aufgelegt? Opas Fichtennadelbad als Parfum?“
In Wirklichkeit fühlte ich mich an den charakteristisch-erdigen Nagarmotha-Geruch erinnert, aber das würde Alex nicht zuordnen können.
„Das ist Nefer von Parfum Prissana. Hat mir meine Ex geschenkt.“
„Die, die dich nach ihrem Indienurlaub rausgeschmissen hat oder die, die du auf dieser Single-Katamaranreise für Lehrer kennengelernt hast, ohne dass du ja Lehrer bist?“
„Das erste.“
„Schon spannender Duft, jetzt wirkt er auf mich wieder harzig mit feinen Elementen des Sandelholzes. Das gibt dem Kardamom eine ganz andere Tiefe, so wirkt er facettenreicher. Jedenfalls, deine Zahlen stimmen wie immer nicht und deine mittlerweile zwei Anrufe am Tag reichen nicht. Kannst du bitte keine Gartengeräte wie Kettensägen mehr ins Büro bestellen und während deiner Arbeitszeit Sägekurse belegen?“
Plötzlich schwang die Tür auf: „Alex, dein Kunde ruft an, fast alle haben gekündigt und du sollst fünf Leute hinschicken.“
„Vergiss, was ich sagte, Alex...bring das Geld nach Hause!“
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