Passionez
Sehr hilfreiche Rezension
8
Olfaktorischer Zeitensprung
Der gestrige Besuch der Global Art of Perfumery Messe war für mich die Gelegenheit eine mir bisher völlig unbekannte Marke zu entdecken: Parfums Sophiste. Besonders angetan war ich von dem Konzept mythologische Figuren und Legenden in Düfte umzusetzen.
Bin ich doch, seit einer frühen Reise nach Griechenland, fasziniert von der griechischen Mythologie. Bei André Strelzoffs kurzen Duftbeschreibungen werden Erinnerungen wach: mein kleiner Bruder und ich in der brütenden Hitze Schatten suchend, während unser Vater unermüdlich und unerbittlich die Ruinen von Delphi erkundet. Unsere Mutter, wie sie versucht uns das endlose Warten zu versüssen und weitere "archeologische Ausflüge" schmackhaft zu machen. Ich sehe mich unter einem Olivenbaum auf den Stufen des Amphitheaters sitzend während sie uns die Abenteuer von Hercules, Zeus, Athena, Aphrodite und anderen Gottheiten oder Halbgöttern berichtet. Ihre wortgewandten, lebensechten Erzählungen faszinieren mich. Ich strebe nach Athenas Weisheit und Kraft während mich Aphrodites Liebeleien und"Zickereien" kaltlassen. Von den Geschichten und Reisen meiner Kindheit begleitet, möchte ich später Archeologie oder Kulturwissenschaften studieren. Es wird bodenständiger werden (BWL) aber ganz vergessen sind die Kind-und Jugendreisen nicht, da ich mich nach einer Chinareise entscheide, Sinologie zusätzlich zu studieren.
Doch nun zurück zu den Düften von Sophiste. Da die Entdeckung recht spät erfolgte (kurz vor Messeschluss), bin ich nicht dazu gekommen allen präsentierten Düften gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken. Jedoch hat mich besonders Sculpteur d'Amour angezogen und Guillotine überrascht. Zuhause ausprobieren durfte ich "A nulle autre pareille". Eigentlich so gar nicht meine Duftorientierung. Blumige Düfte geniesse ich sehr sporadisch. Ambrierte, holzig-würzige Düfte sind mehr mein Fachgebiet. Doch je stärker meine Duftleidenschaft wächst desto weiter ist mein "Testspektrum". So habe ich mir heute ANAP als olfakotorisches Forschungsobjekt vorgenommen.
Parfums Sophiste beschreibt den Duft als göttliche Verkörperung der Frau. Das Parfum soll zeitlose Weiblichkeit und endlose Schönheit vermitteln. Charme, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Unschuld, Verletzlichkeit sind die Attribute der idealen Frau laut der französisch-russischen Duftmarke. Persönlich muss ich vorweg sagen dass dieses Parfum nicht die ideale Frau für mich widerspiegelt. Dazu fehlt es ihm an Tiefe und Extravaganz. Die olfaktorische Verköperung der idealen Frau (sofern man annimmt dass es diese überhaupt gibt, es ist meines Erachtens ein sehr subjektives Konzept), hat für mich mehr holzige, rauchige und ambrierte Facetten. Eine gewisse Unschuld und Verletztlichkeit gehört dazu, aber letztendlich ist sie vor allem sinnlich, stark und einzigartig. Soweit meine persönliche Meinung.
So versuche ich den Duft fernab dieses vorgegebenen Konzepts wahrzunehmen. Sobald ich den Duft aufsprühe, überkommt mich das Gefühl kopfüber in einem Mimosenstrauch gelandet zu sein. Ich fühle mich wie eine menschgewordene Biene, die kurz vor der Verwandlung noch honigtrunken aus dem Tiefrausch erwacht. Überall klebt der Pollen an ihr. Ja, sinnlich ist diese Evokation durchaus. In südlichen Gefilden befindet sich diese Biene. Genauer gesagt in der Provence. Und nun werden wieder Jugenderinnerungen geweckt. Ich bin zu meiner ersten "individuellen"Reise mit der Familie meiner damaligen besten Freundin unterwegs in die Provence, genauer gesagt zu Bormes-les-Mimosas wo ihre Tante ein Ferienhaus besitzt. Mimosensträuche gibt es in dieser Gegend zuhauf, daher auch der Name des Städtchens. Diese Reise wird auch Anlass zu meinem ersten Grassebesuch sein. Auf (höflichem und begeistertem) Drängen meinerseits, werden wir einen Ausflug in die berühmte Parfumstadt machen. Dort wird auch meine Leidenschaft für Düfte animiert.
Während ich in Erinnerungen schwelge und euch diese Zeilen schreibe, begleitet mich der Duft und umwabert mich in einer Honig-Mimosen-Wolke. Die anderen Komponenten glaube ich nur dezent zu vernehmen. Ganz zu Anfang war ein Hauch Frische dabei, der sich meiner Nase nicht als Basilikum erschloss (ich liebe dieses Kraut über alles) sondern eher wie frische Gartenminze. Weisser Reis in Moschus getunkt umschmeichelt meine Haut. Es erinnert mich an das Körperpeeling von Kenzoki Sensuel. Bei hauseigenen Spatagen, fühlte ich mich wie in fluffig-leichten Reispudding gehüllt, eine sehr sinnliche, kulinarisch-olfaktorische Erfahrung. Gewürze glaube ich nicht wirklich diszernieren zu können. Aber Maiglöckchen begleiten ebenso wie andere weisse Blüten den Duftverlauf der sonst relativ konstant nach honig eingelegten Mimosen riecht.
Ich bin zwischen Frühlings- und Sommergefühlen, Gegenwart und Vergangenheit hin und her gerissen. Auch wenn ich selten blumige Parfums trage, so hat mir diese olfaktorische Zeitreise sehr gut gefallen.
Abendlicher Nachtrag: der Duft hat sich zum diskreten Hautduft entwicket, die Blütenpracht ist zurückgegangen. Nur der Honig und der weisse Moschus tummeln sich hier noch.