07.05.2015 - 05:53 Uhr
Stefanu155
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Stefanu155
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28
Sinnliche Schönheit und sublimer Schweiß
Viele erfreuliche Begegnungen mit guten und sehr guten Düften in den letzten Wochen. Glück, Zufall, Beigaben, Geschenke und zunehmende Treffsicherheit in meiner Wahl können der Grund dafür sein. Vielleicht ist es aber einfach grad eine Art Glückssträhne. Der hier kam als Pröbchen zu mir und ist ein Duft, der in keiner Weise dem entspricht, worauf ich normalerweise anspringe. Der letzte, der mich schwer beeindruckt hat, war „Sel Marin“. Man könnte sagen, Aziyadé (ein Romantitel von Pierre Loti) ist wirklich in jeder Hinsicht genau das Gegenteil davon. Ein süßer, orientalisch angehauchter Duft von nicht bescheidenem Volumen. Von allem viel, könnte man sagen, aber: Was ist der geil!
Ich pfeife auf meine Vorlieben und Präferenzen, ich pfeife darauf, keine süßen Düfte zu mögen, es ist mir auch wurscht, ob der als zu weiblich empfunden werden kann - hier legt sich dieser barocke Früchtekorb mit seiner Süße und dem rauchig-grauen Hintergrund so passgenau auf meine Haut, dass es zum Erschrecken ist. Dann bringt er durch die schärferen Gewürze oder, genauer gesagt, Scharfmacher, eine pikante Schwitzigkeit hinein, eine Schweißperle, die am Nacken einer dunklen Schönheit hinabrollt, sublimer Schweiß sozusagen, ein erhabenes Produkt erhitzter Haut, nicht einer realen Haut, sondern einer imaginären, die sich über die meine legt. Im orientalistisch verklärten Roman von Pierre Loti geht es um die Liebe zu einer sehr jungen Tscherkessin mit grünen Augen, Aziyadé - und einige daraus entstehende erotische und andere Verwicklungen. Das Ganze endet sehr tragisch. Man muss das nicht gelesen haben und meines Wissens existiert ohnehin keine deutsche Übersetzung. Aber es war in gewisser Weise stilbildend in Hinsicht auf einen westlichen Blick auf den Orient, der auch in der Realität des tatsächlichen Orients sein Imaginäres lebt, es sexualisiert, verklärt, entpolitisiert- letztlich das Wesen des Exotismus.
Wasserpfeife? Aber ja doch. Fruchtaromen und Rauchigkeit, was sonst als Wasserpfeife. Granatapfel und Moschus? Ingwer, Patchouli und Weihrauch? Geht’s noch? Ganz gendermäßig werde ich jetzt selbst zur jungen Tscherkessin, seht ihr meine braunen Hüften? Seht ihr, wie federnd mein Gang geworden ist? Seht ihr meine schwarzen Haare unter dem bunten Kopftuch? Seht ihr, ich sitze auch nicht mehr auf der Couch, sie wurde zur Ottomane. Vielleicht bin ich aber auch der resigniert-größenwahnsinnige König Sardanapal aus dem Gemälde von Delacroix „Der Tod des Sardanapal“, der von seinem riesigen Bett aus zusieht, wie sein gesamter Hofstaat, namentlich sein Pferd und die schönen, erotisch verdrehten Sklavinnen, abgeschlachtet werden, in den prächtigsten Farben, versteht sich… soviel zum Exotismus. Aber solche Art von Farbigkeit und Dichte erzeugt der Duft. Er steht auf drei Säulen, nämlich den Fruchtaromen, dem Rauchwerk und den schärferen Gewürzen. Die weiteren Elemente, falls sie herausriechbar sind, stabilisieren dieses Gleichgewicht, insbesondere Patchouli spinnt im Hintergrund ständig seine Fäden - und das gelingt vortrefflich. Die Ecken werden gerundet, das Fette verdünnt und das Ätherische leiblich gemacht. Würde man nur eines dieser Elemente abschwächen oder entfernen, die elegante Ausgewogenheit des Duftes würde sofort zusammenbrechen, denn er ist nicht einfach fruchtig und nie opulent süß. Der Rauch erstickt nichts, sondern bildet einen Fond, einen herben, ständig bewegten Hintergrund. Es erübrigt sich zu sagen, dass man das durchaus als sexy empfinden kann…
Mein Handgelenk - ein Schauplatz exotischer Lüste.
Wen es interessieren sollte und weil der Text frei ist, hier gibt’s eine englische Übersetzung:
http://www.archive.org/stream/Aziyade/Aziyade_djvu.txt
Ach, und vielen lieben Dank an JoHannes, der mir die Probe beigelegt hatte! Der Herr hat auch Geschmack!
Ich pfeife auf meine Vorlieben und Präferenzen, ich pfeife darauf, keine süßen Düfte zu mögen, es ist mir auch wurscht, ob der als zu weiblich empfunden werden kann - hier legt sich dieser barocke Früchtekorb mit seiner Süße und dem rauchig-grauen Hintergrund so passgenau auf meine Haut, dass es zum Erschrecken ist. Dann bringt er durch die schärferen Gewürze oder, genauer gesagt, Scharfmacher, eine pikante Schwitzigkeit hinein, eine Schweißperle, die am Nacken einer dunklen Schönheit hinabrollt, sublimer Schweiß sozusagen, ein erhabenes Produkt erhitzter Haut, nicht einer realen Haut, sondern einer imaginären, die sich über die meine legt. Im orientalistisch verklärten Roman von Pierre Loti geht es um die Liebe zu einer sehr jungen Tscherkessin mit grünen Augen, Aziyadé - und einige daraus entstehende erotische und andere Verwicklungen. Das Ganze endet sehr tragisch. Man muss das nicht gelesen haben und meines Wissens existiert ohnehin keine deutsche Übersetzung. Aber es war in gewisser Weise stilbildend in Hinsicht auf einen westlichen Blick auf den Orient, der auch in der Realität des tatsächlichen Orients sein Imaginäres lebt, es sexualisiert, verklärt, entpolitisiert- letztlich das Wesen des Exotismus.
Wasserpfeife? Aber ja doch. Fruchtaromen und Rauchigkeit, was sonst als Wasserpfeife. Granatapfel und Moschus? Ingwer, Patchouli und Weihrauch? Geht’s noch? Ganz gendermäßig werde ich jetzt selbst zur jungen Tscherkessin, seht ihr meine braunen Hüften? Seht ihr, wie federnd mein Gang geworden ist? Seht ihr meine schwarzen Haare unter dem bunten Kopftuch? Seht ihr, ich sitze auch nicht mehr auf der Couch, sie wurde zur Ottomane. Vielleicht bin ich aber auch der resigniert-größenwahnsinnige König Sardanapal aus dem Gemälde von Delacroix „Der Tod des Sardanapal“, der von seinem riesigen Bett aus zusieht, wie sein gesamter Hofstaat, namentlich sein Pferd und die schönen, erotisch verdrehten Sklavinnen, abgeschlachtet werden, in den prächtigsten Farben, versteht sich… soviel zum Exotismus. Aber solche Art von Farbigkeit und Dichte erzeugt der Duft. Er steht auf drei Säulen, nämlich den Fruchtaromen, dem Rauchwerk und den schärferen Gewürzen. Die weiteren Elemente, falls sie herausriechbar sind, stabilisieren dieses Gleichgewicht, insbesondere Patchouli spinnt im Hintergrund ständig seine Fäden - und das gelingt vortrefflich. Die Ecken werden gerundet, das Fette verdünnt und das Ätherische leiblich gemacht. Würde man nur eines dieser Elemente abschwächen oder entfernen, die elegante Ausgewogenheit des Duftes würde sofort zusammenbrechen, denn er ist nicht einfach fruchtig und nie opulent süß. Der Rauch erstickt nichts, sondern bildet einen Fond, einen herben, ständig bewegten Hintergrund. Es erübrigt sich zu sagen, dass man das durchaus als sexy empfinden kann…
Mein Handgelenk - ein Schauplatz exotischer Lüste.
Wen es interessieren sollte und weil der Text frei ist, hier gibt’s eine englische Übersetzung:
http://www.archive.org/stream/Aziyade/Aziyade_djvu.txt
Ach, und vielen lieben Dank an JoHannes, der mir die Probe beigelegt hatte! Der Herr hat auch Geschmack!
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