Masculine Signature Collection

Kalan 2019

DerDefcon
31.12.2019 - 16:41 Uhr
21
Sehr hilfreiche Rezension
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
4
Duft

Das Rot gewinnt.

Was die Herrschaften von Parfums de Marly hier getrieben hat, kann ich mir nicht so ganz erklären. So wie es scheint, wollte man mit "Kalan", bei dem die Flakonfarbe ironischerweise nicht besser gewählt sein könnte, völlig neue Wege gehen. Völlig neue Wege müssen nicht verkehrt sein und sind nicht selten sogar essenziell für so manches Parfümhaus. Gut, Parfums de Marly scheint nun keines zu sein, das kurz vor dem Untergang steht, doch habe ich den Eindruck, als wollte man mit dem Saft im signalfarbenen, irgendwie auf Gefahr hindeutenden Flakon eine klare Grenze zu den Süßlingen namens "Herod" und "Layton" ziehen. Chapeau für diese Motivation, sofern denn eine solche vorhanden war, doch muss schonungslos gesagt werden, dass jene olfaktorische Neuausrichtung - natürlich ist das meine bescheidene Meinung - gänzlich missglückt ist.

Bei der Kreierung dieses auf schonungslose Würze ausgerichteten Wässerchens stelle ich mir einen Parfümeur vor, auf dessen linker Schulter ein gutmütiges Engelchen sitzt, das ihn beim Mischen seiner Neukomposition vor gröbsten Fehlern zu bewahren versucht, während die rechte Schulter vom roten Teufel - welch zufällige Parallele zum Flakon - geziert wird, der eher noch weiter anstachelt und den Duftkünstler das würzig-schonungslose Gebräu anrichten lässt.
Den Griff zur Blutorange, eine sehr prickelnde, irgendwie auch säuerlich-spritzige Frucht, kann das Engelchen verkraften. Hier kommt mal kein Apfel, keine Mandarine und auch nicht die fast schon obligatorische Bergamotte zum Einsatz. Das Ganze ist im Allgemeinen ein untypischer Start, vergleicht man mit anderen Kreationen aus dem Hause Marly. Ein Schlechter ist es wahrlich nicht, zumindest für wenige Minuten. Als dann unser Parfümeur mit Pfeffer und sonstigem Gewürzmischmasch zu hantieren beginnt, versetzt er seiner gesamten Komposition bereits recht früh einen schweren Schlag. Teufelchen ist höchst erfreut über den nahezu inflationären Einsatz von Safran, welcher der eh schon etwas zu lange in der Sonne gelagerten und entsprechend ausgetrockneten Blutorange jedes bisschen Restsaftigkeit nimmt und unserem Engelchen auf der anderen Schulter damit beinahe schon die Luft zum Atmen.

Noch könnte sich alles zum Guten wenden, doch irgendwie hat unser Parfümeur seine Bestände nicht so ganz im Griff. An der süßen Orangenblüte, die der soeben entstandenen Überwürze entsprechend entgegentreten könnte, mangelt es in Gänze - wohl geklaut vom Teufelchen.
Unser Parfümeur greift zum Lavendel. Engelchen will noch darauf hinweisen, dass er doch bitte den Frischeren nehmen solle, um der schon sehr trockenen Komposition ein bisschen mehr Saftigkeit, die frischer Lavendel nunmal mit sich bringt, zu verleihen. Teufelchen jedoch war schneller. Es appelliert sofort an des Duftmachers große Ziel, einen kantigen Duft zu erschaffen, der sich doch von allem, was bisher im Hause Marly erschien, abheben müsse. So wird nicht zum frischen, sondern leider zum vertrockneten Lavendel gegriffen - Ecken und Kanten ... auf Biegen und Brechen und so ... ihr wisst schon. Der eigentlich schon bitter genug daherkommende Safran wird nun von etwas noch Bittererem übertroffen, das zwar grün, aber unglaublich trocken daherkommt.

Engelchen ist bereits am Ende seiner Kräfte, so kommt es doch gegen die Dominanz des olfaktorisch verkommenen Teufelchens nicht an. Engelchen sieht am Ende noch seine letzte Chance, zu retten, was noch zu retten ist. Doch Teufelchen durchschaut die Situation und kommt seinem Konter-Part zuvor. "Das ist zu viel von der Tonkabohne, mein Meister.", erschallt es von der rechten Schulter. Unverzüglich lenkt unser Parfümeur ein, entfernt einen Großteil der bereits hinzugegeben Tonkabohnen und schließt den Dufterschaffungsprozess damit ab.

Engelchen stürzt sich von der Schulter. Es gelang ihm nicht, wenigstens zum Schluss noch seinen Meister davon zu überzeugen, dass ein derartig bitteres Gebräu ein wenig Geschmeidigkeit benötigt, die nunmal von der Tonkabohne hätte kommen können. Teufelchen wiederum ist wunschlos glücklich und triumphiert. "Ein neues Meisterwerk ist entstanden, erschaffen von mir und meinem Meister. Niemand - wirklich niemand - wird es kaufen!"
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