Auf ein Wochenende nach Deauville!
Das mögen sich auch die G8-Teilnehmer samt ihrer Entourage gedacht haben, als sie in das elegante Seebad an der normannischen Küste aufbrachen. Heiligendamm vor wenigen Jahren, nun Deauville – Seebäder sind ‚in’, wenn Staatsmann und Staatsfrau gemeinsam das ganz große Rad der Geschichte drehen wollen.
Ob sie diesmal auch den Duft von Patricia de Nicolaï in der Nase hatten? Wohl kaum (obwohl, Frau Bruni wäre es zumindest zuzutrauen). Vielmehr dürfte es Kaffe, Alkohol, Zigarettenrauch, das ein oder andere Parfum, und mit salziger Seeluft vermischte Abgaswolken gewesen sein. Was auch immer.
Es soll uns egal sein, solange wir diesen Duft von Frau Nicolaï genießen können, denn während des G8-Treffens wird es so gut wohl in keinem Winkel geduftet haben.
‚Week-end à Deauville’ ist ein neuerlicher Beleg für Patricia de Nicolaïs Affinität zu klassischer Parfumkunst. Sie gehörte noch nie, und wird vermutlich auch in Zukunft nicht zu jenen gehören, die an vorderster Front neueste Trends aufspüren, diese beeinflussen oder gar kreieren wollen, um im Hype der aktuellsten Mode eigene Standards zu setzen.
Nein, ihre Werke haben immer einen starken Bezug zu den Fixsternen der Parfumgeschichte, sind Neu-Interpretationen klassischer Themen.
So auch ‚Week-end à Deauville’. Patinnen dieses Duftes sind unverkennbar ‚Cristalle’, Chanels Klassiker aus den 70er Jahren, und ‚Diorella’, Edmond Roudnitskas vielleicht bester Duft. Aber Patricia de Nicolaï, wäre nicht die, die sie ist, hätte sie ihrem Duft nicht ein hohes Maß an Eigenständigkeit mitgegeben. Denn ‚Week-end à Deauville’ steht zwar in engem verwandtschaftlichem Verhältnis zu beiden Großtaten des Dufthandwerks, ist aber beileibe keine schlichte Epigonin.
Dennoch war mein erster Gedanke als ich den Duft aufsprühte: Diorella! (Mein Verhältnis zu ‚Diorella’ ist wesentlich intensiver und emotionaler geprägt als zu ‚Cristalle’, das ich zwar sehr mag, aber das mich eher unberührt lässt). ‚Diorella’ wie der Duft einmal war, in all seiner Frische, seiner Raffinesse, mit seinem intelligentem Humor und seiner ansteckenden Heiterkeit. (Nebenbei: ich – als Mann – konnte das alte ‚Diorella’ nicht tragen, zu sehr war es für mich der Inbegriff beschwingt-stilvoller Feminität. Das neue, im Brustumfang deutlich reduzierte aber trage ich mit Genuß!)
Wenn ich Patricia de Nicolaïs Gruß an Roudnitska und Robert also auftrage, sehe ich die alte fröhliche ‚Diorella’ wieder vor mir, mit all ihren weiblichen Rundungen, ihren im Küstenwind flatternden Kleidern, ihrem im Sonnenlicht hell glänzendem, wehendem Haar. Doch war sie damals eine modebewusste, junge Frau, vielleicht aus Paris, die ihren Urlaub an der Küste der Bretagne oder Normandie verbrachte, so ist sie heute eine Frau, die in einem kleinen Küstenort einen kleinen Obstladen betreibt. Sie trägt auch noch den alten Duft – die sprühenden, frischen Noten, das feine Blütenbouquet mit den leicht metallischen und mineralischen Anklängen, die leisen fruchtigen Akzente, die die bitter-herbe Chyprebasis so delikat machen – alles ist noch da! Aber die vielen Jahre an der Küste haben den Duft salziger gemacht, und das viele Obst, das sie verkaufte, hat ihn fruchtiger werden lassen.
Aus dem Dufthauch einer kleinen, fast noch unreifen Melone ist der Geruch einer ausgewachsenen, saftig strotzenden geworden und auch der Salzgehalt der Luft ist über die Jahre durch die vielen entstandenen Salzgärten, zur Gewinnung des heute so überaus beliebten ‚Fleur de Sel’, gestiegen.
Genau dies sind meine Assoziationen die ich nach dem Aufsprühen von ‚Week-end à Deauville’ habe. Ich genieße sie, ich erfreue mich an ihnen, aber ich bin auch ein großer Liebhaber frischer, grüner Chypres. Die muss man auch mögen, möchte man diesem Duft eine Chance geben. Aber wer sie mag, der wird hier eine wunderbare Spielart dieses Genres erleben können, die ob ihrer Präsenz und Robustheit Staunen macht. Denn ‚Week-end à Deuville’ ist kein leichter, und schon gar kein ätherischer Duftschleier wie ihn uns Hermès kredenzt hätte. Nein, der Duft – fast ein (grünes) Ledre-Chypre - hat eine feste Substanz und verfügt über erstaunliche Muskeln. Will heißen, dass er für ein Eau de Toilette ein ganz ordentliches Potential und zudem enorme Haltbarkeit besitzt.
Aus der jungen und zarten ‚Diorella’ ist nun eine Frau mittleren Alters, mit kräftigerer, aber immer noch schlanker Statur und sonnengegerbtem, dunklem Teint geworden, attraktiv wie eh und je. Ihren Humor, ihr freundliches und offenes Wesen hat sie glücklicherweise behalten, aber sie ist von der Stadt auf´s Land gezogen, besser gesagt: an die Küste, und steht dort mit beiden Beinen und ihrem kleinen Obstlädchen mitten im ortsansässigen Leben.
Dort hat sie Patricia de Nicolaï wieder getroffen und ihr ein großartiges, duftendes Denkmal gesetzt. Sie ist ihr schon einmal gefolgt und hat dabei eine Verwandte getroffen, allerdings eine, die ein etwas anrüchiges Etablissement betreibt – ‚Odalisque’. Auch sie ein grünes, salziges Chypre, allerdings mit opulenterem und verführerischer duftendem Blumenbouquet. Doch während ‚Week-end à Deauville’ mit natürlichem Charme begeistert, lockt ‚Odalisque’ mit lasziver Haltung und greller Schminke – mehr Ava Gardner als Ingrid Bergmann.
Beides große Düfte, aber ‚Week-end à Deauville’ ist mir näher.
Als Mann kann ich beide – leider - nicht tragen: ihr Unisex-Potential ist doch arg gering. Aber ich muss auch nicht immer alles tragen, was mir gefällt. Dennoch wird sich zu meinem kleinen Fläschchen ‚Odalisque’ sicher bald ein kleines von ‚Week-end à Deauville’ gesellen – der Duft ist einfach zu schön und macht mir zu gute Laune, als dass ich ihn alleine den sich glücklich schätzen könnenden Frauen vorbehalten würde.
Ich kann mich ja auch zuhause, ganz privat an ihm erfreuen.
Einstweilen aber einen großen Dank an Maharanih, für das Überlassen einer mehr als generösen Probe!