21.09.2016 - 13:43 Uhr
Meggi
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40
Kommissar Olfattke folgt der Duft-Spur
Viertes Kapitel – Schatten des Gewesenen
Die Wohnung. Das Aquarium. Die Kirche. Was kam als nächstes? Bereits der erste Mord war keineswegs zufälligerweise in Olfattkes Bezirk verübt worden. Auch wenn er nicht sofort persönlich am Tatort erschienen wäre, früher oder später hätte er sich damit befasst und wäre auf die Sache mit dem üppig versprühten Parfüm gestoßen. Diese Duft-Spur war für ihn allein gelegt worden, denn wer außer ihm hätte ihr schon folgen können? Nur aus welchem Grund stand er selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit des Mörders?
Obwohl es ihm schwer gefallen war, war er heute in Deckung gegangen. Er hatte die aktive Ermittlungsarbeit den anderen überlassen und sich zum Aktenstudium ins Archiv zurückgezogen. Seit dem frühen Morgen saß er im Keller der Polizeidirektion 4 in der Eiswaldstraße, las sorgfältig in immer älteren Ermittlungs-Akten und zermarterte sich das Hirn. Irgendein Detail hatte er übersehen, irgendetwas am Geschehen der letzten Tage wies ganz konkret in seine Vergangenheit als Polizist, das spürte er genau.
Der Zeiger der Wanduhr rückte eben auf acht Uhr abends vor, als Olfattke die Akte eines rund fünfzehn Jahre zurückliegenden Falles aus dem Regal zog. Als sein Blick auf das vergilbte Schild fiel, war er elektrisiert. Das war es! Aber warum? Hektisch begann er zu blättern. Ein Oberstudienrat namens Georg Bliesheimer hatte seinerzeit einen Kollegen getötet, weil der seine Frau belästigt hatte.
Der Mann hatte im Prozess versucht, seriös zu wirken. Der ehrbare Oberstudienrat, der einmal im Affekt einen großen Fehler gemacht hatte. Doch das hatte ihm nichts genützt. Olfattke hatte in Bliesheimers Haus den entscheidenden Beweis für das Geplante an der Tat entdeckt – eine Kopie des persönlichen Stundenplans des Opfers. Plötzlich war es Mord gewesen. Diese Wendung im Prozess hatte der Angeklagte seltsam reglos zur Kenntnis genommen. Die meiste Zeit war er weiterhin distanziert geblieben, hatte bloß dann und wann ruhig und korrekt auf Fragen geantwortet und sogar Einzelheiten zum Tathergang ergänzt. Unbeteiligt und gefühllos wie ein Psychopath, während seine Frau auf den Zuschauer-Plätzen geschluchzt hatte.
Und endlich fiel der Groschen. Olfattke hatte sich damals die Platze geärgert, dass der Mann einen Duft getragen hatte, der wie kaum ein zweiter ein Inbegriff von Seriosität war, sozusagen geruchgewordener Anstand: Blenheim Bouquet, ein Parfüm, das der Kommissar sehr schätzte. Zudem der einzige Duft, den er kannte, zu dem es ausdrücklich hieß, er habe keine Herznote. „Blenheim Bouquet has no heart notes“, schrieb Penhaligon’s dazu.
Eine frische, nicht allzu saure Zitrone, die von einer ätherischen, den Fortgang vorwegnehmenden Aura begleitet wurde, ging zügig in die Basis über. Binnen einer halben Stunde erreichte der Duft distinguiertes Nadelholz, flankiert von einer Spur Süße und zunächst einem Hauch Rest-Säure, vielleicht ein Sherbet-Bonbon. Olfattke empfand derlei als außerordentlich britisch. Die warm-würzig-nadelholzige Anmutung mochte für Parfüms in längst vergangener Zeit typisch gewesen sein, denn ein ähnliches Duft-Gefühl verbreitete auch Elite von Floris, der zwar ein Kind der 1970er Jahre war, aber wohl nicht nur namentlich auf ein Aftershave von 1851 verwies.
Im Verlauf wurde die ätherische, süßlich abgemilderte Nadelholznote leicht zuckrig, glitt allerdings nie in billige Zucker-Zeder ab. Vetiver bildete ein frisch-säuerlich-grünes Rückgrat, zunehmend deutlicher zu bemerken. Die Kombination mit der nadelwürzigen Frische war großartig. Völlig unprätentiös und trotzdem präsent. Ein Gentleman mit Bodenhaftung.
Und das an diesem Typen, der den Staatsbürger mit Fehltritt spielte. Nach außen hin seriös, hintenrum Cowboy, der das eigene Recht sprechen ließ. In einer Prozesspause hatte er dem Mann zugezischt, dass ihn Blenheim Bouquet nicht vor einem ‚lebenslänglich‘ bewahren würde. Und so war es gekommen.
„Vergiss nicht, dass ich kein Herz habe!“, hatte auf der Karte gestanden, die ihm der unglückliche Junge überbracht hatte. Das war ein Fingerzeig auf die gerichtliche Aufarbeitung eben dieses Mordfalls.
Bliesheimer saß in Moabit ein, das jedenfalls war laut Akte der letzte Stand. Doch das Ding hatte seit Jahren keiner mehr angefasst. Olfattke hatte bereits zum Telefon gegriffen, als ihm einfiel, wie spät es war. Morgen früh musste er das klären. Nein, das genügte nicht, er musste es jetzt wissen, den Diensthabenden anrufen oder zur Not hinfahren, wenn der am Telefon nichts herausrücken wollte.
Er hatte Glück, am Apparat in der JVA war ein alter Bekannter, der mit ihm gemeinsam bei der Kripo gearbeitet hatte, bis er sich aus familiären Gründen nach etwas weniger Nervenaufreibendem umgesehen hatte.
„Georg Bliesheimer wurde vorgestern entlassen. Er wurde um Punkt 11 Uhr hier abgeholt.“
Olfattkes Gedanken rasten - in jahrelang geübter Präzision zog der Kommissar rasch seine Schlussfolgerungen. Er wusste nun das ‚Wer‘. Daraus ergab sich das ‚Warum‘. Und über das letzte ‚Wo‘ war er sich ebenfalls klar geworden.
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Die übrigen Kapitel:
1. Hermès, Un Jardin sur le Nil
2. Serge Lutens, Datura Noir
3. Guerlain, Philtre d'Amour
5. Papillon Artisan Perfumes, Anubis
Die Wohnung. Das Aquarium. Die Kirche. Was kam als nächstes? Bereits der erste Mord war keineswegs zufälligerweise in Olfattkes Bezirk verübt worden. Auch wenn er nicht sofort persönlich am Tatort erschienen wäre, früher oder später hätte er sich damit befasst und wäre auf die Sache mit dem üppig versprühten Parfüm gestoßen. Diese Duft-Spur war für ihn allein gelegt worden, denn wer außer ihm hätte ihr schon folgen können? Nur aus welchem Grund stand er selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit des Mörders?
Obwohl es ihm schwer gefallen war, war er heute in Deckung gegangen. Er hatte die aktive Ermittlungsarbeit den anderen überlassen und sich zum Aktenstudium ins Archiv zurückgezogen. Seit dem frühen Morgen saß er im Keller der Polizeidirektion 4 in der Eiswaldstraße, las sorgfältig in immer älteren Ermittlungs-Akten und zermarterte sich das Hirn. Irgendein Detail hatte er übersehen, irgendetwas am Geschehen der letzten Tage wies ganz konkret in seine Vergangenheit als Polizist, das spürte er genau.
Der Zeiger der Wanduhr rückte eben auf acht Uhr abends vor, als Olfattke die Akte eines rund fünfzehn Jahre zurückliegenden Falles aus dem Regal zog. Als sein Blick auf das vergilbte Schild fiel, war er elektrisiert. Das war es! Aber warum? Hektisch begann er zu blättern. Ein Oberstudienrat namens Georg Bliesheimer hatte seinerzeit einen Kollegen getötet, weil der seine Frau belästigt hatte.
Der Mann hatte im Prozess versucht, seriös zu wirken. Der ehrbare Oberstudienrat, der einmal im Affekt einen großen Fehler gemacht hatte. Doch das hatte ihm nichts genützt. Olfattke hatte in Bliesheimers Haus den entscheidenden Beweis für das Geplante an der Tat entdeckt – eine Kopie des persönlichen Stundenplans des Opfers. Plötzlich war es Mord gewesen. Diese Wendung im Prozess hatte der Angeklagte seltsam reglos zur Kenntnis genommen. Die meiste Zeit war er weiterhin distanziert geblieben, hatte bloß dann und wann ruhig und korrekt auf Fragen geantwortet und sogar Einzelheiten zum Tathergang ergänzt. Unbeteiligt und gefühllos wie ein Psychopath, während seine Frau auf den Zuschauer-Plätzen geschluchzt hatte.
Und endlich fiel der Groschen. Olfattke hatte sich damals die Platze geärgert, dass der Mann einen Duft getragen hatte, der wie kaum ein zweiter ein Inbegriff von Seriosität war, sozusagen geruchgewordener Anstand: Blenheim Bouquet, ein Parfüm, das der Kommissar sehr schätzte. Zudem der einzige Duft, den er kannte, zu dem es ausdrücklich hieß, er habe keine Herznote. „Blenheim Bouquet has no heart notes“, schrieb Penhaligon’s dazu.
Eine frische, nicht allzu saure Zitrone, die von einer ätherischen, den Fortgang vorwegnehmenden Aura begleitet wurde, ging zügig in die Basis über. Binnen einer halben Stunde erreichte der Duft distinguiertes Nadelholz, flankiert von einer Spur Süße und zunächst einem Hauch Rest-Säure, vielleicht ein Sherbet-Bonbon. Olfattke empfand derlei als außerordentlich britisch. Die warm-würzig-nadelholzige Anmutung mochte für Parfüms in längst vergangener Zeit typisch gewesen sein, denn ein ähnliches Duft-Gefühl verbreitete auch Elite von Floris, der zwar ein Kind der 1970er Jahre war, aber wohl nicht nur namentlich auf ein Aftershave von 1851 verwies.
Im Verlauf wurde die ätherische, süßlich abgemilderte Nadelholznote leicht zuckrig, glitt allerdings nie in billige Zucker-Zeder ab. Vetiver bildete ein frisch-säuerlich-grünes Rückgrat, zunehmend deutlicher zu bemerken. Die Kombination mit der nadelwürzigen Frische war großartig. Völlig unprätentiös und trotzdem präsent. Ein Gentleman mit Bodenhaftung.
Und das an diesem Typen, der den Staatsbürger mit Fehltritt spielte. Nach außen hin seriös, hintenrum Cowboy, der das eigene Recht sprechen ließ. In einer Prozesspause hatte er dem Mann zugezischt, dass ihn Blenheim Bouquet nicht vor einem ‚lebenslänglich‘ bewahren würde. Und so war es gekommen.
„Vergiss nicht, dass ich kein Herz habe!“, hatte auf der Karte gestanden, die ihm der unglückliche Junge überbracht hatte. Das war ein Fingerzeig auf die gerichtliche Aufarbeitung eben dieses Mordfalls.
Bliesheimer saß in Moabit ein, das jedenfalls war laut Akte der letzte Stand. Doch das Ding hatte seit Jahren keiner mehr angefasst. Olfattke hatte bereits zum Telefon gegriffen, als ihm einfiel, wie spät es war. Morgen früh musste er das klären. Nein, das genügte nicht, er musste es jetzt wissen, den Diensthabenden anrufen oder zur Not hinfahren, wenn der am Telefon nichts herausrücken wollte.
Er hatte Glück, am Apparat in der JVA war ein alter Bekannter, der mit ihm gemeinsam bei der Kripo gearbeitet hatte, bis er sich aus familiären Gründen nach etwas weniger Nervenaufreibendem umgesehen hatte.
„Georg Bliesheimer wurde vorgestern entlassen. Er wurde um Punkt 11 Uhr hier abgeholt.“
Olfattkes Gedanken rasten - in jahrelang geübter Präzision zog der Kommissar rasch seine Schlussfolgerungen. Er wusste nun das ‚Wer‘. Daraus ergab sich das ‚Warum‘. Und über das letzte ‚Wo‘ war er sich ebenfalls klar geworden.
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Die übrigen Kapitel:
1. Hermès, Un Jardin sur le Nil
2. Serge Lutens, Datura Noir
3. Guerlain, Philtre d'Amour
5. Papillon Artisan Perfumes, Anubis
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