08 Intrigant Patchouli 2005

Violett
16.09.2021 - 06:01 Uhr
23
Top Rezension
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Verwirrend Erwachsen

Man muss schon einige Jährchen auf diesem Planeten umhergewandelt sein um gewisse Begegnungen der speziellen Art erleben zu dürfen... Ich meine damit zufällige Treffen von früheren Schulkameraden, die man seit mehreren Jahrzenten nicht mehr gesehen hat. Manchmal ist es schön, man hat sofort wieder den alten Draht zueinander ,und es ist völlig wurscht , daß beide längst nicht mehr so frisch wie mit 18 aussehen, oder im Fall der Männer meistens, eventuell weniger Haare auf dem Kopf haben. Manchmal aber, scheint das einst so vertraute Gegenüber derart verändert, daß man diesen Mensch, der anders spricht, sich anders bewegt, sogar anders lacht, und im übrigen auch noch völlig andere Erinnerungen an früher zu haben scheint, kaum noch erkennt...
Nun , ich möchte euch von meiner letzten Begenung dieser Art erzählen :
ICE Frankfurt Richtung Müchen Zugabteil :
Mir gegenüber sitzt ein fremder Herr mit Geheimratsecken in schickem Anzug und ausgebeulter Aktentasche. Er setzt seine Brille auf und stutzt :
"Entschuldigen sie...bist du etwa....das Veilchen ?"
" Ähm, ja ? "
" Ja, kennst du mich denn nicht mehr ?!" Nicht wirklich.
" Na, ich bin´s doch ! Der gute alte Patchoulino !"
" Stimmt, jetzt erkenne ich dich! Du riechst ganz genau wie damals, mit 16 . Nach ganz leicht süßlich dunkelwürziger Erde, warm, geheimnissvoll, aber schnörkellos und irgendwie ziemlich nach Abenteuer. Na sowas ! Wie konnte ich das nur überschnuppern...also wirklich."
" Ja." Er lehnt sich grinsend und sichtlich geschmeichelt in seinen Sitz zurück. " Im Grunde bin ich doch auch ganz der Alte geblieben.
"Stimmt. Aber du strahlst so eine Leichtigkeit aus, die du früher nicht hattest, Patchoulino."
" Nun,erstens lebe ich schon sehr lange nicht mehr im Souterrain,"
trotzig streicht er sich durch das verbliebene, zimtbraune Haar mit wenigen dunkel-honigblonden Strähnchen. . Zweitens bin ich nun mal nicht mehr der ölige Typ aus der kleinen Flasche, nein ! Mittlerweile verfüge ich über eine gediegene Mischung aus zitrischen Noten, die mit Igwer an mir beinahe einen Anflug von leichter Blumigkeit entwickeln. Die verleihen mir diese aromatische Leichtigkeit.
Das stimmt. Er kann seine tiefe, dunkle Seite zwar nicht leugnen, aber mittlerweile gekonnt in den Hintergrund treten lassen.
"Und", er beißt verhalten in eine Zimtschnecke " Fein austarierte Gewürze geben meinem Auftreten in der Öffentlichkeit den besonderen Twist, lassen mich, bei aller Bescheidenheit, interessanter wirken. Und schau mal hier, mein Tarnumhang !" Er nestelt etwas aus seinem Koffer, das wie ein silberner Stofflappen aussieht.
Tatsächlich ! Kurz verschwindet er ganz von der Bildfläche, lässt nur zitronig-blumig-würzige Aura zurück. Um im nächsten Augenblick wieder aufzutauchen. " Wieder da! " Und dann
" Weg - wieder da !"
" Weg - wieder da !"
" Weg - wieder da !"
"Wirklich beeindruckend", murmle ich, zunehmend irritiert. War der früher auch schon so ?
Dieses Spielchen macht er zwei, dreimal mit mir, wobei er einmal sogar für ca. 10 Minuten das Abteil verlässt. Irgendwie scheint er mir nicht mehr so ganz vertrauenswürdig...
Da ist diese gewisse Distanz, die ich früher so nicht im Verhalten Patchoulino wahrgenommen habe. Und die Tatsache, wie sehr er sich verändert hat. Es lässt sich nicht leugnen. Er wirkt absolut nicht mehr so einfach gestrickt, ehrlich, wild und abenteuerlustig wie früher. Dafür aber... sehr elegant.
Obwohl der Junge P. aus alten Zeiten immer wieder in meiner Nase auftaucht, ich ihn irgendwo eventuell noch erkenne, hat er sich verändert, ist erwachsen geworden und erscheint mir längst nicht mehr so unkompliziert und unbedarft zu sein. Und auch nicht mehr wirklich nahbar und greifbar.
Er ist raffinierter und, zumindest teilweise, zurückhaltender geworden. hat sich einen Panzer aus abgebrühter Rafinesse zugelegt.
Dennoch, ich kann mir nicht helfen, wirkt er auf mich nach wie vor äußerst verführerisch. War er schließlich nicht immer einer der Schönsten ? Im Laufe der gemeinsam verbrachten Stunden entwickelt sich mehr Wärme in seinem Verhalten. Nun lässt er versiert seinen etwas holzigen Charme spielen,
lauscht sandelcremig-geschmeidig lächelnd meinen Erzählungen und schmiert mir doch tatsächlich auch noch dunkelgoldenen Honig um den Mund. Mir fällt auf, daß er das eigentlich schon seit Stunden tut.
Was für eine verwirrende Begegnung
" Ich geh mich mal kurz frischmachen", sage ich. Ich muss mir dringend mal den Honig abwischen, wie sieht denn das aus ?
Als ich zurückkomme, sehe ich, daß meine Handtasche offensteht. Mein Geldbeutel ist komplett leer, genau wie das Abteil. Ein Hauch dunkler Wärme und blumiger Honig-Süße liegt in der Luft. Patchoulino ist verschwunden.
Oder ist er noch da ?
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