Mécanique du Désir 2018

Achilles
08.11.2018 - 08:19 Uhr
37
Top Rezension
10
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Frucht-Kraftstoffparadoxon

Wohlweislich sind gewisse Duftkonzentrationen und - kombinationen dafür geeignet, Assoziationen auszulösen, und bei Ideen von Düften wie Benzin, Ölen, Lacken und Schmierstoffen bin ich immer hellhörig. PGs neueste Kreation soll die Vorstellung davon vermitteln, bzw auf eine olfaktorische Reise mit ihm in die Werkstatt seines Vaters mit Oldtimern und die Erinnerung an "dirty engine grease" einladen, was er "Motorenschweiß" nennt.

Im direkten Vergleich zu Original-Duftstoffen, die in solchen Konzeptdüften verhackstückelt werden sollen, riecht das alles immer ganz anders oder ein Duft schafft es nur teilweise, Noten akkurat zu treffen. Die Note, oder Idee von Motoröl, ist auf jeden Fall anzutreffen, wenn auch nicht als "Motorenschweiß".
Die Kopfnote ist direkt herb, sehr frisch, sehr männlich, aber keinesfalls Mainstream, was man schon gleich denken könnte (Aventus etc.).
Das ganze Konzept wird nämlich zu unterstreichen versucht durch diese hohe Johannisbeer-Dosis mit einer Ladung Mandarine, die dafür gut geeignet ist, weil man bei sehr vielen Düften mit dieser Note Werkstatt-Assoziationen in Statements lesen kann bzw Düfte sie überdurchschnittlich oft enthalten.
Was zunächst paradox klingt, ist tatsächlich wahr.

Durch sehr lange Recherchen und Nachfragen konnte ich heraus finden, dass eine Korrelation besteht bei Düften mit immer wieder kehrenden Noten und Menschen, die bei derlei Düften Assoziationen von Kerosin, Terpentin, Benzin usw feststellen können, OHNE das im Vorfeld eine Idee wie hier dazu bestand. Es ist nämlich sehr oft so, dass Düfte "vorverurteilt" werden und man anhand von schon getätigten Statements auch krampfhaft nach denselben Assoziationen sucht. Klartext: 100 Leute schreiben, sie riechen Benzin in Fahrenheit. Der 101ste wird erwarten, dass da auch zu riechen,beeinflusst durch Wahrnehmungen anderer. Kann aber nur Gurke und Veilchen und Leder auf höchstem Niveau ausmachen, wie ich. Kann ein Teil Beeinflussung sein, ein anderer mangelnde Recherche, aber das kann man niemanden zum Vorwurf machen.
Dieses "Frucht/Kraftstoffparadoxon" erscheint zum Beispiel bei Diesel Fuel for Femme, bei welchem viele Benzin ausmachen oder Aqua Allegoria Pamplelune, die durch Grapefruit stechende Noten hervorbringt und im Umkehrschluss an Nagellackentferner, Benzin oder Terpentin erinnert. Ich kann es verstehen, aber - dort fehlt überall diese schmierige, dreckige Note, die Mecanique wiederrum hat- ohne nach Benzin zu riechen. Man müsste vielleicht layern.
Sehr oft wird auch bei Rose und Oud oder einer Kombi von beidem so etwas gerochen, ebenfalls bei Leder, Gummi etc.
Hier ist aber definitv die Komponente Motoröl prominent, frisches kaltes, gut gelagertes, keines mit welchem eine Maschine schon gearbeitet hat. Wer eine Dröhnung von Abgasen / Exhaust Fuel hier erwartet, wird also enttäuscht. Man muss den charakteristischen Geruch von kaltem Öl mögen, um den zu tragen. "Motorenschweiß" erkaltet, kann man sagen.

Kraftstoff hat durch seine Eigenschaften eines raffinierten Erdölproduktes charakteristische, fettige Rohöl -Komponenten, die unverkennbar sind. PG schafft es halt, diese nur im Bereich Motoröl auch zu kreieren, es riecht alles in allem wie ein kaltes Mineralöl-Destillat mit Johannisbeergarnitur. Erzielt wird diese "Grease"-Note nicht zuletzt durch Aldehyde, nehme ich mal an. Es gibt bis auf die kraftvolle Kopfnote keinen nennenswerten Verlauf, ausser einem direkten dumpfen Fall in ein verführerisches Moschusbett mit ein paar Duftkissen, was auch stundenlang so bleibt.

Wer Moschus nicht mag oder gut damit zurechkommt, wird auch hier Schwierigkeiten haben, denn der Duft ist über das Mechanische hinaus auch purer Lockstoff, wo wir bei desir wären, das ist erstklassig getroffen. So ist der Duft unterm Strich eine gelungende Interpretation der Verführung ohne übliche oder erwartete Inhaltsstoffe oder Assoziationen.
Moschus ist hier samtartig, schnell omnipotent, man kann sich nicht ansatzweise wehren. Hinzu kommt pikanterweise eine gewisse Ähnlichkeit zu Nasomattos Nudiflorum, unverkennbar Angelika, beißend holzig, herbsüß, aber anziehend, ohne Jasminnarkose. Unterstrichen wird das durch das Veilchenblatt, welches in etwa so duftet, als hätte man es aus Fahrenheit rausgeschnitten, kein Veilchenpastillenduft, zum Glück.
Alles in allem ist die Idee gut umgesetzt und die Mischung Werkstatt/Verführung merkwürdig harmonisch interpretiert. Es fehlen aber - für mein Verständnis und Geschmack - notwendige Komponenten oder Aspekte des Schraubens an Autos, wie betreten einer Garage, Plastik, Staub, Kraftstoffduft, Lösungsmittel usw.
Verständlicherweise ist das eine Sondervorliebe, und PG musste drauf achten, dass das Ganze sich auch verkauft, wodurch es eben massenkompatibler und auf Nummer sicher umgesetzt wurde.

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