05.01.2012 - 11:53 Uhr
Profumo
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Profumo
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22
Kein vor Lust vibrierender, gewalttätiger Matrose; eher Pennäler mit Hornbrille und 60er Outfit
Pierre Guillaume – noch so ein selbsternanntes Wunderkind!
Er und Pierre Montale (oder wer immer hinter den Düften von Parfums Montale steht) lieferten sich in den letzten Jahren ja geradezu einen Wettbewerb um die höchste Anzahl an jährlich lancierten „Meisterwerken“.
Die beiden Herren, statt wie früher jahrelang an einem Duft zu feilen, bzw. höchste Sorgfalt walten zu lassen, hauen einfach so raus – zack, zack – und führen das Handwerk der Parfumkunst ganz nebenbei ad absurdum. Eine Groteske, nur leider nicht lustig.
Ab und an aber, in all der Hast, gerät ihnen doch ein Duft recht gut – und ‚Querelle’ ist so einer. Kein überragender Duft, auch kein sonderlich origineller, schon gar kein brutaler, ebenso wenig verruchter, auch nicht im Mindesten erotischer Duft (hat Herr Guillaume Jean Genets ‚Querelle’ überhaupt gelesen?), aber immerhin ein guter Duft – sehr zivilisiert, fast steifleinen, manche haben ihn gar ‚Haute Couture’ genannt.
Nun kann ich ‚Haute Couture’ so gar nicht in Einklang mit Genets vor Erotik strotzender Gewaltphantasie bringen, doch sei´s drum.
Herr Guillaume schreibt dazu:
„ ‚Querelle’ pays homage to the dreamlike, asthetic eroticism of Jean Genet´s novel – the violence an sophistication of a raw blend...“
Na ja, vielleicht habe ich auch nur eine andere Vorstellung wie so etwas riechen könnte, gut riechen sogar, sehr gut, nur eben ganz anders: rauer, derber, unzivilisierter, dreckiger, verführerischer, anziehender, abstoßender, gewaltsamer, und, und, und...
‚Tom of Finland’ von EldO ist da ein ähnlicher Fall – auch hier übersetzt mein Gehirn die offensive, ja fast schon überzeichnete Erotik der Inspirationsquelle in eine ganz andere olfaktorische Sprache. Und würde ich zu dieser Sprache den am ehesten passenden Duft finden wollen, so müsste ich schon zu Neil Morris’ ‚Fetish’ greifen. Doch zu welchem griffe ich im Falle von Genets Novelle? Ich glaube es wäre ‚Jules’, denn ‚Jules’ hat alles was Guillaumes ‚Querelle’ nicht hat: es ist dreckig, irgendwie pissig, wollüstig, gewalttätig, obszön und ungemein erotisch. Dagegen wirkt der Duft von PG wie ein schmallippiger Internatszögling, dessen Sexualleben sich auf gelegentliche feuchte Träume beschränkt... doch ich vergaloppiere mich – zurück zum Duft!
‚Querelle’ ist ein sehr schön komponierter, würziger Weihrauch-Vetiver-Duft mit grünen Akzenten zu Beginn, einem herben und trockenen Schwarzkümmel-Myrrhe-Akkord im Herzen (mit etwas Tonka und Rose gemildert), auf einer grünen, moosig-rauchigen Basis, die mit etwas grauer Ambra angereichert ist. Das Ganze ist perfekt verblendet und hat auf mich einen gewissen Retro-Charme: immer wieder erinnert er mich an das gute alte ‚Monsieur Rochas’ aus den 60er Jahren, jenem berühmten, unnachahmlich trockenen und dennoch würzig-aromatischen Tabakduft von Guy Robert. Dabei wartet ‚Querelle’ gar nicht mit den für ‚Monsieur’, aber auch ‚Balafre’ oder ‚Equipage’ so zeittypischen Tabaknoten auf, aber dennoch erinnert es mich jedes Mal sogleich nach dem aufsprühen an diese Düfte, an die glorreiche Epoche herb-männlicher Fougères, die noch mit einem überschaubaren Quantum an animalischen Beimischungen auskamen - ganz im Gegensatz zu der bald folgenden Generation aromatischer Fougères à la ‚Jules’ oder ‚Azzaro pour Homme’!
Pierre Guillaume hat also einen Duft geschaffen, der nach mein Empfinden eher in die Duftwelt der späten sechziger Jahre passt, als dass er ein wirklich modernes Werk wäre. Modern ist er aber in gewisser Weise trotzdem, so wie andere Retro-Düfte gleichermaßen modern wie altmodisch sind: ‚Rive Gauche pour Homme’ zum Beispiel, oder auch ‚Fougère Royal’.
Und gut ist er, richtig gut. Je länger ich darüber nachdenke und je öfter ich an meinem Handrücken – der nach ‚Querelle’ duftet - rieche, desto besser gefällt mir dieser scheinbar unzeitgemäße Duft. Er ist übrigens auch ziemlich haltbar, hat eine angenehme Abstrahlung und entwickelt sich in moderatem Ausmaß und Tempo - von grün über würzig und herb, bis rauchig, mit leichter Süße und balsamischen Nuancen.
Nur eines will sich mir einfach nicht erschließen: Was bitte hat dieses so gesittete, so adrette Retro-Fougère, das viel eher nach schwarzem Yves-Saint Laurent-Anzug und Hornbrille duftet, als nach muskulösem und lüsternem Matrosen - da habe ich einfach Brad Davis vor Augen, der sich nach begangenem Mord einem Bordellwirt hingibt - , was hat dieser Duft also mit ‚Querelle de Brest’ zu tun?
Herr Guillaume, sehen sie sich einfach den Film noch einmal an, oder besser: lesen sie das Buch.
Ihr Duft ist trotzdem gut, aber das hatte ich ja bereits erwähnt.
Er und Pierre Montale (oder wer immer hinter den Düften von Parfums Montale steht) lieferten sich in den letzten Jahren ja geradezu einen Wettbewerb um die höchste Anzahl an jährlich lancierten „Meisterwerken“.
Die beiden Herren, statt wie früher jahrelang an einem Duft zu feilen, bzw. höchste Sorgfalt walten zu lassen, hauen einfach so raus – zack, zack – und führen das Handwerk der Parfumkunst ganz nebenbei ad absurdum. Eine Groteske, nur leider nicht lustig.
Ab und an aber, in all der Hast, gerät ihnen doch ein Duft recht gut – und ‚Querelle’ ist so einer. Kein überragender Duft, auch kein sonderlich origineller, schon gar kein brutaler, ebenso wenig verruchter, auch nicht im Mindesten erotischer Duft (hat Herr Guillaume Jean Genets ‚Querelle’ überhaupt gelesen?), aber immerhin ein guter Duft – sehr zivilisiert, fast steifleinen, manche haben ihn gar ‚Haute Couture’ genannt.
Nun kann ich ‚Haute Couture’ so gar nicht in Einklang mit Genets vor Erotik strotzender Gewaltphantasie bringen, doch sei´s drum.
Herr Guillaume schreibt dazu:
„ ‚Querelle’ pays homage to the dreamlike, asthetic eroticism of Jean Genet´s novel – the violence an sophistication of a raw blend...“
Na ja, vielleicht habe ich auch nur eine andere Vorstellung wie so etwas riechen könnte, gut riechen sogar, sehr gut, nur eben ganz anders: rauer, derber, unzivilisierter, dreckiger, verführerischer, anziehender, abstoßender, gewaltsamer, und, und, und...
‚Tom of Finland’ von EldO ist da ein ähnlicher Fall – auch hier übersetzt mein Gehirn die offensive, ja fast schon überzeichnete Erotik der Inspirationsquelle in eine ganz andere olfaktorische Sprache. Und würde ich zu dieser Sprache den am ehesten passenden Duft finden wollen, so müsste ich schon zu Neil Morris’ ‚Fetish’ greifen. Doch zu welchem griffe ich im Falle von Genets Novelle? Ich glaube es wäre ‚Jules’, denn ‚Jules’ hat alles was Guillaumes ‚Querelle’ nicht hat: es ist dreckig, irgendwie pissig, wollüstig, gewalttätig, obszön und ungemein erotisch. Dagegen wirkt der Duft von PG wie ein schmallippiger Internatszögling, dessen Sexualleben sich auf gelegentliche feuchte Träume beschränkt... doch ich vergaloppiere mich – zurück zum Duft!
‚Querelle’ ist ein sehr schön komponierter, würziger Weihrauch-Vetiver-Duft mit grünen Akzenten zu Beginn, einem herben und trockenen Schwarzkümmel-Myrrhe-Akkord im Herzen (mit etwas Tonka und Rose gemildert), auf einer grünen, moosig-rauchigen Basis, die mit etwas grauer Ambra angereichert ist. Das Ganze ist perfekt verblendet und hat auf mich einen gewissen Retro-Charme: immer wieder erinnert er mich an das gute alte ‚Monsieur Rochas’ aus den 60er Jahren, jenem berühmten, unnachahmlich trockenen und dennoch würzig-aromatischen Tabakduft von Guy Robert. Dabei wartet ‚Querelle’ gar nicht mit den für ‚Monsieur’, aber auch ‚Balafre’ oder ‚Equipage’ so zeittypischen Tabaknoten auf, aber dennoch erinnert es mich jedes Mal sogleich nach dem aufsprühen an diese Düfte, an die glorreiche Epoche herb-männlicher Fougères, die noch mit einem überschaubaren Quantum an animalischen Beimischungen auskamen - ganz im Gegensatz zu der bald folgenden Generation aromatischer Fougères à la ‚Jules’ oder ‚Azzaro pour Homme’!
Pierre Guillaume hat also einen Duft geschaffen, der nach mein Empfinden eher in die Duftwelt der späten sechziger Jahre passt, als dass er ein wirklich modernes Werk wäre. Modern ist er aber in gewisser Weise trotzdem, so wie andere Retro-Düfte gleichermaßen modern wie altmodisch sind: ‚Rive Gauche pour Homme’ zum Beispiel, oder auch ‚Fougère Royal’.
Und gut ist er, richtig gut. Je länger ich darüber nachdenke und je öfter ich an meinem Handrücken – der nach ‚Querelle’ duftet - rieche, desto besser gefällt mir dieser scheinbar unzeitgemäße Duft. Er ist übrigens auch ziemlich haltbar, hat eine angenehme Abstrahlung und entwickelt sich in moderatem Ausmaß und Tempo - von grün über würzig und herb, bis rauchig, mit leichter Süße und balsamischen Nuancen.
Nur eines will sich mir einfach nicht erschließen: Was bitte hat dieses so gesittete, so adrette Retro-Fougère, das viel eher nach schwarzem Yves-Saint Laurent-Anzug und Hornbrille duftet, als nach muskulösem und lüsternem Matrosen - da habe ich einfach Brad Davis vor Augen, der sich nach begangenem Mord einem Bordellwirt hingibt - , was hat dieser Duft also mit ‚Querelle de Brest’ zu tun?
Herr Guillaume, sehen sie sich einfach den Film noch einmal an, oder besser: lesen sie das Buch.
Ihr Duft ist trotzdem gut, aber das hatte ich ja bereits erwähnt.
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