To Be - The Illusionist 2012

Sarungal
03.06.2015 - 14:00 Uhr
4
Hilfreiche Rezension
7.5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
2
Duft

Die Illusion von Duft

Da steht er nun, der silbrig-glänzende , leicht transparente Schädel in seiner ganzen geschmacksverirrten Pracht. Jeder an sich wohl verdiente Steinwurf ist hier unangebracht, denn der Flakon hält alles, das die Produktphotos versprechen: Er schaut auch real aus wie ein Gimmick aus dem Gothic-Shop. Schön ist er nicht, aber auf eine verdrehte Art sympathisch trashig.

Ebenso sympathisch ist sein Preis – womit ich bereits die beiden kaufentscheidenden Faktoren benannt habe, die gemeinsam mit meiner manchmal etwas morbiden Lust an sinnarmen Kaufimpulsen diesen Duft in den Warenkorb beförderten.

Bleiben wir beim Preis: Meine Nase interessiert sich nicht für Flakons – und findet den Inhalt bestenfalls preisadäquat. Anders gesagt: mehr sollte man für diese Hommage an die Mediokrität nicht verlangen. Ob ich hier einem Fierce-Dupe begegne, kann ich nicht beurteilen; mir ist A&Fs Duft schlicht unbekannt. Stimmen die Einschätzungen der Parfumisti, dann verzichte ich dankend auf jede Begegnung mit Fierce (und bewundere das Marketing des Unternehmens...)

Lustigerweise erlebe aber auch ich in der Herznote ein olfaktorisches Déjà-vu. Ich laufe allerdings nicht Abercrombie & Fitch über den Weg; ich treffe unerwartet auf eine alte Duftliebe, von der ich mich irgendwann leicht angewidert trennen musste. Dazu später mehr.

Beim Papiertest kriegt nicht einmal die Kopfnote das kleinste bisschen Charme gebacken: sie riecht nicht frisch, sondern nur beißend – eine verwirrend absichtsfrei müffelnde Kakophonie aus Deos gräbt sich in die ungläubig schnuppernde Nase. Wurde ich in die Umkleide einer McFit-Filiale gebeamt?

Auf der Haut (und das ist’s letztlich, was zählt) präsentiert sich The Illusionist nicht gar so unangenehm: ich rieche eine Mixtur aus aquatischer Frische und einem entfernt an Zitrone erinnernden Aroma, dazu eine weitere Note, die Fruchtigkeit imitiert: Das wird wohl die Orange sein. Nicht unerwartet stößt eine Farbe dazu, die vermutlich für Männlichkeit sorgen soll. Ob das der Efeu ist?

Mein Interesse erlahmt; ich wende mich anderen Dingen zu. Geschätzte 90 Minuten später schießt mir – gänzlich unerwartet – ein Gedanke durch den Kopf: Seattle.
Seattle? Richtig – Washington, Space Needle, Boeing, Pudget Sound etc. Ich bin leicht verstört: Woher kommt denn das nun wieder?

In diesem Moment fällt mir mein Dufttest wieder ein. Ich schnüffle bewusst an meinem Unterarm – und rieche dort exakt jene faulige Obstigkeit, die mir irgendwann in den 90ern Calvin Kleins Escape Men nachhaltig verleidete. Dabei hatte ich den Duft so geliebt. Unnötig zu erwähnen, wo wir Freundschaft geschlossen hatten: den ersten Flakon erstand ich 1994 in Seattle. Anschließend blieb ich dem Duft sicher gute 2 Jahre treu. Vielleicht war ich gar zu monogam, denn irgendwann roch ich nicht mehr die fruchtige Frische, die mich anfangs so begeistert hatte, sondern ausschließlich vergammeltes Obst. Trotzdem bleibt Escape in meinem olfaktorischen Gedächtnis untrennbar mit Seattle verbunden, und diese Erinnerung ist – trotz schmutziger (Duft-)Scheidung – äußerst angenehm.

In der Herznote finde ich also kaum etwas von dem, das die Duftpyramide erwarten lässt; dort erlebe ich einen Escape-Dupe, zugegebenermaßen etwas metallischer in der Anmutung und dabei leicht synthetisch – als ob Parfumeure halbwegs erfolgreich Stille Post mit Ihren Rezepturen gespielt hätten. Das Ergebnis – Dupe hin, Dupe her – überzeugt mich nicht wirklich; versöhnlich stimmt mich die Zeitreise.

Theoretisch müsste im Drydown ja noch ein bisschen was los sein – ich erschnuppere hier nicht mehr als eine minimale Verholzung des Dufts. Ohnehin geht dem Wässerchen die Luft so früh aus, dass der Drydown schon wenige Stunden nach dem Start einsetzt. Sein markantestes Merkmal ist das gnädige Verblassen der Duftreste. Übrig bleibt das vermatschte Aroma eines etwas kühner bedufteten Drogerie-Bodylotions.

So schlimm? Nein – aber im Gegensatz zu Scentist konstatiere ich, dass der Duft tatsächlich preiswert riecht. Vielleicht vermag er auf der Haut eines anderen Trägers mehr zu leisten. Erträglicher als der Erzfeind meiner Nase duftet er allemal – aber ihm fehlt beinahe alles, das nötig ist, um eine Affaire mit ihm zu beginnen. Selbst für einen Seitensprung reicht es kaum – ganz im Gegenteil: Wahrscheinlich ist The Illusionist der ideale Begleiter, wenn es gilt, ein übereilt angesetztes Date planbar zu einem raschen Ende zu bringen – nicht weil es Fluchtreflexe beim Gegenüber auslöst. Es ist eher die ambitionsfreie Beliebigkeit, die jedes Interesse im Keim erstickt.

Sorry, Totenkopf: so bist du am Ende doch nur ein geschmacksirritierendes Deko-Objekt, in dem zufällig eine Flüssigkeit schwappt.

PS: Ein Gedanke kam mir dann doch noch: wieso zur Hölle heißt der Duft Illsuionist? Vielleicht ist er so gesichtslos, dass er jedem Träger die Illusion eines olfaktorischen Déjà-vus schenkt?
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